Um mit dem neuen BMW XM Aufmerksamkeit zu erregen, sind goldene Akzente definitiv nicht erforderlich. Wer ganz sicher nicht übersehen werden will, macht mit einer Konfiguration wie an unserem Testwagen für den ersten Fahrbericht aber auch keinen Fehler: Zur Lackierung in Marina Bay Blue kommen goldene Details, die die besondere Stellung des XM auch zufälligen Betrachtern sofort verdeutlichen. Ganz unabhängig von der Konfiguration grenzt sich der XM auch mit seinen scharf gezeichneten Split Headlights, der auf Knopfdruck beleuchteten Niere oder an den M1 erinnernde Details wie den links und rechts in die Scheibe gravierten BMW-Logos am Heck klar vom Rest der Modellpalette ab und unterstreicht damit seine Individualität. Keine Frage: Wer auch immer in diesem Auto sitzt, um Understatement und ein unauffälliges Transportmittel ging es ihm ganz sicher nicht.
Nur zum Ansehen sind wir allerdings nicht nach Arizona gekommen, stattdessen wollen wir den BMW XM endlich fahraktiv erleben. Können rund 2,7 Tonnen Leergewicht wirklich so dynamisch unterwegs sein, wie es die Optik und die Positionierung des 653 PS starken Über-SUV versprechen? Immerhin sprechen wir vom bisher stärksten Serien-BMW aller Zeiten und dem ersten eigenständigen M-Modell seit dem unvergessenen M1! Spätestens beim Öffnen der Türen wird aber klar, dass der XM kein Supersportler vergangener Zeiten sein will: Weißes Leder und braunes Alcantara versprühen edles Flair, von Konzentration auf das Wesentliche kann in keiner Hinsicht die Rede sein.
Statt Leichtbau-Tugenden zelebriert der BMW XM viel lieber seine Luxus-Qualitäten: Nicht nur in der ersten Reihe, auch im Fond mit seiner geräumigen, an eine Lounge erinnernden Rückbank setzt das Power-SUV offensiv auf Klotzen statt Kleckern. Untypisch für einen Sportwagen ist natürlich auch die Ruhe, mit der der Plug-in-Hybrid auf das Drücken des Startknopfs reagiert: Erst nach dem Wechsel in einen der sportlicheren Fahrmodi meldet sich auch der V8 einsatzbereit, typischerweise rollt der XM aber zunächst lautlos vom Hof.
Auf den geraden Highways erinnert der XM zunächst an bekannte BMW-SUV wie X5 oder X7, was durchaus überraschend kommt: Befinden sich die adaptiven Dämpfer im Comfort-Modus, bietet der BMW XM ein erstaunlich hohes Komfort-Niveau und nervt keinen der Insassen mit übertriebener Härte. Hierzu passt auch die Abstimmung der Lenkung, die zwar ein gemessen am Gewicht durchaus intensives Feedback liefert, aber keineswegs super-direkt übersetzt ist. Das Ergebnis ist ein Fahrgefühl, das auch bei höheren Geschwindigkeiten eher von Souveränität als von Nervosität geprägt ist.
Dank 197 PS und effektiv bis zu 450 Newtonmeter Drehmoment ist der Elektro-Antrieb locker stark genug, um die meisten Aufgaben des Alltags souverän zu meistern. Sein Haupt-Job ist dennoch ein anderer: Der E-Motor verschafft dem Achtzylinder gerade bei spontanen Beschleunigungs-Wünschen genau jene Sekundenbruchteile Zeit, die dieser zum Ausholen mit dem mächtigen V8-Hammer braucht. So sorgt die Kraft der zwei Motoren dafür, dass sich die Leistung von 653 PS nach noch mehr Power anfühlt, als die Zahl ohnehin schon vermuten lässt: Die Spontanität und Vehemenz der initialen Kraftentfaltung lässt den XM tatsächlich noch stärker wirken, als er tatsächlich ist.
Noch beeindruckendere Talente als die erwartbar starke Längsdynamik zeigt der BMW XM aber auf kurvigen Strecken, wie man sie mit etwas Glück auch in Arizona finden kann. Da der Kopf nie ganz beiseite schieben kann, dass er gerade in einem 2,7 Tonnen schweren SUV ein gutes Stück oberhalb der von Sportwagen gewohnten Sitzposition unterwegs ist, überrascht das Über-SUV gleich beim ersten Einlenken: Stehen alle Systeme auf Sport, bescheren sie dem XM eine nicht für möglich gehaltene Agilität.
