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Vorab-Fahrbericht BMW M5 G90: Mit 2,5 Tonnen am Limit

Wer sich die technischen Daten des neuen BMW M5 (G90) ansieht, muss sich in mancher Hinsicht mit wesentlich größeren Zahlen als in der Vergangenheit anfreunden. Doch was bei 727 PS und 1.000 Newtonmeter Drehmoment noch leicht fällt, stellt sportliche Naturen beim Blick auf ein DIN-Leergewicht von 2.435 Kilogramm vor eine echte Herausforderung: Mit Fahrer bringt die siebte Generation der Power-Limousine mehr als 2,5 Tonnen auf die Waage und man kann es niemandem verdenken, wenn das stattliche Gewicht ernsthafte Zweifel an den möglichen Fahrdynamik-Qualitäten des M5 auslöst.

Dass der neue BMW M5 kein Leichtgewicht werden wird, war auch den Entscheidern und Entwicklern der M GmbH von Anfang an klar. Doch wer im heutigen Umfeld von CO2-Grenzwerten und Emissions-Vorschriften weiterhin einen V8 verbauen will, kommt um die Elektrifizierung des Antriebs nicht herum. Die Herausforderung lag also von Anfang an klar auf dem Tisch: Wie kann es gelingen, den neuen BMW M5 2024 trotz hohem Gewicht auf ein fahrdynamisches Niveau zu heben, das auch die Fahrer der Vorgänger-Generationen begeistern kann?

Die Antwort auf diese scheinbare Quadratur des Kreises ist ein ganzer Blumenstrauß an technischen Maßnahmen, die beim Kaschieren des Gewichts helfen sollen: Im Vergleich zum Vorgänger verfügt der neue BMW M5 nicht nur über eine steifere Karosserie mit zusätzlichen Verstrebungen und einen deutlich tieferen Schwerpunkt, sondern vor allem auch über eine jeweils rund 6 Zentimeter breitere Spur an beiden Achsen.

Der weiterentwickelte Allradantrieb M xDrive wird im neuen BMW M5 außerdem serienmäßig mit der Integral-Aktivlenkung kombiniert, die Power-Limousine verfügt also über aktiv gelenkte Hinterräder. Ihr Lenkwinkel von bis zu 1,5 Grad in beide Richtungen wird gemeinsam mit anderen Parametern von einem komplexen Querdynamik-Management gesteuert, das auch die Kraftverteilung zwischen den Achsen und den Hinterrädern, die Fahrwerks-Regelsysteme und die aktornahe Radschlupfbegrenzung (ARB) dirigiert.

Wie sich das Hightech-Paket fährt, durften wir bereits vor ein paar Wochen am Steuer eines noch getarnten, aber technisch serienmäßigen Fahrzeugs im Erlkönig-Kleid erleben. Wie anders der neue BMW M5 unterwegs ist, zeigt sich dabei bereits in der Boxengasse: Statt lautem V8-Fauchen quittiert der G90 den Druck auf den roten Startknopf nur mit einer Melodie aus den Boxen, denn los geht es üblicherweise ganz lautlos im Elektro-Modus.

Auch dann stehen 197 PS und 280 Newtonmeter Drehmoment zur Verfügung, weshalb der M5 bei bis zu 140 km/h auch ohne V8 und lokal emissionsfrei bewegt werden kann. Der im Unterboden platzierte Lithium-Ionen-Akku mit einer Netto-Kapazität von 18,6 kWh reicht je nach Konfiguration für 67 bis 69 Kilometer Elektro-Reichweite gemäß WLTP, aber auf dem Salzburgring geht es naturgemäß nicht um Verbrauchs-Minimierung und Reichweiten-Rekorde.

Schon am Ausgang der Boxengasse sorgt ein stärkerer Druck aufs Gaspedal dafür, dass der Achtzylinder zum Leben erwacht und die von einem BMW M5 erwartete Klangkulisse ins Spiel bringt. Keine Frage: Der V8-Sound wird auch in dieser Generation ein wesentliches Argument für die Power-Limousine bleiben – denn egal mit wie viel Einsatz und Kreativität Hans Zimmer & Co. an künstlichen Klängen zur Untermalung des Elektroantriebs arbeiten, von Klanggewalt und Charakter eines potenten Verbrenners bleiben sie doch immer weit entfernt.

