Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft, so mancher steckt enorme Hoffnungen in ihn. Andere glauben, dass H2 massiv überschätzt und mit der Lösung unserer Energieprobleme von morgen kaum etwas zu tun haben wird. Der Betrieb von Fahrzeugen mit Wasserstoff-Brennstoffzelle ist nur einer von vielen Aspekten in diesem Themenfeld, aber er zählt dennoch zu den meistdiskutierten. Kein Wunder: Während kaum jemand eine Industrieanlage im Garten hat, ist das Auto des Deutschen liebstes Kind. Mit dem BMW iX5 gibt es seit einigen Monaten auch eine Kleinserie, mit der die Münchner Praxis-Erfahrungen mit der Wasserstoff-Brennstoffzelle im Alltagseinsatz sammeln wollen.
Sieht man von der auffälligen Folierung ab, gibt sich der BMW iX5 trotz seiner außergewöhnlichen Technik betont gewöhnlich: Rein äußerlich handelt es sich zumindest für ungeübte Betrachter um einen ganz normalen X5 (G05) und auch das Losfahren gestaltet sich erstaunlich unspektakulär. Genau wie bei anderen Elektroautos hören wir nach dem Druck auf den (in diesem Fall blauen) Startknopf nur einige Klänge aus dem Studio von Hans Zimmer, während der Antrieb selbst völlig lautlos bleibt. Daran ändert sich auch nach dem Losfahren nichts: Außer dezenten Abroll- und Windgeräuschen sorgen nur die Iconic Sounds Electric und das Radio für eine akustische Untermalung der Fahrt.
Doch auch wenn der Antriebsstrang seine Arbeit reichlich unspektakulär verrichtet, verdient er definitiv eine genauere Betrachtung. Im vorderen Motorraum des iX5 sitzt die Brennstoffzelle, dahinter sind zwei große Wasserstoff-Druckspeicher im Bereich des Kardantunnels sowie unter der Rückbank platziert. Unterhalb des Kofferraum-Bodens finden sich die Leistungselektronik, der Elektromotor und ein kleiner Lithium-Ionen-Akku, der als Zwischenspeicher für starke Lastanforderungen dient.
Gemeinsam können die Brennstoffzelle und der Elektromotor 401 PS mobilisieren und den BMW iX5 in unter 6 Sekunden von 0 auf 100 Kilometer beschleunigen. Dass es nicht noch schneller geht, liegt am Gewicht des Technik-Pakets: Der komplexe Antrieb des FCEV (Fuel Cell Electric Vehicle) treibt das Gewicht auf über 2,5 Tonnen, sodass sich der iX5 auf ganz ähnlichem Niveau wie der batterieelektrische iX (BEV) bewegt. Der Blick unters Blech zeigt den komplexen Aufbau im Detail:
Einen wesentlichen Unterschied zum iX spürt man, wenn man den BMW iX5 etwas sportlicher bewegen will: Bei vergleichbarem Gesamtgewicht kommt der Wasserstoff-X5 in schnell gefahrenen, engen Kurven deutlich früher an seine Grenzen. Der wesentliche Grund hierfür ist der höhere Schwerpunkt, denn anders als beim iX liegen seine schweren Komponenten nicht konsequent tiefstmöglich im Fahrzeug-Unterboden, sondern sind zum Teil relativ hoch montiert.
Bei gemütlicherer Fahrweise sowie auf gerader Strecke spielt der Schwerpunkt freilich keine Rolle. Dass es dem BMW iX5 insgesamt nicht an Kraft mangelt, zeigt er auch in unserem Tacho-Video bis auf über 200 km/h:
Wer die untere linke Ecke des Displays betrachtet, erhält auch ein Gefühl für den Verbrauch: Bei etwas mehr als 50 Prozent Tankvolumen wird eine Rest-Reichweite von knapp über 200 Kilometern angezeigt. Der Grund hierfür war die sparsame Fahrweise auf den vorangegangenen Kilometern, denn bei scharfer Fahrweise gönnt sich die Brennstoffzelle gerne ein paar hundert Gramm mehr vom kostbaren Wasserstoff: Insgesamt hatten wir einen Verbrauch von 1,7 Kilogramm auf 100 Kilometer, auf der Autobahn können es aber auch problemlos über zwei Kilogramm werden.
