BMW-Chef Zipse: Verbrenner-Verbot durch die Hintertür?

BMW i, News | 2.08.2024 von 0

Die EU-Kommission strebt aus der Sicht von BMW-Chef Oliver Zipse eine “Scheinlösung” in Sachen eFuels an, die ab 2035 zu einem Verbrenner-Verbot “durch die Hintertür” führen …

Die EU-Kommission strebt aus der Sicht von BMW-Chef Oliver Zipse eine “Scheinlösung” in Sachen eFuels an, die ab 2035 zu einem Verbrenner-Verbot “durch die Hintertür” führen wird. Das sagte der Vorsitzende des Vorstands im Rahmen der Präsentation der Halbjahres-Zahlen 2024 in ungewohnter Deutlichkeit und wirft den Politikern vor, nichts für den Hochlauf einer Produktion von CO2-armen Kraftstoffen zu tun. So bestehe zwar die theoretische Möglichkeit zur Nutzung von Verbrennungsmotoren mit CO2-armen eFuels ab 2035, in der Praxis würde es aber keien ausreichenden Mengen dieser Kraftstoffe geben. Zipse bekräftigt in diesem Kontext, dass BMW das europäische Verbot von Neuwagen mit effizienten Benzin- oder Diesel-Verbrennern “nach wie vor für falsch” hält.

Unabhängig davon bereitet sich die BMW Group konsequent darauf vor, ihre Kunden auch mit Fahrzeugen ohne Verbrenner bedienen zu können: Obwohl die Münchner schon jetzt klarer Elektro-Marktführer im Premium-Segment sind, werden sie ab Ende 2025 mit der Neuen Klasse den nächsten großen Schritt gehen und wollen damit laut der Zipse-Rede die “Technologieführerschaft ausbauen”. "

Die für die Neue Klasse entwickelten Technologien sollen dann “unabhängig von der Antriebstechnologie” in “unser gesamtes Fahrzeug-Portfolio” integriert werden. Mit anderen Worten: Auch Fahrzeuge, die auf Basis der aktuellen Cluster-Architektur (CLAR) fortgeführt und weiterhin mit Benzin- oder Diesel-Motor vom Band rollen, sollen von Elementen der Neuen Klasse profitieren.

Konkret dürfte es hierbei um Themen wie Infotainment (iDrive 10 inklusive Panoramic Vision-Display), Assistenzsysteme und natürlich die elektrischen Antriebs-Komponenten von Plug-in-Hybriden gehen. Passend dazu wird auch das einiger Modelle an den Look der Neuen Klasse angenähert, wie zum Beispiel die Prototypen des kommenden BMW X5 (G65) andeuten. Wie ähnlich ein neuer Look trotz völlig unterschiedlicher Technik-Architekturen ausfallen kann, zeigen die beiden Varianten des neuen MINI Cooper (J01 und F66) schon heute.

Die gesamte Rede von BMW-Chef Oliver Zipse, in der er sich auch kritisch zu den Importzöllen der EU auf Elektroautos aus China äußert, folgt im Anschluss im Wortlaut:

Meine Damen und Herren,
viele Automobilhersteller haben in den vergangenen Tagen ihre Halbjahresergebnisse veröffentlicht. Der Blick auf die Zahlen zeigt, wie differenziert unsere Branche ist.

Die Grundprinzipien sind für alle gleich. Umso klarer wird nun ersichtlich, ob sich die unterschiedlichen strategischen Ansätze im aktuellen Umfeld bewähren. Alle, die breit aufgestellt sind, profitieren.

Für die BMW Group bestätigen die ersten sechs Monate unseren eigenen Anspruch: Gerade bei Gegenwind können wir unsere Wettbewerbsstärke im Markt ausspielen.

Unsere Auslieferungen auf Group-Level bewegen sich im ersten Halbjahr auf dem hohen Niveau des Vorjahreszeitraums. Unsere Kernmarke BMW wächst.

Auch in Bezug auf die finanzielle Leistung liefern wir Profitabilität auf konstant hohem Niveau.

Seit nunmehr 10 Quartalen in Folge liegt unsere EBIT-Marge im Segment Automobile in unserem strategischen Zielkorridor von 8 bis 10 Prozent oder darüber.
Die EBT-Marge auf Konzernebene lag mit 10,9 Prozent erneut über dem strategischen Zielwert von 10 Prozent.

Vor allem unsere vollelektrischen Fahrzeuge sowie auch unsere Modelle in den preisstarken oberen Segmenten der Marken BMW und BMW M werden weiterhin sehr gut nachgefragt.

Für uns ist und bleibt die E-Mobilität die zentrale Antriebstechnologie der Zukunft und unser primärer Wachstumstreiber.

