Ist das der neue BMW i7? Oder doch der neue 7er (G70) mit konventionellem Antrieb? Rein äußerlich ist es beinahe unmöglich, die unterschiedlichen Antriebs-Varianten auseinander zu halten. Da wir für unseren ersten Fahrbericht in Kalifornien zwischen i7 und 760i wählen können, ist es aber zumindest etwas einfacher: Gemeinsam mit dem M760e ist der in Europa gar nicht angebotene 760i der einzige 7er, der überhaupt sichtbare Endrohre trägt – alle schwächeren Modelle halten es genau wie der BMW i7 und verzichten vollständig auf dieses Merkmal. Die Botschaft ist klar: Die Zeiten, als ein 7er Abgase ausgestoßen und dies auch noch allen Hinterherfahrenden gezeigt hat, sind im Jahr 2022 endgültig vorbei.
Ebenso unmissverständlich ist die Präsenz, mit der der neue BMW i7 auftritt. Unser Testwagen mit matter Lackierung in Frozen Deep Grey sowie M Sportpaket Pro wirkt auf den ersten Blick wie der Dienstwagen von Darth Vader, vermeidet fast jede unnötige Reflektion und blickt mit seinen extrem schmal gezeichneten Scheinwerfer-Elementen fokussiert nach vorn. In der Realität ist die Wirkung noch dramatischer, schließlich überragt die Luxuslimousine mit einer Länge von 5,39 Metern selbst die Langversion des Vorgängers um stattliche 13 Zentimeter und hat auch in Höhe und Breite um jeweils fünf Zentimeter zugelegt. Dass selbst 21 Zoll große Felgen in den Radhäusern der neuen 7er-Reihe beinahe etwas zierlich wirken, unterstreicht die Dimensionen des Fahrzeugs eindrucksvoll.
Und der Abschied vom bisherigen Verständnis einer Luxuslimousine geht direkt beim Einsteigen weiter: Ja, man kann die Türen ganz klassisch durch ein Ziehen am Türgriff öffnen. Man kann sie aber auch aus der Ferne per App öffnen, entweder einzeln oder alle vier zusammen. Außerdem genügt ein Knopfdruck am Türgriff, damit die Tür elektrisch aufschwingt und dabei selbstverständlich darauf achtet, nirgendwo anzustoßen. Wer sich lieber fahren lässt, kann sich die Tür vom Fahrer rechtzeitig öffnen und nach dem Einsteigen wieder schließen lassen, ohne dass der Fahrer hierfür aussteigen müsste.
Details wie diese mögen für viele Autofahrer eine Spielerei sein, aber nicht nur in Asien sind Luxusklasse-Kunden ständig auf der Suche nach dem nächsten Feature, das sie bisher noch nicht kannten. Im Fall des neuen BMW i7 finden sie dieses spätestens beim völlig konkurrenzlosen Theatre Screen mit 31 Zoll Bildschirmdiagonale im 32:9-Format und 8K-Auflösung für die Fond-Passagiere, der gemeinsam mit einem überzeugenden Soundsystem echte Kino-Atmosphäre ins Fahrzeug bringt und die am Rücksitz befestigten Tablet-Lösungen anderer Anbieter wie ein Relikt aus der fernen Vergangenheit wirken lässt.
Aber zurück in die erste Reihe: Wer den iX und andere aktuelle Modelle kennt, fühlt sich im Cockpit des BMW i7 sofort heimisch. Das große Curved-Display und die neue Mittelkonsole sind inzwischen vertraute Elemente, neu ist lediglich die sogenannte Interaction Bar unterhalb des großen Displays. Die interaktive Interieurleiste lässt sich nicht nur farbig beleuchten, sie ist auch mit diversen Funktionen belegt. Hinzu kommt eine deutlich tiefere Sitzposition als im iX, wodurch der i7 den Fahrer deutlich stärker einbindet.
Auf den ersten Metern am Steuer des BMW i7 xDrive60 sind es aber zunächst andere Aspekte, die Eindruck hinterlassen: Wie versprochen geht der neue 7er (G70) einen großen Schritt in Sachen Geräuschdämmung und ist nochmals hörbar leiser als der Vorgänger. Hierbei spielt der Elektroantrieb des i7 natürlich eine Rolle, denn die elektrisch erregten Synchronmotoren des eDrive-Antriebs arbeiten auch unter Last praktisch lautlos – an die Ohren der Insassen dringen lediglich sehr gedämpfte Wind- und Abrollgeräusche. Neben der Geräuschkulisse gibt es aber noch weitere Fortschritte: Die serienmäßige Zweiachs-Luftfederung wirkt in der komfortablen Standardeinstellung noch etwas sanfter federnd, woran aber auch der weiter optimierte Sitzkomfort seinen Anteil hat.
Komfort allein genügt allerdings nicht, um die Kunden eines BMW 7er zu überzeugen: Wer sich für den Bayern und gegen die Mercedes S-Klasse entscheidet, darf auch mehr Freude am Fahren erwarten. Auf den kurvigen Bergstraßen rund um Palm Springs kann der BMW i7 bereits andeuten, dass er diesem Anspruch Gerecht werden will: Wer den MyMode Sport aktiviert, wechselt den Charakter der Limousine auf Knopfdruck und verabschiedet sich mit Nachdruck vom komfortablen Gleiter, in dem er eben noch saß: Die aggressivere Gaspedalkennlinie, die mehr Kraft fordernde Lenkung und das straffer ansprechende Fahrwerk machen den i7 sofort erheblich fahraktiver.