Hierbei arbeiten adaptive Dämpfer, Hinterachslenkung, Wankstabilisierung, das aktiv geregelte Sperrdifferenzial an der Hinterachse und der Allradantrieb M xDrive so überzeugend Hand in Hand, dass das Eindrehen der Karosserie spürbar unterstützt wird und auch kleinere Drifts möglich sind. Zusätzliche Versteifungen der Karosserie und der dank des Lithium-Ionen-Akkus ungewohnt tiefe Schwerpunkt tragen ihren Teil dazu bei, dass der XM trotz höherem Gewicht auf einem ähnlichen Querdynamik-Niveau wie der X5 M unterwegs ist: Unerwartet neutral und mit echter Freude am zackigen Richtungswechsel. Auch nach einiger Zeit mit immer höherem Tempo überrascht der XM damit, einfach nicht untersteuern zu wollen.
Werden die Straßen wieder gerader, hält auch im BMW XM schnell wieder Vernunft Einzug: Ein Knopfdruck genügt, um das in den USA dank fehlender OPF-Pflicht auch akustisch dauerpräsente V8-Monster wieder schweigen zu lassen. Auf dem Highway punktet das Power-SUV mit Komfort-Features von den Assistenzsystemen für Autonomes Fahren gemäß Level 2 über die Sitzbelüftung oder das 20 Lautsprecher umfassende und knapp 1.500 Watt starke Bowers & Wilkins Diamond Surround Sound System bis hin zu temperierten Cupholdern und kleinen XM-Kopfkissen im Fond.
Wenn statt Komfort wieder die Freude am Fahren im Fokus steht, könnte zumindest auf manchen Märkten auch der erstmals realisierte Sand-Modus für den Allradantrieb M xDrive zum Einsatz kommen. Ob er im Alltag lieber ein Elektroauto mit V8-Unterstützung oder doch ein V8-SUV mit Elektro-Unterstützung fahren will, entscheidet dabei jeder Fahrer für sich – und bei Bedarf jeden Tag neu.
Dank über 80 Kilometern Elektro-Reichweite gemäß WLTP können XM-Fahrer nicht nur einen Großteil ihrer alltäglichen Strecken lokal emissionsfrei zurücklegen, sie können auch auf einen erstaunlich geringen Praxis-Verbrauch kommen: Wird der Akku regelmäßig geladen, sind einstellige Verbräuche mühelos realisierbar. In jedem Fall hat der Fahrer wesentlich mehr Einfluss als an Bord von X5 M oder X6 M, schließlich ist auf kürzeren Strecken jeder Verbrauch ab 0,0 Liter möglich.
Unterm Strich präsentiert sich der BMW XM als spannender Wanderer zwischen den Welten: Er vereint hohen Langstrecken-Komfort und Luxus-Features mit einem extrem kraftvollen Antrieb und hoher Fahrdynamik. Die scheinbaren Gegensätze ziehen sich dabei unerwartet an und sorgen für ein Gesamtpaket, das sowohl im Alltag als auch unter sportlichen Gesichtspunkten überzeugen kann. Wer die Querdynamik des XM auskosten will, sollte dann aber in jedem Fall auf Mitfahrer im Fond verzichten – anderenfalls wird es mindestens für diese sehr schnell sehr unkomfortabel.
Ob der Preis von mindestens 178.000 Euro zum Hindernis wird oder den Erfolg bei der relevanten Zielgruppe nicht sogar fördert, wird die Zukunft zeigen. Fest steht, dass der hohe Preis zur Exklusivität des BMW XM beiträgt und ihn so für Menschen auf der Suche nach einem außergewöhnlichen Fahrzeug vielleicht sogar noch attraktiver macht. Der deutsche Markt steht dabei ein weiteres Mal eher im Hintergrund: Rund die Hälfte aller XM landen in den USA und China, Deutschland liegt auf Augenhöhe mit Südkorea und knapp hinter dem Mittleren Osten gerade noch in den Top-5 der Einzelmärkte.