Ein dunkelgrauer Septembertag auf dem alten Flugfeld der BMW Driving Academy in Maisach. Es regnet in Strömen, da kann man nichts beschönigen. Keine Sonnenstrahlen, die sich verspielt im Lack brechen, kaum Grün, das hier den Blick ablenkt. Nur irgendwo im Hintergrund lernt einer driften. Mitten in dieser Szenerie steht nun also die vierte Generation des BMW X3 und macht sofort klar, dass die braven Zeiten vorbei sind.
Mit seiner steilstehenden Front, der viel stärker ausgeprägten Doppelniere und radikal reduzierten Karosserielinien wirkt das Mittelklasse-SUV wie ein Besucher aus dem nächsten Jahrzehnt. Und ganz falsch ist das nicht. Immerhin: Was heute neu auf die Straße kommt, muss über das Jahr 2030 hinaus Bestand haben. Das gilt auch für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, daran zweifelt inzwischen wohl kaum einer mehr. Und zum Glück gibt es auch Fotos von Tagen mit besserem Wetter, denn im grauen Regen fällt auch dem neuen X3 das Glänzen schwer.
Grundsätzlich basiert der neue X3 auf einer weiterentwickelten Version der Vorgängerplattform CLAR, technisch ist allerdings von der Karosserie bis zur Motorenpalette fast alles neu. Und der Entwicklungsschritt zum Vorgänger (G01) ist klar erkennbar – genau wie die technischen und strategischen Herausforderungen, die die vierte Generation unter einen Hut bringen muss. Dass der Vorgänger noch 2023 nach sechs Jahren Bauzeit mit über 350.000 Einheiten zum weltweit meistverkauften BMW-Modell avancierte, schürt zusätzlichen Erfolgsdruck.
Ein Teil dieser technischen Herausforderungen ist ganz klar die Reduzierung von CO2-Emissionen über das gesamte Modellangebot hinweg. Dabei spielt beim neuen BMW X3 (G45) das Thema Aerodynamik eine zentrale Rolle: Maßnahmen vom bekannten „Air Curtain“ an den Vorderrädern über flächenbündige Türgriffe bis hin zu einem markanten „Aero-Blade“ an der C-Säule senken den cw-Wert auf 0,27. Das Design der auf Wunsch erstmals mit unterbrechungsfrei umlaufendem BMW Iconic Glow konturbeleuchteten Doppelniere leistet ebenfalls einen Beitrag. Im unteren Bereich kümmern sich Luftklappen bei Bedarf automatisch um die Kühlung des Antriebs, der Rest der Niere ist geschlossen – und integriert elegant die Radareinheit der Fahrerassistenzsysteme.
Draußen in Maisach findet der Regen kein Ende. Es ist xDrive-Wetter und höchste Zeit für einen Blick in den Innenraum. Hier hat BMW für die Zukunft aufgeräumt. Viele Schalter und Knöpfe wandern in die Menüs des BMW iDrive 9 mit seinem 14,9 Zoll großen Curved Display. Der Fokus liegt nun auch hier deutlich auf Touch- und Sprachbedienung, wobei sich jedoch niemand auf eine Radikallösung im Tesla-Stil einstellen muss. Der iDrive Controller und die umliegenden Tasten für Shortcuts bleiben an Ort und Stelle.
Dennoch erfordern neue Bedienroutinen eine gewisse Eingewöhnung. Die Steuerung der Lichtfunktionen liegt zum Beispiel jetzt auf dem linken Lenkstockhebel. Auch das Design der äußeren Lüftungsdüsen in den Türen sorgt für einen Moment der Irritation: Dass die mit einer Skala von 0 bis 1 beschriftete Touch-Oberfläche neben dem Türgriff die Düsen öffnet und schließt, fällt unter die Kategorie „muss man wissen“. Die Bereitschaft für Veränderung belohnt BMW allerdings mit einer Verarbeitungsqualität auf höchstem Niveau und einer äußerst hochwertigen Auswahl teils ungewöhnlicher Materialien. So besteht der Bezug der optionalen Instrumententafel Luxury aus recyceltem Polyester in einer eleganten Strick-Struktur. Die bequemen Sportsitze unseres BMW X3 20 xDrive tragen lederartiges Veganza.
Großflächige Lichtelemente der serienmäßigen Interaction Bar tauchen das Interieur je nach gewähltem „My Mode“ in passende Lichtstimmungen. Der neue BMW X3 inszeniert sich als luftiger Wohlfühlraum, bietet auch im Fond mit zusätzlicher Kniefreiheit genug Platz für die Langstrecke und fasst je nach Bedarf 570 bis 1.700 Liter Reisegepäck. Zum großzügigen Gesamteindruck trägt auch das optionale, feststehende Panorama-Glasdach bei, das beinahe über die gesamte Dachfläche reicht.
Aber wir haben genug Flugplatz für heute – die Schranke der BMW Driving Academy öffnet sich und wir starten unsere Ausfahrt durchs nasskalte Münchner Umland. Für erste Fahreindrücke steht der BMW X3 20 xDrive mit neuem Antriebsstrang bereit. Der wirft gleich zum Einstieg einen 2,0-Liter-Vierzylinder mit 140 kW/190 PS, ein 48-Volt-Mild-Hybridsystem und den Allradantrieb xDrive in den Ring. Der Kurbelwellen-Startergenerator ist in das Gehäuse der 8-Gang-Steptronic integriert und ergänzt den Verbrenner um maximal 13 kW/18 PS. Bedeutet in Summe: 153 kW/208 PS Systemleistung und maximal 330 Newtonmeter Drehmoment.
Durch die milde Elektrifizierung kann der X3 nun ohne Verbrenner rollend rangieren, vor allem aber unterstützt das System spürbar auf der Landstraße: So hängt der neue BMW X3 20 xDrive besonders aufmerksam am Gas, dreht freudig hoch und beschleunigt bei Bedarf aus dem Stand in zügigen 7,8 Sekunden auf die 100. Seine eigentlichen Stärken spielt der neue Antrieb allerdings aus, wenn man nicht gerade im Sportmodus nach dynamischen Höchstleistungen forscht – was bei den meisten Anwendern ohnehin nur selten der Fall sein dürfte.
Wir schalten also in den neu strukturierten „My Modes“ (ehemals Fahrerlebnisschalter) wieder den „Personal Mode“ (ehemals Comfort Modus) ein und lassen uns einfach treiben. Jetzt gleitet der BMW X3 20 xDrive mit angenehm gedämpfter Soundkulisse dahin und wechselt kaum spürbar durch die acht Gänge. 6,9 bis 7,6 Liter kombinierter WLTP-Verbrauch kommen in greifbare Nähe. Die optionalen adaptiven Dämpfer sprechen dazu so feinfühlig an, dass der Komfortgedanke auch auf unrenovierten Nebenstraßen nicht abhandenkommt.
Mit der sehr präzisen Sportlenkung aus dem allein schon optisch empfehlenswerten M Sportpaket beeindruckt das Einstiegsmodell als äußerst kompetenter Reisepartner, der absolut nichts vermissen lässt. Zumindest, solange man keinen BMW X3 M50 in die Finger bekommt.
Zurück in Maisach auf dem Flugplatz ist alles beim Alten, nur den BMW X3 G45 sehen wir mit anderen Augen. Ihren braven Anstrich hat die vierte Generation abgelegt und startet mit Mut in die Zukunft – eine gute Voraussetzung für den Weg zum Bestseller.
Text: Jonas Eling