Dass die fast 5,40 Meter lange Luxuslimousine dabei nicht zum agilen Kurvenräuber wird, liegt mit Blick auf rund 2,7 Tonnen Leergewicht auf der Hand, aber allein die deutlich spürbare Abgrenzung vom Comfort-Modus rechtfertigt den Namen Sport allemal. Der dank des großen Lithium-Ionen-Akkus extrem tiefe Schwerpunkt sorgt im Zusammenspiel mit Executive Drive Pro samt aktiver Wankstabilisierung sowie Hinterachslenkung für eine hervorragende Straßenlage, die ausgeglichene Gewichtsverteilung, die Fahrwerksabstimmung und die hecklastige Kraftverteilung lassen den i7 sehr lange neutral bleiben. Wirklich enge Kurven oder anspruchsvolle Richtungswechsel waren nicht Bestandteil unserer Route, aber sicher wird das hohe Gesamtgewicht der Dynamik hier gewisse Grenzen setzen.
Typisch Elektroauto bleibt der Spagat, den der Antrieb des BMW i7 xDrive60 dabei zeigt: Einerseits vollkommen unauffällig im Hintergrund, gleichzeitig aber auch permanent bereit für eine mächtige Beschleunigung aus dem Nichts. 544 PS und verzögerungsfrei verfügbare 745 Newtonmeter Drehmoment sind selbst für starke Motorisierungen gewöhnte Fahrer immer wieder beeindruckend, wobei typische Zwischensprints noch wesentlich imposanter sind als es die Werksangabe von 4,7 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 bereits vermuten lässt.
Weil man den Großteil der Leistung auf öffentlichen Straßen höchstens für wenige Sekunden abrufen kann, zeigt der Elektroantrieb eine erstaunliche Effizienz: 22 kWh auf 100 Kilometer sind auch mit einigen Zwischensprints realisierbar, dank der adaptiven Rekuperation holt sich der i7 einen großen Teil der investierten Energie ohnehin wieder zurück. Wie schon in anderen Baureihen wird selbst dann per Rekuperation gebremst, wenn der Fahrer das Bremspedal betätigt. Wer keinen extrem schweren Gasfuß hat oder den i7 auf die Rennstrecke entführt, wird auch deshalb kaum jemals unter die Marke von 500 Kilometern Praxis-Reichweite fallen. Bei Bedarf kann der Akku mit bis zu 195 kW wieder aufgeladen werden, wofür europäische Kunden im ersten Jahr kostenlos alle Ionity-Schnellladesäulen nutzen dürfen.
Abgerundet wird das Erlebnis an Bord des BMW i7 von Assistenzsystemen, die selbst das hohe Niveau des iX nochmals übertreffen, in den USA schon heute autonomes Fahren gemäß “Level 2+” erlauben und demnächst in Europa auch “Level 3” beherrschen sollen. Was das konkret bedeutet, zeigt unser Onboard-Video vom amerikanischen Freeway.
Im direkten Vergleich mit dem konventionell angetriebenen BMW 760i (G70) zeigt der i7, dass ein Elektroauto heute ohne Weiteres das bessere Paket sein kann: Sein Antrieb spricht verzögerungsfrei an und wirkt dadurch erheblich souveräner und während sich der V8 bei einem spontanen Kickdown durch Herunterschalten und sanftes Aufheulen des Motors noch in Stellung bringt, ist der i7 bereits völlig unaufgeregt einige Meter nach vorn geschossen. Kompromisse beim Komfort verlangt der Elektro-7er ebenfalls nicht, stattdessen punktet er auch in dieser Hinsicht mit dem leiseren und harmonischeren Antrieb.
Übrig bleibt das Thema Reichweite, das angesichts des über 100 kWh großen Akkus aber auch nur noch ausgewiesene Langstrecken-Fahrer abseits des mit Schnellladesäulen gut bestückten Autobahn-Netzes betrifft. Dass die meisten 7er-Kunden entweder zu Hause oder auf Arbeit laden können, trägt ebenfalls zur Attraktivität des lokal emissionsfreien Antriebs bei. Andere Kritikpunkte wie den für enge europäische Städte durchaus üppigen Wendekreis oder die schnell mit Fingerabdrücken verschmutzende Interaction Bar teilt sich der i7 mit allen anderen 7er-Varianten.
Die Verantwortlichen haben vor diesen Hintergründen allen Grund zur Annahme, dass rund 40 Prozent der europäischen 7er-Kunden zum i7 greifen werden. Neben dem von uns gefahrenen i7 xDrive60 werden dazu ab 2023 auch das Topmodell i7 M70 und nach unseren Informationen auch ein Einstiegsmodell namens BMW i7 xDrive50 beitragen. Gemeinsam mit den Plug-in-Hybriden sollen die elektrifizierten Antriebe sogar auf einen Anteil von 75 Prozent am 7er-Absatz kommen. Die Chancen stehen also nicht schlecht, dass es sich auch beim Ende des Jahres in Dingolfing vom Band laufenden, zweimillionsten 7er um einen rein elektrischen i7 handelt.