Der Krieg in der Ukraine zeigt, wie fragil die Lieferketten bei BMW und in der Autoindustrie generell geworden sind. Schon vor Tagen war klar, dass einige europäische Werke der BMW Group in der nächsten Woche nicht arbeiten können, nun zeigt sich in Form von Kurzarbeit an mehreren Standorten langsam das ganze Ausmaß der Situation: Nur gnadenlose Optimisten könnten derzeit davon ausgehen, dass die in der Ukraine gelegenen Werke verschiedener Zulieferer demnächst wieder liefern können. Realistisch betrachtet ist wesentlich wahrscheinlicher, dass auf absehbare Zeit kein einziges Teil aus der Krisenregion geliefert werden kann, weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um ihr Leben und das ihrer Familien fürchten müssen und völlig andere Sorgen haben.
Bei BMW und anderen Autobauern sind es unter anderem Kabelbäume von Zulieferern aus der Ukraine, die in nächster Zeit wohl kaum geliefert werden können. Außerdem erhalten unzählige Unternehmen in Deutschland auch Eisenlegierungen und Titan aus der Krisenregion, wobei mit einiger Wahrscheinlichkeit auch andere Zulieferer der Autoindustrie betroffen sind und dann ihrerseits nicht mehr produzieren können. Stehen die Werke der Autobauer still, werden auch nicht direkt betroffene Zulieferer ihre Teile nicht mehr los – und Lagerkapazitäten für einen mehrere Wochen andauernden Produktionsstopp hält in Zeiten von Just-in-Time und Just-in-Sequence-Fertigung niemand mehr vor. Gerade für Unternehmen, die bereits von der Corona-Pandemie schwer getroffen wurden, zieht damit die nächste große Krise herauf.
Nicht von der Thematik betroffen sind nach aktuellem Stand die BMW-Werke außerhalb Europas, schließlich setzen Spartanburg oder San Luis Potosi auch bei Kabelkäumen & Co. auf regional ansässige Zulieferer. Während sich die Kunden vieler klassischer Baureihen auf noch längere Lieferzeiten einstellen müssen, bleiben die SUV-Modelle und das 2er Coupé möglicherweise von diesen Problemen verschont.
Immerhin sehen Experten insofern Licht am Ende des Tunnels, dass sich die Produktion von einigen in der Ukraine gefertigten Teilen relativ schnell andernorts aufbauen ließe. Wie schnell solche Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden können, werden die nächsten Wochen zeigen. Neben BMW sind auf jeden Fall auch Volkswagen, Audi und MAN von den Lieferengpässen betroffen, mit hoher Wahrscheinlichkeit sieht es bei einigen anderen Autobauern nicht anders aus.
Unstrittig ist aber, dass die von allen Beteiligten in der Autoindustrie bevorzugte Lösung ein sofortiges Ende der Kämpfe in der Ukraine wäre – und das natürlich nicht nur aufgrund der Lieferengpässe, sondern vor allem zur Entlastung der vielerorts seit über eine Woche unter massivem Beschuss stehenden Bevölkerung.