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Hinter den Kulissen: BMW & der Versuch, Porsche zu kaufen

Als wir das dreibändige Set „BMW Behind The Scenes“ besprachen, nannten wir es ein „Meisterwerk“.
Dem Autor Steve Saxty wurde für die Erstellung ein beispielloses Maß an Vertrauen entgegengebracht, um die interne Geschichte des Unternehmens zu erzählen. Das Buch-Set wurde später mit dem renommierten „RAC Book of the Year“-Preis ausgezeichnet und ist randvoll mit bislang unbekannten Informationen, weshalb wir seinen Autor Steve Saxty gebeten haben, einige der bislang unerzählten Geschichten mit uns zu teilen. Hier ist eine davon – als BMW versuchte, Porsche zu kaufen.

Am Ende dieses Artikels gibt es ein exklusives BimmerToday-Angebot mit 40 € Rabatt auf die letzten verfügbaren Exemplare des Buch-Sets – inklusive kostenlosem Versand. Doch jetzt zieht Steve den Vorhang zurück und gibt Einblick in etwas Bemerkenswertes:

Was wäre wenn … Als BMW Porsche kaufen wollte – und mit Rover endete
von Steve Saxty

Wenn einem die heutige Zeit mit all ihren geopolitischen Turbulenzen und der Dynamik in der Automobilbranche instabil erscheint, dann mag ein Rückblick an den Anfang der 1990er Jahre ein schwacher Trost sein, denn auch damals herrschte jede Menge Unruhe. Zum Teil trugen die Unternehmensberater von McKinsey die Verantwortung dafür – sie hatten ein gut begründetes Diskussionspapier veröffentlicht, das weltweit Aufmerksamkeit erregte. Ihre Berechnungen zeigten: Kein Autohersteller, der weniger als eine Million Fahrzeuge pro Jahr produziert, könne langfristig überleben – es sei denn, er fusioniert oder geht eine Partnerschaft ein. Zwei Unternehmen stünden besonders schlecht da: zu groß, um gekauft zu werden, aber zu klein, um alleine zu überleben. Die Rede war von Renault und BMW.

McKinsey argumentierte, dass Daimler-Benz durch seine Diversifikation in Luft- und Raumfahrt sowie andere Technologiebranchen abgesichert sei – während BMW zu sehr ein reiner Autohersteller sei, der auf mittlere Stückzahlen mit hohen Margen angewiesen ist. Leider entschied Daimler-Benz, dass das auch nicht genügte – und verband sich mit Chrysler. BMW hingegen war 1991 fest entschlossen, selbst aktiv zu werden.

BMW war keineswegs bereit, sich von einem größeren Konzern übernehmen zu lassen – die Familie Quandt hielt nach wie vor die Mehrheit, und das Unternehmen war hochprofitabel. Doch auch CEO Eberhard von Kuenheim sah die Logik hinter McKinseys Argument. BMW lag unter der Millionenmarke und musste wachsen – und zwar schnell. Die Devise lautete: kaufen statt gekauft werden.

Anfang 1991 entsandte von Kuenheim seinen Vorstand für Entwicklung, Wolfgang Reitzle, um einen passenden Premium-Partner zu finden. Zunächst schaute man auf Rolls-Royce und Bentley, die damals beide zur britischen Vickers Engineering gehörten. Sie waren ohne Zweifel edel, und BMW wollte sie künftig mit 7er-Technik und -Motoren versorgen. Doch das Produktionsvolumen war schlicht zu gering – BMW brauchte einen größeren Fang.

Reitzle fand ihn in Land Rover – damals ein halbautonomer Teil der Rover Group. Es passte perfekt. Zwar baute der Mutterkonzern Rover wenig überzeugende, unzuverlässige Fahrzeuge, die praktisch nur noch in Großbritannien gekauft wurden, doch es gab zwei verborgene Schätze: Land Rover (inklusive Range Rover) – zwar ebenfalls unzuverlässig, aber mit Premium-Image und hohen Margen – und Mini.

Die Marke Mini war aufgrund kurzsichtiger Führung jahrelang vernachlässigt worden. Sie war technisch völlig überaltert und entsprach keiner aktuellen Sicherheitsnorm. Rover hatte den kleinen 100er im Programm – ehemals Metro genannt –, doch auch der war mittlerweile überholt. Man brauchte dringend einen neuen Kleinwagen. Rover hatte eine Partnerschaft mit Honda, doch die Japaner wollten verständlicherweise nicht zulassen, dass Rover eigene Varianten ihrer Modelle für Europa baute – schließlich wollte Honda selbst Marktanteile und Gewinne sichern.

