Auf den ersten Blick könnte man den neuen BMW Alpina B3 2020 für eine von vielen Power-Limousinen mit hohen Performance-Ansprüchen halten. 462 PS und 700 Newtonmeter stark, über 300 km/h schnell und bei Bedarf in nur 3,8 Sekunden auf Landstraßentempo beschleunigt – der Alpina B3 zählt ohne jeden Zweifel zum Schnellsten, was man auf Basis des BMW 3er G20 erleben kann. Wer sich jenseits großer und kleiner Zahlen mit dem 3er aus Buchloe befasst, entdeckt aber schnell eine ganz andere Seite am B3: Dieser gnadenlose Performer ist geradezu süchtig nach Harmonie.
Denn wo andere Power-Limousinen nach ultimativer Sportlichkeit im Sinne von bestmöglichen Rundenzeiten streben, bleibt der BMW Alpina B3 2020 immer dem Alltag verpflichtet – mit all seinen schönen, aber auch den weniger schönen Seiten. Performance definiert sich daher nicht ausschließlich über Zehntelsekunden auf der Stoppuhr, sondern über erfahrbare Souveränität. Und hierzu zählt für die Entwickler von Andreas Bovensiepen eben nicht nur der Zwischensprint auf der Autobahn oder beim flotten Überholmanöver auf der Landstraße, sondern auch der souveräne Umgang mit Bodenwellen, Gullideckeln und anderen Hindernissen, mit denen jedes automobile Fahrwerk früher oder später konfrontiert wird.
Fahrbericht BMW Alpina B3 2020: Gnadenlos harmonisch
Für unseren Fahrbericht durften wir den neuen BMW Alpina B3 G20 vor wenigen Tagen über die anspruchsvolle Rennstrecke Bilster Berg jagen. Auf den 4,2 Kilometern mit ihren 19 meist fließenden und schnellen Kurven, aber auch starkem Gefälle und einigen anspruchsvollen Steigungen, präsentierte der 3er aus dem Allgäu seinen besonderen Charakter wie auf dem Silbertablett: Egal was der Asphalt vorgibt und was der Fahrer vom Fahrzeug verlangt, der B3 bleibt immer wie ein guter Concierge – stets gelassen und zuvorkommend, aber mit bedingungslosem Einsatz beim Erfüllen jedes noch so ausgefallenen Wunsches.
Spätestens zwischen Mausefalle und Steilwand zeigt sich bei bis hohem Tempo und bis zu 26 Prozent Gefälle allerdings auch, wo die Grenzen des komfortbetonten Setups liegen. Sicher wären hier mit einer strafferen Abstimmung noch etwas höhere Geschwindigkeiten möglich, aber auch in dieser Hinsicht bleiben die Verantwortlichen ganz entspannt: Anstatt den Alltag der Kunden für exotische Extremsituationen auf der Rennstrecke zu kompromittieren, sieht man lieber lächelnd über marginal schlechtere Rundenzeiten hinweg. Denn darüber, was im automobilen Leben der Kunden und damit im echten Leben wichtiger ist, kann es kaum zwei Meinungen geben.
Doch wer den neuen BMW Alpina B3 für einen automobilen Schaumschläger ohne die nötige Härte hält, könnte sich kaum stärker täuschen: Auch wenn ihm übertriebene Härte völlig abgeht, ist er keinesfalls zu weich für dynamisches Fahren abgestimmt. Aller Harmonie zum Trotz lenkt der B3 ausgesprochen willig ein, lässt sich spielerisch punktgenau positionieren, bleibt auch bei Lastwechseln in schnellen Kurven ungerührt in der Spur und spricht im Sport Plus-Modus kernig auf Gaspedalbefehle an. Zu verdanken hat er das nicht nur den sportlichen Genen des 3er G20, sondern auch dem mit Eibach-Komponenten ausgerüsteten Alpina-Fahrwerk samt elektronisch geregeltem Sperrdifferenzial, den Pirelli P Zero-Reifen mit spezifischer Alpina-Abstimmung und natürlich dem S58-Motor der M GmbH.
Denn während die Triebwerke früherer Alpina-Modelle stets auf den Motoren der AG-Modelle basierten, nutzt der BMW Alpina B3 2020 das aus X3 M und X4 M bekannte Biturbo-Triebwerk aus Garching. In Buchloe wurde allerdings nicht nur das Kühlkonzept und die Aufladegruppe, sondern auch die Charakteristik des Motors komplett verändert. Aus dem nach hohen Drehzahlen verlangenden Sportmotor wurde dabei der Antrieb eines souveränen Cruisers: Viel Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen schafft die Voraussetzung dafür, dass der B3 völlig gelassen und auch ohne ansatzweises Ausdrehen der Gänge mit Macht nach vorne schiebt.
Auch im Rennstreckenbetrieb über jeden Zweifel erhaben glänzt der Gegenspieler des Triebwerks durch die Speichen der 20-Zöller: Die von Brembo beigesteuerte Hochleistungs-Bremsanlage wurde ursprünglich für den deutlich schwereren B5 entwickelt und hat mit dem niedrigeren Gewicht des B3 auch auf dem Bilster Berg mit seinen vielen Bremspunkten und wenigen Geraden nicht die geringste Mühe. Etwas schwerer tut sich da schon die gemeinsam mit ZF abgestimmte Achtgang-Switchtronic, deren Fokus erkennbar eher auf Landstraße und Autobahn als auf der Rennstreckennutzung liegt. Wer es darauf anlegt, kann die acht Gänge aber jederzeit manuell sortieren.
Wer für den richtigen Gang sorgt und mit Vollgas auf die Geraden biegt, bekommt auch vom doppelt aufgeladenen Reihensechszylinder einiges geboten: Passend zum Charakter des Fahrzeugs bleibt die Alpina-Interpretation des S58 zunächst zurückhaltend und eher im Hintergrund, wird aber unter hoher Last und bei entsprechenden Drehzahlen auch ausgesprochen präsent und kernig. Keine Überraschung ist, dass der Alpina B3 auch in solchen Extremsituationen die Contenance bewahrt, sich nie im Ton vergreift und keinesfalls wie einer jener Halbstarken klingt, die schiere Lautstärke mit gutem Klang verwechseln.
Unterm Strich bleibt der Eindruck einer Power-Limousine, die auf jede überflüssige Show verzichtet und gerade deshalb extrem erwachsen wirkt. Dass andere ein paar Zehntel schneller sind, hinterlässt am Ego des BMW Alpina B3 G20 nicht den geringsten Kratzer. Ganz im Gegenteil: Seine Kunden wissen es auf jeder schlechten Straße, die ihnen das echte Leben in den Alltag programmiert hat, zu schätzen. Vor diesem Hintergrund passt auch der BMW Alpina B3 Touring G21 perfekt ins Bild: Kein bisschen weniger sportlich, aber noch praktischer und damit noch performanter im Alltag passt der Kombi vielleicht sogar noch besser zum Charakter des B3 als die Limousine.