Für die meisten Autofahrer mit etwas Erfahrung in der Nutzung verschiedener Infotainment-Systeme ist es ein offenes Geheimnis, das schwedische Magazin Vi Bilägare hat es nun dennoch wissenschaftlich untersucht: Lenkt die “moderne” Bedienung per Touchscreen den Fahrer stärker vom Fahrgeschehen ab als eine klassische Bedienung mit Knöpfen und Schaltern? Die Antwort ist dabei extrem eindeutig und kaum überraschend: Selbst simple Aktionen wie das Einstellen einer anderen Temperatur für die Klimaanlage können bei einem auf Touchscreens fokussierten Bedienkonzept zur Gefahr werden, was gerade dann zum Problem wird, wenn die alternativ nutzbare Sprachsteuerung nicht überzeugend funktioniert und daher in der Praxis nicht genutzt wird.
Beim schwedischen Test wurden zwölf Fahrzeuge unterschiedlicher Hersteller gegeneinander getestet, angefangen von einem 17 Jahre alten Volvo mit jeder Menge Knöpfen bis hin zu Touchscreen-dominierten Fahrzeugen wie dem MG Marvel R. Die zu lösenden Aufgaben sind dabei immer die gleichen: Sitzheizung aktivieren, Temperatur um zwei Grad erhöhen, Heckscheibenheizung aktivieren, Radio einschalten, Radiosender auswählen, Trip-Computer resetten, Hintergrund-Beleuchtung reduzieren und schließlich das zentrale Display komplett deaktivieren. Nicht alle dieser Funktionen werden auf jeder Fahrt benötigt, folglich sind sie mitunter tief in den Menüstrukturen komplexer Infotainment-Systeme versteckt.
Da die Fahrer die Aufgaben während der Fahrt mit 110 km/h lösen sollten, werden die Unterschiede besonders deutlich: An Bord des alten Volvo können alle geforderten Einstellungen getroffen werden, während das Fahrzeug in 10 Sekunden eine Strecke von 306 Metern zurücklegt. Während dieser Strecke ist der Fahrer abgelenkt und nimmt plötzlich auftauchende Gefahren möglicherweise zu spät wahr. Der schlechteste Kandidat unter den getesteten Fahrzeugen, der MG Marvel R, legt während der gleichen Aufgaben fast 1,4 Kilometer zurück.
Auch der BMW iX kann im Test der Schweden nicht überzeugen: Zwar lassen sich einige der geforderten Aktionen auch per Sprachsteuerung mit “Hey BMW” auslösen, aber im Test wurde diese Option offenbar nicht genutzt. So werden 30,4 Sekunden benötigt, was bei 110 km/h einer Distanz von 928 Metern entspricht. Deutlich besser schneiden die Touchscreen-Systeme von Volvo C40 und selbst Dacia Sandero ab, wobei die Menüs hier schon aufgrund des wesentlich überschaubareren Funktionsumfangs viel schlanker ausgeführt werden können.
Für viele BMW-Kunden spielt der Touchscreen im Alltag aber auch weiterhin eine untergeordnete Rolle: In so gut wie allen Baureihen lassen sich alle Funktionen auch weiterhin per iDrive-Controller steuern, was mit etwas Übung ohne Hinsehen gelingt. Und wer weiß: Vielleicht führen Tests wie die aktuelle Untersuchung aus Schweden ja dazu, dass der Entfall des iDrive-Controllers für Modelle wie 2er Active Tourer (U06) und X1 (U11) in München nochmals überdacht wird.