Betrachtet man alten und neuen BMW X2 im direkten Vergleich, kann man durchaus von einer Revolution sprechen: Ab dem Frühjahr 2024 geht der dynamische X1-Ableger erstmals als echtes SUV-Coupé an den Start. Für unseren ersten Fahrbericht durften wir gleich ans Steuer der vielleicht begehrenswertesten Variante des neuen BMW X2 (U10), denn unser digitaler Schlüssel – also eigentlich nur der im Smartphone-Wallet hinterlegte Zugang – öffnete einen X2 M35i mit 300 PS starkem Benziner und extrem cooler Individual-Lackierung in Frozen Tampa Bay Green Metallic. Die 20 Zoll großen Leichtmetallräder V-Speiche 873 M Bicolor runden den Look nicht nur stilvoll ab, sie sorgen auf Wunsch auch für sportlichen Feinschliff: Als einziges Rad ist diese Felge auch ab Werk mit Sportreifen bestellbar.
Schon dieses Detail in Form der bewährten Pirelli P Zero deutet an, dass der neue BMW X2 2024 viel mehr als nur sportlich aussehen soll: Die dynamischer gezeichnete X1-Version soll auch spürbar sportlicher fahren. Um dieses Ziel zu erreichen, kommt der X2 nicht nur mit einer eigenen Fahrwerksabstimmung, sondern vor allem auch mit zusätzlichen Verstrebungen im Vorderwagen und steiferen Stabilisatorenlagern, von denen Agilität und Einlenkverhalten merklich profitieren. Die serienmäßig verbaute Sportlenkung trägt mit ihrer direkteren Übersetzung ebenfalls dazu bei, dass sich der X2 bei sportlicher Fahrweise ein gutes Stück handlicher anfühlt als der X1. Wer seinen X2 M35i regelmäßig scharf bewegen will, kann außerdem zur optionalen M Compound-Bremsanlage greifen und dann von geringeren ungefederten Massen und größerer Ausdauer profitieren.
Bei unserer ersten Fahrt mit dem neuen BMW X2 M35i zeigte sich das Wetter an Portugals Atlantikküste von seiner abwechslungsreichen Seite, neben stürmischem Wind gab es auch immer wieder Regenschauer und folglich nur stellenweise trockenen Asphalt. Der M Performance-X2 ließ sich davon allerdings kaum beeindrucken, denn dank des Allradantriebs xDrive ist auch auf nassem Asphalt für reichlich Traktion gesorgt – nur die letzten Prozente des fahrdynamischen Potenzials ließen sich so nicht erkunden.
Technisch nutzt der X2 für seinen Allradantrieb eine Haldex-Kupplung, die die Kraft zwischen Vorder- und Hinterrädern verteilt. Wie im X1 übernimmt die Vorderachse dabei die Führung, nicht nur im Komfort-Modus erfolgt der Antrieb in vielen Situationen allein über die Vorderräder. Erkennt die Technik allerdings, dass der vom Fahrer per Gaspedal geforderte Beschleunigungswunsch die vorhandenen Traktionsreserven überfordern wird, wird die Hinterachse bereits vor dem Durchdrehen der Räder proaktiv hinzugeschaltet.
Das bereits aus mehreren anderen Baureihen bekannte Feature überzeugt auch in Verbindung mit dem 300 PS starken Turbo-Vierzylinder B48. Schon unter 3.000 U/min liefert der Motor souveränen Vortrieb und erlaubt es, auf der 400 Newtonmeter hohen Drehmoment-Welle zu surfen. Akustisch bleibt das Triebwerk dabei stets etwas zurückhaltender als unbedingt nötig, aber auf der Suche nach mehr Lautstärke gibt es bekanntlich diverse Lösungen zum Nachrüsten. Das 7-Gang-DKG aus dem Hause Magna erweist sich die meiste Zeit als unauffälliger und komfortabler Partner des B48, nur im Sport-Modus und unter hoher Last werden die schnellen Gangwechsel spürbar und etwas ruppiger umgesetzt.
