Mit beinahe endlos großen Touchscreens zieht Mercedes MBUX eine Menge Aufmerksamkeit auf sich, aber die Bedienbarkeit des schwäbischen Infotainment-Ansatzes hat von Anfang an nicht nur Begeisterung ausgelöst. Am Beispiel des neuen Mercedes SL übt nun auch das britische Magazin TopGear scharfe Kritik und bezeichnet die Bedienung im einstigen Traumwagen sinngemäß als “Greatest Hits” der schlechten Eigenschaften in vielen modernen Fahrzeugen: Während der Fahrt nur schwer bedienbare, winzige Touch-Oberflächen auf den Lenkrad-Speichen werden mit einem für alle wesentlichen Funktionen benötigten Touchscreen und einem Fokus auf Nebensächlichkeiten wie unzählige Ambientielicht-Optionen kombiniert.
Das als “baffingly complicated”, “brimming with puzzles, calculated frustrations” und insgesamt “disastrously unhelpful” beschriebene MBUX verlangt selbst zum Öffnen und Schließen des Dachs nach dem großen Touchscreen, dessen Probleme mit der Ablesbarkeit auch den Entwicklern bewusst gewesen sein müssen: Nicht ohne Grund wurde eigens ein System entwickelt, das den Winkel des Displays je nach Sonnenstand verändern kann. Selbst an kalten Tagen werde das Display extrem heiß – “während es eine Aufgabe erfüllt, die ein einfacher Knopf besser lösen würde”. Unterm Strich sorge das schlechte Infotainment dafür, dass sich der SL billig anfühle.
Auch sonst scheinen TopGear-Redakteur Ollie Kew und seine Kollegen mit dem SL nicht wirklich warm zu werden: Waren die bisherigen Mercedes SL noch ausgewiesene Cruiser, die zwar keine besondere Agilität an den Tag legten, aber dafür einen klaren Fokus auf Luxus und Komfort legten, spiele die Neuauflage zwischen den Welten. Das Ergebnis des Spagats ist aus TopGear-Sicht ein Fahrzeug, das zu aggressiv für einen Luxus-Cruiser und zu schwerfällig für einen echten Sportwagen ist. Die lauten Abrollgräusche disqualifizieren den SL als Gran Turismo, außerdem nervte der nur 800 Meilen alte Testwagen mit Klappergeräuschen. Wenig Verständnis zeigen die Briten auch für den einerseits sportlicher gewordenen SL, der andererseits zum Viersitzer geworden ist – obwohl hinten definitiv niemand sitzen könne.
Die deutliche Kritik dürfte hoffentlich auch in München zur Kenntnis genommen werden, denn auch BMW setzt beim Infotainment-System iDrive auf immer weniger klassische Knöpfe. Während in größeren Baureihen zumindest der iDrive-Controller weiterhin verbaut wird und “nur” auf die acht frei programmierbaren Favoriten-Tasten verzichtet wird, entfällt in der Kompaktklasse sogar der iDrive-Controller. Dass die Herausforderungen für die Bedienung von immer mehr Funktionen damit nicht kleiner werden, zeigt die immer häufiger zu hörende Kritik: Denn egal wie groß die Displays werden, am Ende muss neben coolen Grafiken auch die Bedienbarkeit während der Fahrt überzeugen. Ob noch größere Displays als im SL, beispielsweise in der neuen Mercedes E-Klasse (W 214), dabei der richtige Weg sind, darf getrost bezweifelt werden.
Den vollständigen Bericht von TopGear gibt es hier.
(Fotos: Mercedes)