Da der Prototyp bereits mit Betriebstemperatur übergeben wurde, müssen wir uns mit dem ersten kurzen Leistungscheck nicht lange gedulden. Doch auch wenn man den M Hybrid-Antrieb aus BMW XM und sogar Label Red bereits kennt, verfehlt die Vehemenz des Antriebs ihre Wirkung nicht: Wenn der verzögerungsfrei zuschlagende Elektromotor und der nur Sekundenbruchteile später einsetzende Schub des V8-Biturbo einsetzen, schlägt der Kopf unwillkürlich an die Kopfstütze an – und der initiale Druck lässt subjektiv auch Sekunden später nur geringfügig nach, was angesichts der 727 PS und 1.000 Newtonmeter alles andere als überraschend kommt.

Doch dass ein Fahrzeug in dieser Leistungsklasse brutal beschleunigt, war von Vornherein klar. Die viel spannendere Frage, die auch den Besuch auf der Rennstrecke rechtfertigt, beantworten erst die Kurven des Salzburgrings. Die ersten langgezogenen Kurven liefern dabei nur einen Vorgeschmack, hier erwartet man von den erfahrenen Entwicklern der M GmbH nicht weniger als Perfektion. Die vorn 285 und hinten 295 Millimeter breiten Reifen haben hier leichtes Spiel und lassen sich kein bisschen aus der Ruhe bringen.

Doch als das Pacecar vor uns auf den Geraden immer länger auf dem Gas bleibt, erst erstaunlich spät voll in die Eisen geht und schließlich mit einer erstaunlichen Eingangsgeschwindigkeit in die schärferen Kurven einbiegt, müssen sich im Kopf tatsächlich ein paar Synapsen neu verdrahten: Einerseits weiß man, dass man am Steuer eines 2,5 Tonnen schweren Fahrzeugs sitzt, doch andererseits spürt man die G-Kräfte und hat größte Mühe, beide Informationen in Einklang zu bringen.

Gerade in den beiden schnellen Wechselkurven des Salzburgrings ermöglichen die Hightech-Systeme des neuen M5 eine Agilität und Dynamik, die man spätestens beim Umsetzen nach der ersten Kurve nicht für möglich gehalten hätte. Erst an diesem Punkt begreift man, dass M-Chef Frank van Meel mit seiner Ankündigung, nach der der neue M5 seinem Vorgänger sowohl längs- als auch querdynamisch überlegen sein würde, durchaus Recht haben könnte.

Dass eine Business-Limousine dabei nicht so viel Sportwagen-Feeling vermitteln kann und will wie der unmittelbar zuvor gefahrene BMW M4 CS, versteht sich von selbst. Doch dass sich auch 2,5 Tonnen derart leichtfüßig anfühlen können, ist absolut beeindruckend: Was der neue BMW M5 auf der Rennstrecke zeigt, ist nicht nur mit Blick auf sein Gewicht aller Ehren Wert. Die je nach M xDrive-Modus zunehmende Hecklastigkeit der Kraftverteilung trägt dabei ihren Teil dazu bei, dass sich der M5 mit entsprechendem Gaseinsatz neutral oder auch dezent mit dem Heck nach außen drängend bewegen lässt.

Nicht ohne Grund wird die M GmbH ihr neues Hybrid-Aushängeschild demnächst auch für einen offiziellen Rekordversuch auf die Nürburgring Nordschleife schicken – man darf also davon ausgehen, dass die Garchinger die bereits mehr als beachtlichen Rundenzeiten des Vorgängers unterbieten wollen. Und nach unserer ersten Fahrt mit dem Hybrid-Monster erscheint der kühne Plan, den bisherigen Benchmark des Segments trotz knapp 500 Kilogramm Mehrgewicht ins Visier nehmen zu wollen, längst nicht mehr so aussichtslos wie nach dem ersten Blick auf die Waage: Ja, der G90 hat das Zeug dazu – und das nicht nur aufgrund weiter verbesserter Längsdynamik, sondern vor allem auch aufgrund eines überraschend hohen Querdynamik-Niveaus.

 

Wie der neue BMW M5 (G90) ungetarnt aussieht, ist inzwischen kein Geheimnis mehr:

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