In schnell gefahrenen Kurvenkombinationen weiß der BMW X2 M35i auch bei Nässe mit Neutralität zu überzeugen, sein durchaus stattliches Gewicht von rund 1,7 Tonnen kann er dank des straffen Fahrwerks gut kaschieren. Wer den M35i engagiert in die Kurve wirft und den DTC-Modus aktiviert oder DSC komplett deaktiviert hat, kann das Heck zur munteren Mitarbeit überreden. Als Wermutstropfen für alle eingefleischten Hecktriebler-Fans bleibt, dass der Allradantrieb keine hecklastige Kraftverteilung bieten kann und daher auch kein klassisches Leistungsübersteuern provozierbar ist. Sieht man von derartigen Sonderwünschen ab, liefert der Top-X2 nicht nur für ein Fahrzeug seines Segments eine erstklassige Show ab, die mit agilem Einlenken und erstaunlicher Neutralität gefällt.
Unstrittig ist aber, dass sportliches Fahrverhalten allein nur wenige Kunden dieses Segments überzeugt. Deshalb haben die Entwickler dem X2 auch einen solide verarbeiteten Innenraum spendiert, der sich mit mehreren hochwertigen Details vom X1 abhebt: Gegenüber der im Fall des M35i serienmäßig mit Alcantara bezogenen Instrumententafel sind auf Wunsch M Sportsitze mit beleuchtetem Logo platziert, eine rote 12-Uhr-Markierung am Lenkrad setzt einen weiteren sportlichen Akzent.
Zunächst fällt aber das aus anderen Baureihen bekannte Curved-Display ins Auge, auf dem das neue iDrive 9 samt Entertainment-Features wie AirConsole-Gaming zu sehen ist. Nach wie vor nicht verbaut wird leider ein iDrive-Controller, den wir schon im X1 und 2er Active Tourer schmerzlich vermisst haben und der sich derzeit mehr und mehr zum Feature der größeren Baureihen entwickelt.
Dass sich an Bord des X2 ein angenehmes Raumgefühl einstellt, hat viel mit seiner Länge von 4,55 Meter zu tun: Das intern als U10 bekannte Coupé überragt den X1 (U11) um 5,4 Zentimeter und erlaubt es so, dass die Kopffreiheit im Fond kaum unter der abfallenden Dachlinie leidet. Den ersten X2 übertrifft die neue Generation sogar um über 19 Zentimeter in der Länge und mehr als sechs Zentimeter in der Höhe. So gelingt dem X2 die Auflösung eines scheinbaren Widerspruchs: Obwohl das dynamische Design ganz klar auf ein reduziertes Platzangebot hinzuweisen scheint, sind sowohl Innen- als auch Kofferraum (560 bis 1.470 Liter) geräumiger geworden.
Ein weiterer klarer Pluspunkt sind die zahlreichen Assistenzsysteme, die automatisiertes Fahren gemäß Level 2 erlauben und den Fahrer unter anderem durch Übernahmen der Lenk- und Spurführung sowie Geschwindigkeits- und Abstandsregelung bei bis zu 180 km/h in vielen Situationen deutlich entlasten. Dem Navigationssystem bekannte oder von den Kameras erkannte Geschwindigkeitslimits werden dabei automatisch übernommen und auch bei einer Annäherung an scharfe Kurven, Kreuzungen, Kreisverkehren oder Ortschaften wird die Geschwindigkeit automatisch reduziert. In Deutschland kann der X2 auch Ampeln erkennen und entsprechend berücksichtigen.
Wer mit seinem Auto wirklich auffallen will, hat nun also eine weitere Option im BMW-Portfolio – und muss dafür nicht einmal die sonst erforderliche Kompromissbereitschaft in Sachen Alltagstauglichkeit mitbringen: Innen zeigt sich der X2 als echter Praktiker, der sich in Sachen Nutzwert keineswegs verstecken muss. So scheint schon nach der ersten Fahrt klar zu sein, dass der zweite BMW X2 den von fast 400.000 verkauften Einheiten untermauerten Erfolg seines Vorgängers nochmals deutlich übertreffen wird. Das sportliche Topmodell M35i rechtfertigt sein M im Namen dabei weniger mit schierer Kraft, sondern vor allem mit seinen Kurven-Talenten.