Wie groß ist das Fragezeichen hinter den Rahmenbedingungen des BMW-Erfolgs in China? Beim Blick auf den mit großem Abstand wichtigsten Einzelmarkt sorgt die finanzielle Schieflage bei Joint-Venture-Partner Brilliance Automotive vermutlich auch im Münchner Vierzylinder für immer mehr Sorgenfalten. Wie die Nachrichten-Agentur Reuters unter Berufung auf zwei mit den Vorgängen vertraute Personen berichtet, bereitet Chinas größter Autobauer FAW – in Deutschland vor allem als wichtiger Partner von VW und Audi – eine Übernahme von Brilliance Automotive vor.
Sollte Brilliance tatsächlich den Besitzer wechseln, wären größere Auswirkungen auf das Joint-Venture mit der BMW Group sehr wahrscheinlich. Auch wenn die Verbindungen zwischen BMW und Brilliance im operativen Geschäft überschaubar sind und die Münchner die gemeinsamen Werke vermutlich auch im Alleingang betreiben könnten, würde eine Übernahme durch FAW zahlreiche Anpassungen erforderlich machen. Das könnte sich nicht nur negativ auf die Verfügbarkeit von in China für den dortigen Markt gebauten Neuwagen auswirken, das derzeit ausschließlich in China gebaute und von dort in den Rest der Welt exportierte Elektro-SUV BMW iX3 könnte ebenfalls zu den Leidtragenden zählen.
Weitaus wichtiger für den weltweiten Absatz der BMW Group 2021 ist allerdings die ununterbrochene Verfügbarkeit von Neuwagen für Kunden in China: Während Europa und Nordamerika massiv unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie leiden, haben die Chinesen das Thema bereits weitgehend hinter sich gelassen und eilen wieder von Rekord zu Rekord.
Im Gesamtjahr 2020 stand der Einzelmarkt China für mehr als 33 Prozent der weltweiten Verkaufszahlen und war ohne Übertreibung der Retter in der Not: Die Absatz-Einbrüche von 15,7 Prozent in Europa und sogar 19,7 Prozent in Amerika ließen sich nur deshalb einigermaßen kompensieren, weil der Absatz in China trotz Corona um 7,4 Prozent gesteigert werden konnte.
Die enorme Bedeutung des Einzelmarkts wird auch beim Blick auf die drei größten Einzelmärkte der BMW Group Deutschland: Hinter den 777.379 Einheiten Chinas folgt zunächst sehr lange nichts, bevor die USA mit 306.870 Einheiten auf dem zweiten Rang auftauchen. Auf dem dritten Rang folgt Deutschland mit 287.143 Einheiten – und man benötigt keinen Taschenrechner um zu erkennen, dass selbst die Summe der Verkaufszahlen im zweit- und drittgrößten Markt nicht annähernd genügt, um den Spitzenplatz Chinas in Frage zu stellen.
Auch vor diesem Hintergrund dürfte der aktuelle Wirtschafts-Krimi rund um Brilliance und FAW in München ausgesprochen aufmerksam verfolgt werden. Denn auch wenn sich die Auswirkungen einer möglichen Übernahme aller Voraussicht nach auf den Markt China begrenzen ließen, wären sie von großer Relevanz für den weltweiten Erfolg der BMW Group.