Die Zeiten, in denen Rolls-Royce in Katalogen ein vielsagendes „ausreichend“ in der Leistungszeile drucken konnte, sind schon lange vorbei. Heute schwebt über jeder Angabe das Damoklesschwert der Emissionen und Abgasnormen, das schon bei kleinsten Abweichungen mit enormen Konsequenzen droht. Sehr gut sichtbar wird dieses Thema jetzt beim BMW 120i F40, dem technisch weitgehend identischen 220i Gran Coupé und anderen Modellen mit dieser Ausbaustufe des intern B48 genannten Turbo-Vierzylinders: Im Datenblatt stehen Ende 2020 nur noch 178 PS, allerdings gibt es eine erklärende Fußnote als Hinweis zur Leistungsangabe.
“In Abhängigkeit der Umgebungsbedingungen wird eine temporäre Spitzenleistung bereitgestellt, die ca. 10% über der Nennleistung liegen kann. Die Dauer der Spitzenleistung nimmt mit sinkender Umgebungstemperatur zu (bei +25°C ca. 5 s, bei -20° ca. 40 s).”
Mit anderen Worten: Auch wenn im Katalog “nur” 178 PS stehen, kann der Fahrer kurzzeitig bis zu 196 PS abrufen. Diese Spitzenleistung steht zwar nicht permanent zur Verfügung und wird deshalb auch nicht als Nennleistung angegeben, im Alltag der meisten Autofahrer sind mehr als fünf Sekunden Vollgas am Stück aber ohnehin nur auf der Autobahn möglich – innerorts verbieten sich entsprechende Manöver ohnehin und auf Landstraßen dürfte man nach mehr als fünf Sekunden Vollgas so gut wie immer über der erlaubten Höchstgeschwindigkeit liegen.
Wenn fünf Sekunden Spitzenleistung nicht genügen, hilft nur kälteres Wetter: Bei -20° Celsius steht die volle Leistung für bis zu 40 Sekunden zur Verfügung! Klar ist aber auch: Bei über 25 Grad nähern sich Nennleistung und Spitzenleistung immer weiter an, im Hochsommer stehen in BMW 120i und 220i Gran Coupé also auch bei kurzen Zwischensprints nur 178 PS zur Verfügung.
Dass sich die tatsächliche Leistung von Verbrennungsmotoren mit der Umgebungstemperatur ändert, ist freilich alles andere als neu – auf eine entsprechende Angabe im Katalog hat die BMW Group aber bisher verzichtet. Hintergrund der ungewöhnlichen Leistungsangabe ist der Wechsel von der Abgasnorm Euro 6d-TEMP zu Euro 6d und die damit verbundenen Emissionsmessungen: Mit der zweiten Variante der Real Driving Emissions (RDE 2) müssen auch im Realbetrieb noch strengere Grenzwerte eingehalten werden, was offenbar eine gewisse Drosselung des Motors erforderlich macht. BMW hat sich hierbei dafür entschieden, dem Kunden vorsichtshalber nur noch eine Nennleistung von 178 PS zu versprechen und sich so mehr Spielraum beim Emissionsverhalten erkauft – gleichwohl macht die oben zitierte Fußnote deutlich, dass den Kunden in vielen Situationen praktisch bis zu 10 Prozent mehr Leistung zur Verfügung stehen.
Das vielleicht prominenteste Opfer der jüngsten Zahlenspiele in den Datenblättern der BMW Group hat allerdings britische Wurzeln: Auch der MINI Cooper S tritt künftig offiziell nur noch mit 178 PS an. Auch hier sind die Auswirkungen in der Praxis weniger relevant als im Datenblatt, aber zumindest auf dem Papier verliert der sportliche Kleinwagen volle 14 PS.