Mehrere Jahre nach Einführung der Funktion folgt der von manchen BMW-Kennern seit langem erwartete Aufschrei: Der BMW Speed Limit Assist kann in allen aktuellen Modellen nicht nur Verkehrszeichen erkennen, sondern das erkannte Tempolimit auch direkt übernehmen. Dabei wird aus einem Tempolimit von 100 km/h aber nicht zwingend auch eine Tempomat-Einstellung von exakt 100 km/h, denn dem Limit lässt sich im iDrive-Menü auch eine gewisse Toleranz beibringen: Bis zu 15 km/h schneller als erlaubt kann das Assistenzsystem die Geschwindigkeit standardmäßig einregeln, so wird aus erkannten 100 eine tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit von bis zu 115 km/h.
Hintergrund der Option ist der Gedanke, dass sich die meisten Autofahrer in ihrem Alltag nicht exakt an die vorgegebene Geschwindigkeit halten, sondern regelmäßig ein paar km/h schneller unterwegs sind. Was in der Praxis kein nennenswertes Problem darstellt, ist juristisch gesehen natürlich eine andere Frage: Wer bewusst und mit voller Absicht schneller als erlaubt fährt, handelt laut ADAC unter Umständen mit Vorsatz. Genau dieser Vorwurf steht nun für den BMW Speed Limit Assist im Raum, denn bei diesem Assistenzsystem lässt sich dem Auto über das iDrive-Menü praktisch ein Fehlverhalten antrainieren, das in der Folge zu ständigen Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit führen soll.
Hatten eine Woche lang einen Mietwagen. Ich kannte die Option an sich schon aber sie bleibt einfach pervers. Tempolimit Assistent mit Offset. Weil rasen so günstig ist, kann man bei @BMWDeutschland bis 15km/h permanent schneller fahren… Freude am töten… pic.twitter.com/OcsJfPtSJA
— ChaWiBiker 🚴♂️👊🥊 (@ChaWiBiker) January 10, 2021
Dass BMW hierbei sogar zwei Optionen anbietet und es dem Fahrer ermöglicht, das Limit bei typischen Innerorts-Geschwindigkeiten von bis zu 50 km/h gar nicht oder nur um wenige km/h zu überschreiten, ändert an der Vorsatz-Frage wenig – schließlich sind +15 km/h auch außerorts nicht erlaubt.
Aus Sicht von BMW trägt die Option allerdings entscheidend zur Sicherheit bei, denn sie erhöht die Akzeptanz für die automatische Übernahme des Tempolimits: Würde das Fahrzeug immer strikt mit dem erkannten Tempolimit fahren, würden sich viele Fahrer schnell bevormundet fühlen und das System komplett deaktivieren. Durch die einstellbare Toleranz, bei der nur wenige Fahrer das Maximum von 15 km/h ausschöpfen dürften, steigen hingegen die Chancen auf eine Nutzung des Features und damit auch auf ein – zumindest ungefähres – Einhalten aller gültigen Tempolimits: Gerade bei stark reduzierten Limitis lassen viele Fahrer ihr Fahrzeug eher ausrollen als stark zu verzögern, hier sorgt der BMW Speed Limit Assist selbst bei einer Einstellung von +15 km/h für eine deutlich stärkere Verzögerung.
Wie der Spiegel berichtet, lässt sich BMW durch die angebotene Übertretung des erkannten Limits zumindest juristisch nichts zu schulden kommen: Eine Funktion wie die Toleranz des BMW Speed Limit Assist ist grundsätzlich zulässig. Dabei bestätigt Siegfried Brockmann als Leiter der Unfallforschung der Versicherer den Ansatz von BMW sogar: Ein Assistenzsystem, das den Fahrer exakt auf das zu fahrende Limit einbremst, würde in Deutschland seiner Einschätzung nach leider keine Akzeptanz finden – und dann lieber komplett deaktiviert werden.