Reitzle, ein Anglophiler mit perfektem Englisch und feinem Gespür für britische Kultur, war überzeugt: Mini könnte eine eigenständige Marke werden – statt einem peinlichen Oldtimer im Rover-Sortiment. Anstatt mit der Rover Group zu verhandeln, die er eher gering schätzte, wandte er sich direkt an den Eigentümer: British Aerospace. Die akzeptierten sein Angebot, bestanden jedoch darauf, dass BMW nicht nur Land Rover und Mini herauskaufen konnte – sondern die gesamte, leicht faulende Rover Group übernehmen musste.

Reitzle sah riesige Probleme: Rovers Modellpalette war nicht premium, dazu noch Honda-basiert – ein Dreiecksverhältnis mit einem japanischen Hersteller also. Trotz der Reize von Land Rover und Mini lehnte Reitzle den Deal weise ab.

Sein nächster Halt: Stuttgart, die Heimat von Daimler-Benz und Porsche. Eine Kooperation mit Mercedes? Theoretisch vorteilhaft, aber Reitzle hatte sich dort einige Feinde gemacht (eine andere Geschichte, nachzulesen in „BMW by Design“). Mercedes und BMW waren seit jeher eher Rivalen als Partner.

Und dann war da Porsche.
Besser hätte es kaum passen können: Zwei deutsche Hersteller mit höchstem Anspruch an Ingenieurskunst und sportliche Fahrzeuge. Und Porsche – wirtschaftlich am Boden. Der 968 war nur ein tiefgreifend überarbeiteter 944 mit Vierzylinder – aufwendig in der Herstellung, durch den schwachen Dollar verlustreich im Export. Und der betagte 911? Brachte kaum noch Gewinne. Dazu kam ein herber Rückschlag: Porsche musste 300 Millionen Dollar Verlust abschreiben, weil das viertürige Projekt 989 gestoppt wurde.

Heute klingt es beinahe ironisch, schließlich bietet Porsche inzwischen einige Modelle mit vier Türen an – aber damals war ein Porsche-Viertürer revolutionär. Harm Lagaays Designteam hatte einen schönen Entwurf vorgelegt, der bereits den Stil des späteren 993 vorwegnahm. Das Problem war nicht das Design – sondern die Technik. Ein völlig neuer V8 trieb die Kosten so weit nach oben, dass das Auto heute über 200.000 Dollar kosten würde. Es war der richtige Porsche zur falschen Zeit.

Reitzle traf sich mit der Porsche-Familie, darunter auch der Ingenieur Ferdinand Piëch, und machte seinen Vorschlag: BMW kauft Porsche, lässt das Management unangetastet, investiert in einen neuen 911, baut die Modellpalette aus – und unterstützt Porsche mit Einkauf, Erprobung, Logistik und Kapital. Alles, woran Porsche kränkelte. Die Familie sollte nur den Preis nennen. Und das tat sie: 600 Millionen Dollar – eine gewaltige Summe für einen kleinen Sportwagenhersteller ohne Gewinn.

Reitzle ging mit dieser Zahl zu von Kuenheim – der war empört. Für denselben Betrag hätte man die viel größere, wenn auch weniger attraktive Rover Group bekommen. Doch Reitzle hatte ein Ass im Ärmel: Ferdinand Piëch hatte ihm angeboten, direkt als Porsche-CEO einzusteigen und den Konzern zu sanieren. Reitzle wollte CEO werden – und sagte zu.

Von Kuenheim war außer sich. Nicht nur forderte Porsche zu viel Geld – jetzt hatten sie ihm auch noch Reitzle abgeworben! Völlig inakzeptabel für den mittlerweile aufgebrachten BMW-Chef. Er hielt Reitzle an dessen Vertrag fest – ein sofortiger Wechsel zu einem Wettbewerber war ausgeschlossen.

Dieser Schatten blieb auf Reitzles Ruf haften – und als von Kuenheim später in den Aufsichtsrat wechselte, wurde nicht Reitzle sein Nachfolger, sondern Produktionsvorstand Bernd Pischetsrieder. Doch der hatte dasselbe Problem – und dieselbe „Lösung“: Kaum Kooperationspartner in Sicht, Porsche nicht mehr verfügbar – also kaufte er die gesamte Rover Group. Ein Desaster. Am Ende kostete es BMW doppelt so viel wie Porsche – und Jahre voller Schmerzen, während man sich im Volumenmarkt abstrampelte. Immerhin: Mini blieb. Doch Land Rover wurde an Ford verkauft, die Rover-Verluste mussten ausgeglichen werden. Hätte BMW damals die 600 Millionen Dollar für Porsche bezahlt – die deutsche Autoindustrie hätte heute ein völlig anderes Gesicht.

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Der Schuber ist handsigniert, wird versandkostenfrei geliefert und wurde mit dem RAC Buchpreis 2024 ausgezeichnet. Mehr Infos unter https://www.stevesaxty.com/de/bmw-behind-the-scenes
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