Auf der Suche nach der optimalen Architektur für das Auto der nahen Zukunft gibt es viele unterschiedliche Optionen. BMW hat sich zuletzt als klarer Verfechter einer flexiblen Strategie präsentiert, die wirtschaftliche Sicherheit im Sinne von hoher Berechenbarkeit verspricht: Auf Basis einer einzigen Architektur sollen Benziner, Diesel, Plug-in-Hybride und Elektroautos am gleichen Band gebaut werden können. Ein erstes Kind dieses Ansatzes ist die aktuelle Mittelklasse-Architektur, die mit allen derzeit gängigen Antriebsvarianten erhältlich ist – beispielhaft vom 320d über M340i xDrive und 330e bis hin zum rein elektrischen i4.
Der Vorteil liegt aus Sicht eines Unternehmens wie der BMW Group auf der Hand: Weil niemand mit Sicherheit sagen kann, welcher Antrieb in Zukunft wie stark gefragt sein wird, vermeidet man das mit einer starren Festlegung verbundene Risiko. Würde man für verschiedene Konzepte auch unterschiedliche Architekturen nutzen, bräuchte man für die Kapazitäts-Planung eine Glaskugel – oder läuft beinahe zwangsläufig in ein Szenario, bei dem mindestens eine der verschiedenen Architekturen mit Unter- oder Überkapazitäten zu kämpfen hat.
Aber es gibt natürlich auch einen klaren Nachteil der BMW-Strategie, bei der alle Antriebe auf der gleichen Architektur gebaut werden können: Wer sich nicht von Anfang an auf die Anforderungen eines Technik-Konzepts einstellt und alles einer für diesen Verwendungszweck optimalen Konstruktion unterordnet, kann nie das Optimum erreichen. Ähnlich wie sich ein Sportler zwischen 100-Meter-Lauf und Marathon entscheiden sollte, sollte ein Ingenieur seine Anstrengungen auf die Konstruktion eines konventionell angetriebenen Autos oder auf ein bestmögliches Elektroauto konzentrieren.
Im Gespräch mit dem Spiegel fordert Betriebsratschef Manfred Schoch deshalb eine reine Elektro-Architektur bei BMW, um gegenüber komplett auf Elektroautos fokussierten Wettbewerbern nicht ins Hintertreffen zu geraten. BMW hat diesen Ansatz noch vor wenigen Jahren selbst vertreten, als man für das Elektroauto i3 eine völlig eigenständige Architektur entwickelt hat. Das sogenannte “Purpose Built Design”, bei dem von Anfang an alles auf die Anforderungen eines Elektroautos ausgelegt wurde, sahen die Verantwortlichen klar im Vorteil gegenüber einem sogenannten “Conversion Vehicle”, bei dem ein ursprünglich für konventionellen Antrieb konzipiertes Auto wie der VW Golf nachträglich zum Elektro-Golf umgerüstet wurde.
Der vielleicht entscheidende Unterschied aus Sicht der Verantwortlichen bei BMW ist die Frage, ab wann man über die Integration eines Elektroantriebs nachdenkt. Bei der Entwicklung der heutigen BMW-Architekturen wurden die Anforderungen der verschiedenen Antriebskonzepte schließlich von der ersten Minute an berücksichtigt, weil jeder wusste, dass die Architektur für alle Konzepte genutzt werden soll. Dass dabei im Vergleich zu einer Architektur, die nur einem einzigen Antrieb gerecht werden muss, dennoch Kompromisse eingegangen werden müssen, liegt auf der Hand.
Ebenso liegt es in der Natur der Sache, dass verschiedene Menschen beim Abwägen aller Vor- und Nachteile zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können. Dass die Diskussionen innerhalb der BMW Group nun öffentlich geworden sind, muss keineswegs ein Nachteil sein: Am Ende ist jedes in Großserie gebaute Automobil eine Ansammlung von Entscheidungen, die man auch anders hätte treffen können und die intern mitunter hitzig diskutiert wurden. Wessen Einschätzung der Gesamtsituation richtig war, können am Ende nur der Markt und der wirtschaftliche Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens zeigen.