Einer der großen BMW-Designer des vergangenen Jahrhunderts ist im Alter von 85 Jahren verstorben. Marcello Gandini ist vielen vor allem als Chefdesigner des legendären italienischen Designbüros Bertone in den 60er und 70er Jahren bekannt, wo er unter anderem die unvergessenen Sportwagen Lamborghini Miura und Countach entwarf. Allerdings hatte er auch maßgeblichen Einfluss auf BMW. Auch Steve Saxty, Autor der dreiteiligen Buchreihe „BMW Behind The Scenes“, befasste sich kürzlich intensiv mit Gandinis Arbeit für BMW. Er sagt: „Es ist eine komplexe Geschichte und er wird oft ein wenig missverstanden. Als ich in den Designarchiven von BMW nachschaute, entdeckten wir viele verborgene Schätze von Gandini, von denen mir einige den Kopf verdrehten. Gandini reichte beispielsweise Ideen für einen BMW-Sportwagen nach München ein. Nachdem sie abgelehnt wurden, wurden daraus der Maserati Khamsin und der Sportwagen Bertone/Fiat X1/9 – aber in diesem Stil hätte es auch einen BMW geben können!“
Die Beziehung von Bertone und damit auch Gandini zu BMW begann, als er einen Entwurf für die große Limousine BMW 2500 aus dem Jahr 1968 vorlegte, nicht weniger als der Vorläufer der Mitte der 70er Jahre entstandenen 7er-Serie der ersten Generation. Bertones Entwurf konkurrierte mit einem anderen Entwurf des Studios Michelotti sowie einem dritten Entwurf der hauseigenen BMW-Stylisten. Letzterer wurde schließlich realisiert, aber obwohl der Bertone-Entwurf aus der Feder von Gandini “nur” Zweiter wurde, war Wilhelm Hofmeister als BMW-Verantwortlicher für Karosseriebau vom Design beeindruckt. Im Juni 1968 unterzeichneten beide Seiten einen Vertrag zur fortlaufenden Designberatung. Als Nuccio Bertone etwas später das Interieur-Design für den ersten BMW 5er (E12) zu sehen bekam, schlug er vor, seinen Designer Marcello Gandini nach einer Alternative zu fragen. Bertones vorläufiger E12-Entwurf wurde dann von Paul Bracq, dem neuen Chefdesigner von BMW, fertiggestellt.
Bertone reichte auch in der Folge noch mehrere Gandini-Entwürfe ein. Saxty sagt: „In den Designarchiven von BMW haben wir verschiedene E21 3er-Entwürfe von Gandini entdeckt, von denen einer zum lange verschollenen Showcar BMW Garmisch wurde, das BMW 2009 nachbaute. Der andere hatte ein Design, das wie ein Ferrari 308 GT4 im BMW-Stil aussieht. Ebenso unglaublich war die Entdeckung, dass Gandini riesige sechseckige Kühlergrills für den 5er E12, das Facelift des 2002 und den 3er E21 vorschlug. Wie wir heute wissen, wurde nichts davon umgesetzt, aber es ist erstaunlich, dass ein Designer schon in den Siebzigern vertikale BMW-Kühlergrills vorschlug.“
Zur Premiere des BMW Garmisch am Comer See luden die Designer aus München auch Marcello Gandini an, von diesem Anlass stammen die hier gezeigten Fotos Gandinis an der Seite von Adrian van Hooydonk. Saxtys Buch enthält noch einige weitere versteckte Schätze italienischer Designbüros. Dazu zählen auch Vorschläge von Pininfarina, die die Idee für den Alfa Romeo 164 aus den 80er-Jahren ursprünglich als BMW vorschlugen – einige Zeit bevor sie schließlich an den italienischen Autobauer verkauft wurden.
Wir werden Steve Saxtys neues Buch-Set BMW Behind The Scenes schon bald detaillierter unter die Lupe nehmen. Weitere Einzelheiten zu den interessantesten BMW-Büchern seit langem finden sich direkt auf der Website von Steve Saxty.
Zur Vorstellung des BMW Garmisch äußerte sich auch Adrian van Hooydonk, Senior Vice President der BMW Group Design, über den Einfluss Gandinis auf das BMW Design: “Marcello Gandini ist für mich einer der Großmeister des Automobildesigns und seine Entwürfe waren schon immer eine wichtige Inspirationsquelle für meine Arbeit. Indem wir den BMW Garmisch ein zweites Mal entstehen lassen, möchten wir Marcello Gandini die Ehre erweisen, uns eines seiner weniger bekannten Automobile in Erinnerung rufen und den stilistischen Einfluss von Bertone auf die Evolution des BMW-Designs beleuchten. Allein die Möglichkeit, die Geschichte von BMW zu vervollständigen und die Lücken zu schließen, waren es uns wert, dieses Projekt voranzutreiben.”