Die BMW Group hat offenbar Grund zu der Annahme, dass die angedrohte Strafe im EU-Kartellverfahren wesentlich geringer als bisher befürchtet ausfällt. Wie die Münchner heute kurz nach Börsenschluss mitgeteilt haben, deutet der aktuelle Verfahrensfortgang auf eine Art Deal hin: Die EU-Kommission scheint bereit zu sein, ihre Vorwürfe gegen die BMW AG erheblich einzuschränken und damit auch die Höhe einer eventuellen Strafzahlung in erheblichem Umfang zu reduzieren.
Im Gegenzug würde die BMW AG auf rechtliche Schritte zur Anfechtung des Urteils verzichten, die sie im Fall einer Strafe im hohen dreistelligen Millionen-Bereich auf jeden Fall gehen würde. Die Verantwortlichen der BMW Group hatten in den letzten Monaten wiederholt und mehrfach klargestellt, dass sie sich keines Fehlverhaltens bewusst seien und daher alle juristischen Möglichkeiten ausschöpfen würden, um eine hohe Strafzahlung anzufechten.
Die bisherige Rückstellung in Höhe von rund 1,4 Milliarden Euro wurde am 5. April 2019 offiziell gebildet und wird nun zu einem großen Teil aufgelöst, was für einen positiven Ergebniseffekt in Höhe von rund einer Milliarde Euro führt. Übrig bleiben also “nur noch” 400 Millionen Euro Rückstellung, um eine eventuelle Strafzahlung an die EU-Kommission leisten zu können.
Bei den Kartell-Vorwürfen geht es im Kern um die Frage, ob die deutschen Autobauer BMW, Mercedes und Volkswagen in technischen Arbeitskreisen illegale Absprachen getroffen haben oder nicht. Im Fokus stehen bestimmte technische Details im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen von Diesel-Pkw, etwa die Größe von AdBlue-Tanks. BMW geht nicht davon aus, dass die hier getroffenen Absprachen Nachteile für die Kunden oder das Emissionsverhalten seiner Fahrzeuge verursacht hätten. Daimler und VW hatten die Ermittlungen selbst ins Rollen gebracht, hoffen aber dank einer Kronzeugenregelung selbst straffrei zu bleiben.
Es geht bei dem Verfahren ausdrücklich nicht um Vorwürfe bezüglich illegaler Abschaltvorrichtungen bei Diesel-Pkw von BMW, wie sie bei den anderen beteiligten Autobauern bereits zu Straf- und Entschädigungszahlungen in Milliarden-Höhe geführt haben. Ein solcher Vorwurf wird gegen BMW auch weiterhin nicht erhoben.
Im Wortlaut liest sich die heutige Ad hoc-Meldung der BMW AG wie folgt:
Die BMW AG geht aufgrund des Verfahrensfortgangs davon aus, dass die EU‑Kommission ihre Vorwürfe gegen die BMW AG gegenüber den Beschwerdepunkten vom 5. April 2019 in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht erheblich beschränken wird.
Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob deutsche Automobilhersteller in technischen Arbeitskreisen bei der Entwicklung und Einführung von Technologien zur Verringerung von Emissionen in wettbewerbsbeschränkender Weise zusammengearbeitet haben. Die Rechtskonformität von Diesel-Fahrzeugen ist nicht Gegenstand des Verfahrens. Der Vorwurf einer unzulässigen Manipulation der Abgasreinigung stand und steht bei der BMW Group nicht im Raum.
Die BMW AG hatte am 5. April 2019 eine Rückstellung in Höhe von rund 1,4 Mrd. Euro gebildet. Auf Grundlage der neuen Erkenntnisse geht die BMW AG weiterhin davon aus, dass die EU-Kommission mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Bußgeld gegen die BMW AG verhängen wird. Die erhebliche Beschränkung des Vorwurfs löst jedoch eine Neubewertung der Rückstellung aus. Diese Neubewertung führt im zweiten Quartal 2021 zu einem positiven Ergebniseffekt in Höhe von rund 1 Mrd. Euro.
Dieser Ertrag ist bisher nicht in der Prognose für das Jahr 2021 enthalten. Er wirkt sich mit ca. einem Prozentpunkt positiv auf die EBIT-Marge des Segments Automobile aus. Der diesbezüglich bereits prognostizierte Korridor wird in entsprechender Höhe angehoben. Für das Konzernergebnis vor Steuern im laufenden Geschäftsjahr geht die BMW Group unverändert von einer deutlichen Steigerung aus.
Sollte es zu der erwarteten erheblichen Beschränkung der Vorwürfe kommen, würde die BMW AG davon absehen, gegen einen etwaigen Bußgeldbescheid rechtlich vorzugehen.