Die schwierige Planbarkeit des Absatzes von Elektroautos war einer der wesentlichen Gründe für die Entscheidung von BMW, bei der aktuellen Generation von Elektroautos auf eine gemeinsame Architektur mit Verbrennern und Plug-in-Hybriden zu setzen. Der Verzicht auf eine eigene Plattform je Antrieb, die sich naturgemäß voll auf die Anforderungen des jeweiligen Konzepts optimieren lassen, hat BMW immer wieder Kritik eingebracht. Bei Volkswagen wird nun aber deutlich, wie groß die Risiken des alternativen Ansatzes mit jeweils eigenen Plattformen sind: Weil sich die Nachfrage nach bestimmten Elektroautos nicht wie erhofft entwickelt hat, können die Wolfsburger ihr Werk in Emden nicht länger voll auslasten.
Weil der Elektro-Absatz fast 30 Prozent niedriger als geplant ist, wurde bereits eine Schicht komplett gestrichen und die Dauer der Betriebsferien verlängert. Außerdem wird die Zahl der Leiharbeiter reduziert, was von Analysten als deutliches Zeichen gewertet wird, dass Volkswagen für längere Zeit nicht mit einer vollen Auslastung des Werks rechnet. Erst Ende des Jahres, wenn die Produktion des neuen VW ID.7 beginnen wird, stehen die Chancen für das Werk Emden wieder besser. Bis dahin fallen jedoch enorme Kosten an, denn nicht genutzte Produktionskapazitäten sind mit das Teuerste, was einem Autobauer passieren kann.
Ähnlich ärgerlich wäre der umgekehrte Fall: Wäre die Nachfrage nach einem bestimmten Antriebskonzept deutlich größer als erwartet, könnte der Markt ebenfalls nicht optimal bedient werden. Bei der BMW-Strategie sind solche Probleme zumindest unwahrscheinlicher, weil sich mit den flexiblen Architekturen problemlos auf Nachfrage-Schwankungen bei einzelnen Antrieben reagieren lässt: Modelle wie iX1 und X1, iX3 und X3, i4 und 4er Gran Coupé, i5 und 5er oder auch i7 und 7er laufen allesamt vom gleichen Band und können in den tatsächlich benötigten Stückzahlen produziert werden. Einzige Ausnahme im aktuellen Portfolio ist der BMW iX, der eine vergleichsweise eigenständige Architektur nutzt.
Obwohl die BMW-Strategie zwangsläufig dazu führt, dass bei der Konstruktion gewisse Kompromisse für die Integration verschiedener Antriebskonzepte eingegangen werden müssen, schlagen sich die aktuellen Elektroautos von BMW auch in Vergleichstests mit Wettbewerbern auf reinen Elektro-Architekturen ausgesprochen gut. Deutlich wird das unter anderem in diversen Vergleichen zwischen BMW i7 und Mercedes EQS, aber ähnliches lässt sich auch in anderen Segmenten beobachten.
Während sich die weltweite Nachfrage zwischen den Antriebskonzepten derzeit noch schwer prognostizieren lässt, erwartet BMW in der Zukunft einen klaren Fokus auf Elektroautos. Folglich wird auch die Architektur der Neuen Klasse, die ab 2025 mit ähnlichen Abmessungen wie die 3er-Reihe antreten wird, voll auf elektrische Antriebe ausgerichtet. Um die verbleibende Nachfrage nach Verbrennern bedienen zu können, wurde eine Verlängerung des 3er-Lebenszyklus per zweitem Facelift beschlossen.