Eigentlich hat die VW-Tochter Audi mühelosen Zugriff auf die vielseitig befüllten Regale des Volkswagen-Konzerns, doch laut einem Bericht von Automotive News Europe werden die Ingolstädter im eigenen Haus nicht mehr fündig und erwägen deshalb eine überraschende Zusammenarbeit mit dem chinesisichen Autobauer SAIC. Hintergrund der ungewöhnlichen Überlegungen seien erhebliche Verzögerungen auf dem Weg zur Serienreife der neuen VW SSP-Architektur für die Software von Elektroautos, die auch die geplanten Marktstarts kommender Elektroautos von Audi gefährdet. Um gegenüber BMW und Mercedes nicht noch weiter ins Hintertreffen zu geraten, wollen die Audi-Manager nun angeblich mit chinesischen Partnern kooperieren und eine Elektro-Plattform der SAIC-Tochter IM Motors nutzen.
Die Überlegungen sollen auch eine Reaktion auf den überschaubaren Erfolg der aktuellen Audi Elektroautos auf dem chinesischen Markt sein. Mit diesem Problem befinden sich die Ingolstädter allerdings in bester Gesellschaft, denn immer mehr Kunden in China setzen auf heimische Marken wie Nio oder MG, die mitunter sehr gute Elektroautos zu sehr attraktiven Preisen anbieten. Um hier nicht dauerhaft aus dem Straßenbild zu verschwinden, verspüren viele etablierte Autobauer enormen Druck und sind notgedrungen bereit, auch außergewöhnliche Schritte zu gehen.
Wie Automotive News Europe weiter berichtet, stellt sich der Elektro-Absatz von Audi in China wesentlich schlechter dar als beispielsweise der der BMW Group: Im ersten Quartal 2023 verkauften die Ingolstädter kaum mehr als 3.000 Elektroautos in ihrem größten Einzelmarkt, BMW spielte mit 21.646 Einheiten in einer anderen Liga – steht aber ebenfalls klar im Schatten von einigen chinesischen Anbietern sowie den Elektro-Pionieren von Tesla: Die China-Verkäufe Amerikaner summierten sich allein im ersten Quartal auf 137.429 Fahrzeuge.
Dass der BMW Elektro-Absatz auch im Vergleich mit Mercedes sehr gut aussieht, dürfte die Verantwortlichen in München dabei nur auf den ersten Blick beruhigen: Im Elektro-Zeitalter werden die Karten offenbar neu gemischt und Rivalen, die vor wenigen Jahren noch niemand auf dem Schirm hatte oder die es schlicht noch gar nicht gab, spielen plötzlich eine nicht zu unterschätzende Rolle.
(Fotos: Audi)