Die meisten Ideen und Konzepte erreichen früher oder später ihr Ablaufdatum und in der Theorie hat sicher auch ein altes Rezept aus Bayern irgendwann seinen Zenit erreicht. Das neue BMW 2er Coupé (G42) zeigt allerdings mit voller Inbrunst, dass es 2022 noch lange nicht so weit sein soll: Auch wenn sich der Sonderstatus im Umfeld der Premium-Kompaktklasse bei der zweiten Generation weiter manifestiert hat, hält der 2er stur an seinem mehrere Jahrzehnte alten Rezept fest – und wird damit zum Leuchtturm der Hoffnung für alle Freunde der klassischen Freude am Fahren. Ob der 2er die großen Erwartungen der Hecktriebler-Fans auch erfüllen kann, durften wir nun für einen ersten Fahrbericht mit dem Serien-M240i auf bayerischen Landstraßen erkunden.
Gerade das BMW M240i Coupé wirft dabei durchaus Fragen auf, denn obwohl das vorläufige Topmodell mit 374 PS und längs montiertem Reihensechszylinder motorisch beste Anlagen an Bord hat, schwingt bei manchen Kompaktsport-Fans auch immer eine Frage mit: Wieso bringt BMW den stärksten 2er, der doch gerade mit seiner im direkten Konkurrenzumfeld einzigartigen Kombination von ausgeglichener Gewichtsverteilung und Hinterradantrieb punkten kann und will, zum Marktstart Anfang 2022 ausschließlich mit Allradantrieb auf den Markt?
Die Antwort liefern wie so oft die erwarteten Auftragseingänge: Auch im Segment des BMW M240i greift die Mehrheit der Kunden zur Allrad-Variante und sichert sich damit ein Plus an Traktion und Fahrstabilität sowie absolut uneingeschränkte Ganzjahrestauglichkeit. Aus Sicht der Hecktriebler-Fraktion bringt der zusätzliche Antrieb der Vorderräder aber bekanntlich nicht nur Vorteile mit sich, er steht auch immer im Verdacht des Fahrspaß-Verhinderers.
Am Steuer des neuen BMW M240i xDrive rücken solche Fragen zunächst in den Hintergrund, denn direkt nach dem Drücken des Startknopfs erfüllt der bassige Sound des Reihensechszylinders den Innenraum und gibt die Richtung vor: Nicht zu laut, keinesfalls übertrieben, aber mit seiner sonoren Stimme doch ständig wahrnehmbar und auf angenehme Art fordernd – der B58-Motor macht kein Geheimnis daraus, dass hier noch Hochoktaniges verbrannt wird und Abgase entstehen. Mit steigender Drehzahl wird der Sound gerade im Sport-Modus immer lustvoller, ohne aber jemals die Contenance zu verlieren.
Viel fürs Ohr hat der Antrieb des BMW M240i auch in Schubphasen zu bieten, denn zumindest in den sportlicheren Fahrmodi darf der Reihensechser dann auch deutlich vernehmbar bollern und so klingen, wie man es von einem Kompaktklasse-Vertreter mit 374 PS und 500 Newtonmeter Drehmoment erwartet. So wird nicht nur das Ausrollen nach einem schnellen Überholmanöver, sondern auch das vom automatisierten Runterschalten des Achtgang-Getriebes begleitete Anbremsen jeder Kurve zu einem fast so einprägsamen Erlebnis wie ein Vollgas-Zwischensprint. Dabei sollte man sich hin und wieder bewusst machen, wie stark der M240i geworden ist: Auch wenn sein Name für Kenner unterhalb des M2 angesiedelt ist, übertrifft der neue M240i den M2 der Vorgänger-Generation sowohl bei der Leistung als auch beim Drehmoment.
Die dazu passende Fahrwerkstechnik hat der M240i ebenfalls an Bord: Mit im Vergleich zum Vorgänger 63 Millimetern mehr Spurweite vorn rückt der M240i auf M2-Niveau, nur an der Hinterachse war der F87 von Anfang an noch breiter unterwegs. Dank klebriger Michelin Pilot Sport 4 S-Bereifung mit 245 Millimetern vorn und 255 Millimetern hinten, geregeltem Sperrdifferenzial mit bis zu 100 Prozent Sperrwirkung an der Hinterachse und vor allem dem betont hecklastig arbeitenden xDrive schafft es der M240i immer wieder, den Allradantrieb in den Hintergrund zu drängen: Wie gierig das Heck des M Performance-2ers unter Last nach außen drängt und die Karosserie leicht anstellt, treibt in Verbindung mit der dank spezifischer Lenkungs-Abstimmung erstaunlich willig einlenkenden Vorderachse definitiv ein Grinsen ins Gesicht.
Während solche Manöver an der Grenze zwischen Haft- und Gleitreibung mit einem Hecktriebler nach einer kundigen Hand verlangen, sind sie am Steuer des M240i eine vergleichsweise leichte Übung: Der Allradantrieb zieht den 2er bei Bedarf zuverlässig aus der Kurve heraus, selbst wenn der Fahrer den Impuls zum Gegenlenken weitgehend ignoriert. So macht der M240i seinem Fahrer die Erkundung des Grenzbereichs spielerisch leicht und meistert es geschickt, ihn einerseits zu unterhalten und anderseits nie vor unlösbare Aufgaben zu stellen.
Dass Puristen dennoch auf den heckgetriebenen M240i oder gleich auf den M2 (G87) warten, wird man in München mit einem Lächeln zur Kenntnis nehmen: Die Abstimmung des BMW 2er G42 ist selbst mit Allradantrieb so vielversprechend, dass man sich um die Akzeptanz des Hecktrieblers wahrlich keine Sorgen machen muss. Zum erwarteten Erfolg trägt auch der Umstand bei, dass der vielleicht wichtigste Wettbewerber nicht mehr vorhanden ist: Während sich die erste 2er-Generation immer auch mit dem technisch eng verwandten 1er messen musste, ist der aktuelle F40 mit seinem klassenüblichen Frontantrieb für die Hauptzielgruppe der 2er-Reihe keine echte Alternative mehr.
Denn was man bei der Fahrt mit dem BMW M240i Coupé trotz xDrive jederzeit spüren kann, ist das unbedingte Streben nach einem möglichst unterhaltsamen Fahrverhalten: Der 2er will nicht Everybody’s Darling sein, er muss kein komfortables Langstrecken-Ass sein und er will schon gar nicht als unauffälliges Vernunftauto wahrgenommen werden. Er richtet sich an Menschen, für die das Automobil immer mehr als ein Transportmittel sein wird. Dass BMW die Wünsche dieser immer kleiner werdenden Zielgruppe erhört und ihr trotz immer schärferer Emissions-Vorgaben ein derart passendes Fahrzeug auf den Leib geschneidert hat, dürften nicht nur Traditionalisten goutieren. So bestätigt der 2er, was auch Gourmet-Köche wissen: Einige wenige Rezepturen sind so überzeugend, dass sie auch bei ständiger Wiederholung nicht zu altern scheinen. Die Kombination von ausgeglichener Gewichtsverteilung, Reihensechszylinder vorn und Antrieb (überwiegend) hinten gehört definitiv dazu.