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Fahrbericht BMW 1er F70: Richtige Zeit, richtiger Ort

Premium, kompakt, dynamisch und mit Schrägheck: Für viele jüngere Kunden war das in den letzten 15 Jahren das Idealbild von Fahrspaß und individueller Mobilität. Doch die sportliche Kompaktklasse musste zuletzt mächtig Federn lassen. Der SUV-Trend, die E-Auto-Wende, der Trend zu höheren Preisen und Gewinnmargen, die CO2-Flottenziele – all das hat die Einstiegssegmente vieler Hersteller empfindlich ausgedünnt.

In diesem Umfeld startet nun also der neue BMW 1er F70 und setzt allein schon durch seine Existenz ein Statement. Immerhin haben die Münchner nicht einfach nur in typischer Facelift-Manier ein paar Lichtgrafiken erneuert und den Bildschirm vergrößert. Nein, dieser Einser ist faktisch ein neues Fahrzeug – und damit ein langfristiges Bekenntnis zur Kompaktklasse. Außerdem soll er nicht nur einfach weitermachen, sondern dabei noch deutlich besser werden.

„Wir haben das Feedback sehr ernst genommen“, erklärt Julius Schluppkotten, Vice President BMW Compact Class. Wesentliche Kritikpunkte am Vorgänger (F40) soll die neue Generation ausmerzen. Besonders für das Topmodell BMW M135 xDrive versprechen die Entwickler einen Sprung in Sachen Fahrdynamik. Über alle Varianten hinweg wurden viele Komponenten von Grund auf neu entwickelt, darunter der Vorderwagen und das Fahrwerk. Außerdem steht der Neue auf größer dimensionierten Reifen und übernimmt nun das umfangreiche Fahrassistenz-Angebot der größeren Baureihen – doch dazu später mehr.

Erst einmal lassen wir das neue Design kurz wirken, und zwar „in echt“, draußen an einer der vielen Landstraßen, die sich rund um München durch weitläufige Hopfenfelder schlängeln. Mit 4,36 Meter Länge legt die neue Generation um 42 Millimeter zu. Radstand (2.670 mm) und Breite (1.800 mm) bleiben unverändert, ebenso wie die UKL2-Plattform und das Frontantriebskonzept. Mit seiner flacheren, gestreckten Frontpartie wirkt unser Testwagen dennoch deutlich sportlicher als der Vorgänger.

Zu diesem Eindruck tragen – neben dem matten BMW Individual-Lack Frozen Portimao Blue – auch die kleinere, steiler stehende Doppelniere und der weit nach vorn gezogene Frontsplitter des M Sportpakets bei. Selbiges beschert der Heckpartie einen stark ausgeprägten Diffusoreinsatz in Hochglanzschwarz. Sichtbare Endrohre bleiben jedoch grundsätzlich dem BMW M135 xDrive vorbehalten – der bekommt dafür gleich vier Stück.

Wir lassen den Hopfen hinter uns und geben dem BMW 120 die Sporen. Die neueste Ausbaustufe des bekannten 1,5-Liter-Dreizylinders (B38) wird nun durch ein 48-Volt-Mild-Hybridsystem teilelektrifiziert. Dafür sitzt ein Elektromotor im Gehäuse der serienmäßigen 7-Gang-Steptronic und liefert bis zu 15 kW/20 PS Nennleistung sowie 55 Newtonmeter Nenndrehmoment. Gemeinsam mit dem 115 kW/156 PS starken Benziner ergibt sich eine Systemleistung von munteren 125 kW/170 PS und 280 Newtonmeter, die uns in 7,8 Sekunden zügig, linear und akustisch präsent auf Landstraßentempo schnurren lassen.

Neben besserer Effizienz kommt die Elektro-Unterstützung besonders dem Komfort durch sanftere Gangwechsel, aber auch dem Thema Fahrspaß durch ein spürbar spontaneres Ansprechverhalten zugute. Mit diesem Antriebspaket wirkt der BMW 120 im Alltagsbetrieb sehr rund und ausgewogen, ohne die angetriebenen Vorderräder durch allzu zackige Leistungsabgabe aus der Fassung zu bringen. Drohendem Traktionsverlust begegnet, wie bereits beim Vorgänger, die schnell und präzise arbeitende aktornahe Radschlupfbegrenzung.