Die Entwicklung haben wir früh antizipiert. Deswegen verfügen wir schon heute über eines der umfassendsten und attraktivsten E-Portfolios im Markt. In praktisch jedem für uns relevanten Segment bieten wir mindestens ein BEV-Modell an.

Dieses breit gefächerte Angebot ist die Basis dafür, dass wir auch im aktuell verschärften Marktumfeld mit unseren BEVs weiterhin wachsen – und das mit hoher Dynamik.

In absoluten Zahlen liegt BMW weltweit beim Absatz von E-Fahrzeugen auf einem starken dritten Platz aller OEMs.

Noch deutlicher wird unsere Performance beim Hochlauf der Elektromobilität, wenn man sich die Wachstumsrate für das erste Halbjahr anschaut.

Die Marke BMW liegt mit einem Plus von 34 Prozent im Vergleich der relevanten großen Player weltweit an erster Stelle.

Nehmen Sie als Beispiel den Kundenliebling BMW X1 und unsere Luxuslimousine, den neuen BMW 7er: Bei beiden Fahrzeugen entscheidet sich bereits jeder fünfte Kunde für die vollelektrische Variante iX1* beziehungsweise i7*.

Auch im ersten Halbjahr 2024 war unser vollelektrisches Sportcoupé – der BMW i4* – wieder das meistverkaufte E-Fahrzeug in unserem Portfolio – mit erneut zweistelligen Wachstumsraten.

Ich habe oft betont: Einem Hype unreflektiert zu folgen, ist noch keine Strategie. Zudem sind und waren Emotionalität und Nervosität noch nie gute Ratgeber.

Unsere Strategie beruht auf Fakten, auf Erfahrung und einem realistischen sowie permanent erfolgenden Abgleich mit dem jeweiligen IST. Deswegen erweist sie sich – auch und gerade – im unruhigen Fahrwasser als robust.

Unser darin verankertes Vorgehen bei den Antriebstechnologien macht uns widerstandsfähig und sichert unseren Markterfolg.

Im Zusammenspiel mit unserem global ausgerichteten und hochflexiblen Produktionsnetzwerk sind wir in der Lage, auf Nachfrageschwankungen besser zu reagieren als andere.

Als erfolgskritischer Faktor gewinnt das Lieferkettenmanagement erheblich an Bedeutung.
Wir haben etablierte Prozesse, um frühzeitig Risiken im Lieferantennetzwerk identifizieren zu können. So können wir rechtzeitig gegensteuern, bevor aus einem Risiko ein konkreter Problemfall wird.

Das stellt auch sicher, dass wir die regional unterschiedlichen Wünsche der Kundinnen und Kunden bedarfsgerecht erfüllen können. Sei es bei den Verbrennungsmotoren, Plug-in-Hybriden oder bei den BEVs.

So übererfüllen wir seit Jahren auch die CO2-Vorgaben in der EU. Denn klar ist: Der effektivste Beitrag zum Klimaschutz ist der, den wir schon heute leisten. Sprich, jede Tonne CO2, die wir heute einsparen und nicht erst in der Zukunft.

Dafür muss auch der Einsatz von CO2-armen Kraftstoffen wie eFuels, E 25 oder HVO100 gefordert und gefördert werden – und zwar so schnell wie möglich und in großer Breite.

Diese Kraftstoffe würden sofort die CO2-Bilanz der Bestandsflotte von mehr als 250 Millionen Fahrzeugen in der EU verbessern.

Momentan sehen wir aber vor allem das Risiko, dass eFuels in der Debatte um das Verbot von Verbrennungsmotoren ab 2035 politisch instrumentalisiert werden.

Aktuell deutet nämlich vieles darauf hin, dass die EU-Kommission hier eine Scheinlösung anstrebt, in der das Verbot von Verbrennungsmotoren allein durch eine vorgebliche Öffnung gegenüber eFuels gelockert wird.

Wenn sie dann allerdings nichts unternimmt, um den Hochlauf CO2-armer Kraftstoffe zu beschleunigen und den Einsatz auch praktikabel zu machen, wäre das ein gezieltes Verbrenner-Verbot durch die Hintertür.

Wir halten das kategorische Verbot der Verbrennertechnologie nach wie vor für falsch. Und wir stehen auch öffentlich zu unseren hocheffizienten Motoren und der Plug-in-Hybrid-Technologie, wie sie zum Beispiel in unserem neuen BMW X3 zum Einsatz kommen.

Als Hybrid-Variante ermöglicht der volumenstarke X3 lokal emissionsfreie Premium-Mobilität weit über den Stadtverkehr hinaus.