Bei 6 Kilogramm Tank-Kapazität ergibt sich eine Praxisreichweite von 350 bis 400 Kilometer, was schnell den Wunsch nach einem größeren Tank aufkommen lässt – gerade auch, weil Wasserstoff-Tankstellen heute noch rar gesät sind. Immerhin zeigt unser Test, dass sich innerhalb einer Minute rund 100 Kilometer Reichweite nachtanken lassen (mehr dazu im Video). Mit einem Preis von um die 15 Euro pro Kilogramm ist andererseits klar, dass die Kraftstoff-Kosten eines BMW iX5 deutlich über denen eines vergleichbaren Fahrzeugs mit Benziner, Diesel oder auch Elektroantrieb liegen.
Genau wie bei anderen Fragen ist der aktuelle Status Quo aber nur bedingt relevant: Dass ein Wasserstoff-Auto im Jahr 2024 nur bedingt Sinn ergibt, stellt niemand ernsthaft in Frage. Spannend wird aber, wie sich die Situation in den kommenden Jahren entwickelt: Wenn Wasserstoff zum Standard-Energieträger wird, um die immer größer werdende Menge von Wind- und Sonnen-Energie zwischenspeichern zu können, dürften sich sowohl die Kosten als auch die Dichte des Tankstellen-Netzes in die richtige Richtung entwickeln.
Bis zum Marktstart des ersten Serien-BMW mit Wasserstoff-Brennstoffzelle, der noch vor dem Jahr 2030 stattfinden soll, könnten sich also noch manche Antworten auf die Infrastruktur-Fragen von heute verändern. Und klar ist auch: Der hierzulande übliche Blick auf Deutschland zeigt nur einen Ausschnitt der globalen Entwicklung, denn beim Thema Wasserstoff spielen auch die asiatischen Vorreiter in Japan, Südkorea und natürlich China eine entscheidende Rolle.
Sollten Photovoltaik- und Windkraftanlagen demnächst flächendeckend zur Produktion von grünem Wasserstoff genutzt werden, wenn die von ihnen gewonnene Energie gerade nicht benötigt wird, spielt auch der im Vergleich mit batterieelektrischen Elektroautos schlechtere Wirkungsgrad eine untergeordnete Rolle. Der in der Brennstoffzelle umgewandelte Wasserstoff würde gewissermaßen aus Energie erzeugt, die ohne Wasserstoff als Zwischenspeicher völlig ungenutzt bliebe.
So könnten Wasserstoff-Autos ein Baustein zur lokal emissionsfreien Mobilität der Zukunft werden, denn mit grünem Wasserstoff fahren sie völlig ohne fossile Energieträger und stoßen Wasserdampf als einziges Abgas aus. Allerdings wird hierbei auch klar: Damit das Konzept der sauberen Wasserstoff-Mobilität aufgeht, muss sich noch einiges ändern. Betrachten wir die Situation im Jahr 2024, ist grüner Wasserstoff weder in den erforderlichen Mengen noch zu einem attraktiven Preis verfügbar.
Jede Antwort auf eine Frage nach dem Sinn des BMW iX5 ist daher eng mit dem Timing verbunden: Im Jahr 2024 sind die Rahmenbedingungen noch nicht geschaffen, um die Sinnfrage mit einem Ja beantworten zu können. In ein paar Jahren kann das aber schon ganz anders aussehen – und genau dann will BMW bereit sein und den Kunden mit einem Brennstoffzellen-Auto eine spannende Alternative zum Elektroauto bieten können.
Der Hauptvorteil eines FCEV gegenüber einem BEV wird aber auch künftig die Ladegeschwindigkeit sein: Wenn das eigene Fahrprofil zu Reichweite und Ladezeit eines BEV passt, spricht schon aufgrund des komplexeren Antriebsstrangs und des schlechteren Gesamt-Wirkungsgrads kaum etwas für ein FCEV. Doch um als Langstrecken-Auto echte Vorteile zu bieten, würden auch einem künftigen Serien-iX5 1-2 Kilogramm mehr Tankkapazität und damit rund 100 Kilometer mehr Praxis-Reichweite gut zu Gesicht stehen. Dass überdies ein dichteres Tankstellennetz und ein niedrigerer Wasserstoff-Preis wünschenswert wären, steht ohnehin außer Frage.
So ist der heutige BMW iX5 vor allem ein Versuchsträger, mit dessen Hilfe die Technik von morgen schon heute zur Serienreife entwickelt werden soll. In dieser Hinsicht überzeugt er bereits auf ganzer Linie: Der Wasserstoff-X5 lässt sich selbst im aktuellen Prototypen-Stadium problemlos und zuverlässig nutzen, bietet ähnlich viel Platz wie jeder andere X5 – und zeigt ganz nebenbei, wohin die Reise der emissionsfreien individuellen Mobilität in den nächsten Jahren gehen könnte.