Wer das bei unserem Modell verbaute M Sportpaket wählt, bekommt ein adaptives M Fahrwerk samt Tieferlegung und eine Sportlenkung mit dazu. Dem guten Namen wird das Setup durch eine markentypisch straffe, aber nicht unsensible Grundabstimmung gerecht. Die kompromisslose Bretthärte früherer Münchner Kompakt- und Mittelklässler ist jedenfalls passé. Bei langsamer Fahrt im Sportmodus reagiert die angenehm rückmeldungsfreudige Sportlenkung allerdings überraschend empfindlich auf Fahrbahnunebenheiten wie Spurrillen.

Fahrdynamik ist ein Thema, doch auch im Berufsverkehr-Alltag orientiert sich der BMW 1er 2024 verstärkt an seinen großen Geschwistern. Und das sogar im wahrsten Sinne: Die neue Generation übernimmt nämlich optional den Driving Assistant Professional samt der entsprechenden Sensorik von den größeren Baureihen und ermöglicht damit automatisiertes Fahren nach Level 2. Auf Wunsch kommt mit dem Parking Assistant Professional sogar das bekannte Ein- und Ausparken per Smartphone in den BMW 1er, wobei dieser bis zu 200 Meter abgespeicherten Rangierweg (überwacht) selbsttätig zurücklegen kann. All das funktioniert so routiniert und zuverlässig, wie man es zum Beispiel von einem BMW 5er gewohnt ist – nur, dass man eben am Steuer eines Kompakten sitzt.

Apropos: der Innenraum. Auch hier haben die Designer umfassend modernisiert und aufgeräumt. Dafür sorgt unter anderem das vom X1 bekannte Curved-Display mit einem 10,25 Zoll großen Bildschirm im Cockpit, einem 10,7 Zoll großen Touch-Display und dem aktuellsten BMW Operating System 9. Wo bislang der bewährte iDrive Controller saß, reguliert man nun allerdings die Lautstärke. Sämtliche Bedienvorgänge laufen verpflichtend über den Touchscreen oder auch per Sprachsteuerung, was nicht jedem BMW-Routinier gefallen dürfte.

 

Dazu irritiert an manchen Stellen die Bedienlogik: Wechselt man beispielsweise über den „My Modes“ genannten Nachfolger des „Fahrerlebnisschalters“ den Fahrmodus, bleibt das entsprechende Fenster stehen, anstatt nach kurzer Zeit automatisch auf die Navi-Karte zurückzukehren. Dass in einem Menü mit dem klassischen Sportmodus nun auch reine Design-Modi für die Displays liegen, ist wohl dem Zeitgeist geschuldet. Immerhin wird der „Fahrerlebnisschalter“ vom Großteil der normalen Kundschaft laut BMW gar nicht regelmäßig genutzt. Das sollte bei Interessenten für den BMW M135 xDrive anders aussehen.

Zum Abschluss unserer Testfahrt tauschen wir die Smartphone-Schlüssel und nehmen auf den bequemen Sportsitzen des M Performance Modells Platz. Selbstbewusster Sonderlack in Signal Grün verspricht Blickfänger-Qualitäten – und der 2,0-Liter-Vierzylinder scharrt 221 kW/300 PS und 400 Newtonmeter Drehmoment in den Asphalt. Entsprechend vehement arbeitet sich der neue BMW M135 durchs Drehzahlband und klingt dabei im Innenraum angenehm charakterstark, trotz Lautsprecherverstärkung aber nicht zu synthetisch.

Die Entwickler haben viel getan, um die Fahrdynamik zu schärfen. Maßnahmen wie solidere Kolbenstangen für die vorderen Stoßfänger, steifere Stabis oder zusätzliche Unterboden-Verstrebungen bündeln die Münchner in einem am Testwagen verbauten M Technik Paket. Klar: Über Zehntelsekunden im Grenzbereich urteilen Testredakteure auf abgesperrten Rennstrecken. Doch während wir über Land mit der fest-verbindlichen Lenkung durch Kurvenkombinationen zirkeln und die M Compound Bremsanlage zupackt, kommt hier das Fahrspaßlevel auf, was diese Fahrzeugklasse ausmacht: eben Premium, kompakt, dynamisch und mit Schrägheck.

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