Der neue X3 startet im vierten Quartal in den Markt – zunächst in den USA und in Europa.
Sie alle wissen, wie beliebt unsere X Modelle sind. Der aktuelle X3 war im vergangenen Jahr das meistverkaufte Modell im gesamten BMW Produktportfolio.

Auch die vollelektrische NEUE KLASSE wird Ende 2025 zunächst mit einem X Modell in unserem eigens dafür gebauten Werk in Debrecen anlaufen. Kurz darauf folgt das Werk München mit der sportlichen Limousine.

Mit der NEUE KLASSE wollen wir einmal mehr unsere Technologieführerschaft ausbauen. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren und planmäßig – trotz der herausfordernden Rahmenbedingungen.

Unsere Technologie-Cluster versetzen uns in die Lage, die Technologien aus der NEUEN KLASSE in unser gesamtes Fahrzeug-Portfolio zu integrieren und es damit auf ein völlig neues Niveau zu heben. Und das unabhängig von der Antriebstechnologie.

Eine solche Integrationsleistung zu erbringen und diese effizient umzusetzen, ist eine hochkomplexe Aufgabenstellung. Dabei entscheidet sich gerade hier die künftige Wettbewerbsfähigkeit in unserer Branche.

Deshalb konzentrieren wir uns weiterhin auf das beste Zusammenspiel aller Technologien. Wir schaffen ein ganzheitliches Mobilitätserlebnis für unser Kunden.

Ein Beispiel für unseren technologischen Vorsprung sind unsere automatisierten Fahrfunktionen.
Vor wenigen Wochen haben wir eine Weltneuheit auf den Markt gebracht: Als erster Automobilhersteller bieten wir im neuen 7er exklusiv in Deutschland die Kombination von Level 2 und Level 3 Fahrerassistenzsystemen an.

Die Zulassung für Level 2+ haben wir in den USA, Kanada und Deutschland bereits für zahlreiche BMW Modelle erhalten.
Damit heben wir uns auch in diesem Technologiefeld deutlich ab. Diesen Vorsprung bauen wir mit der NEUEN KLASSE aus.

Meine Damen und Herren,
die Automobilindustrie gehört zu den Triebkräften der Weltwirtschaft. Auch deswegen gerät sie immer stärker in den Fokus geopolitischer Interessen.

Das Spektrum der Themen reicht von einer immer stärkeren Regulierung bis zu protektionistischen Maßnahmen in den großen Wirtschaftsräumen USA, China und der EU.

Wir erleben ein globales Rennen um Rohstoffe und den Zugriff auf strategisch kritische Technologien wie Hochvoltspeicher, Halbleiter oder die Weiterentwicklung von KI-Anwendungen.

Jede Region und einzelne Staaten versuchen, den eigenen Wirtschaftsraum zu schützen. Dazu gehört auch, die gesamte automobile Wertschöpfung einschließlich der Lieferketten vor Ort zu binden.

Wir bei der BMW Group setzen uns weiterhin für offene Märkte und gegen künstliche Barrieren wie Strafzölle ein.

Die Einführung von zusätzlichen Importzöllen, wie sie die EU vorläufig verhängt hat, führt in eine Sackgasse. Solche Maßnahme stärken nicht die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Hersteller. Im Gegenteil.

Die EU-Zölle auf BEVs aus China treffen vielmehr europäische Hersteller wie die BMW Group, die auch in China für den europäischen Markt produzieren.

Außerdem schränken zusätzliche Zölle das Angebot von E-Autos für europäische Kunden ein. Das kann dazu führen, dass sich die Dekarbonisierung im Verkehrssektor verlangsamt.

Maßnahmen provozieren immer Gegenmaßnahmen. Dabei hängt nicht zuletzt die Umsetzung des Green Deals in Europa auch an Rohstoffen und Technologie insbesondere aus China.

Meine Damen und Herren,
auch die BMW Group kann sich den aktuellen Markt- und geopolitischen Entwicklungen nicht gänzlich entziehen. Wir haben jedoch mit unserer langfristigen und zugleich flexiblen Strategie alle Fäden in der Hand. Wir passen uns schnell und wirksam an veränderte Rahmenbedingungen an.

Es gibt für uns keinen Grund für Aktionismus oder grundsätzliche Kursanpassungen.
Wir gehen unseren Weg auch in Zukunft konsequent weiter.

Dabei machen wir Dinge manchmal anders – nicht aus Prinzip, sondern aus Überzeugung. Das ist es, was uns stark und auf Dauer erfolgreich macht.

Denn Fakt ist auch: Die Automobilindustrie bleibt in Zukunft eine Wachstumsbranche. Wir werden dafür sorgen, dass insbesondere die BMW Group davon profitiert.

Vielen Dank!

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