Im Rahmen der Vorstellung des Quartalsberichts Q1 2020 lieferte BMW Finanz-Vorstand Nicolas Peter auch einen ausführlichen Ausblick auf die Erwartungen für die nächsten Monate. Keine Überraschung ist dabei, dass die Münchner im Schatten der Corona-Pandemie nicht von einer schnellen Erholung der Wirtschaft und der Automobilmärkte ausgehen. Dennoch erhoffen sich die Verantwortlichen im Lauf des dritten Quartals 2020 eine Stabilisierung des wirtschaftlichen Umfelds und damit eine deutliche bessere Umgebung für den Verkauf neuer Automobile.
Allerdings wird in diesem Ausblick davon ausgegangen, dass es in den nächsten Monaten keine weiteren Hiobsbotschaften gibt. In Form einer zweiten Infektionswelle und einer anhaltenden Rezession in wichtigen Regionen schwebt allerdings ein riesiges Damoklesschwert über der gesamten Weltwirtschaft – und niemand weiß, wann es fällt. Hinter der gesamten aktuellen Prognose steht ein dementsprechend großes Fragezeichen, worauf Nicolas Peter auch ausdrücklich hinweist.
Doch auch wenn weitere negative Effekte noch nicht berücksichtigt sind, sprüht der Ausblick nicht unbedingt vor Optimismus: Der weltweite Absatz wird nach aktueller Einschätzung ebenso deutlich unter Vorjahr liegen wie das Konzernergebnis vor Steuern, die EBIT-Marge wird auf einen Wert zwischen 0 und 3 Prozent sinken. Mit anderen Worten: Sollte eine zweite Welle weitere scharfe Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus notwendig machen, wird die Marge in den negativen Bereich rutschen.
Unabhängig von einer erhofften Erholung in der zweiten Jahreshälfte macht Nicolas Peter auch klar: Bis die Weltwirtschaft und mit ihr die Autoindustrie wieder auf das Niveau vor der Corona-Krise kommen kann, ist noch deutlich mehr Geduld gefragt. Positiv ist, dass die BMW Group aus einer Position der Stärke in die Krise gegangen ist und zumindest momentan keinerlei Liquiditätsprobleme hat. Dennoch werden jetzt zahlreiche Effizienz-Maßnahmen umgesetzt, die die Ausgaben in ungewissen Zeiten deutlich senken sollen.
Die gesamte Rede von Nicolas Peter im Wortlaut (die Jahresprognose befindet sich ganz am Schluss):
Die Ausbreitung des Coronavirus und die damit verbundenen Eindämmungsmaßnahmen haben die Geschäftsentwicklung der BMW Group im ersten Quartal 2020 erheblich beeinflusst. Der Absatz ist insbesondere in China deutlich zurückgegangen, was die Ergebnissituation in den ersten drei Monaten belastet hat. Mittlerweile sind die dortigen Produktionsstätten sowie die Handelsbetriebe wieder geöffnet, so dass sich die Situation dort erholt.
Im März hatten wir aufgrund des pandemiebedingten Nachfrage-Rückgangs die Produktion in unseren europäischen Werken sowie in den USA und Südafrika heruntergefahren. Der Wiederanlauf der Werke orientiert sich an der Entwicklung der Kundennachfrage nach der schrittweisen Öffnung der Handelsbetriebe.
Die Lage bleibt weiterhin extrem volatil. Es ist nach wie vor unklar, wie und wann sich das öffentliche Leben wieder weitgehend normalisiert. Entsprechend ist derzeit nicht absehbar, dass sich die Nachfrage nach Automobilen im Laufe der nächsten Wochen wieder in Richtung des noch Mitte März angenommenen Niveaus bewegt. Wie Oliver Zipse bereits erläutert hat, planen wir derzeit in Szenarien. Entsprechend erweitern wir unsere Guidance für das Gesamtjahr und gehen nun von einer EBIT-Marge im Automobilsegment zwischen 0 und 3% aus. Auf die Details zur Prognose gehe ich später noch ein.
Gerade in Krisenzeiten ist Liquidität das A und O. Zum Quartalsende hat die BMW Group ihre ohnehin starke Liquiditätsposition noch einmal auf knapp 19 Mrd. Euro erhöht. Wir verfügen weiterhin über das beste Rating aller europäischen Automobilhersteller und das zweitbeste weltweit. Dank unserer nach wie vor guten Bonität profitieren wir weiterhin von einem guten Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten.
Wir stehen zu unserem Wort – das gilt in der Krise mehr denn je. Die Dividende für unsere Aktionäre und die Erfolgsbeteiligung für unsere Mitarbeiter für das abgelaufene Geschäftsjahr 2019 werden wir wie versprochen ausbezahlen.
Kommen wir nun zum Geschäftsverlauf in den ersten drei Monaten im Detail.
Der Konzernumsatz liegt im ersten Quartal bei 23,25 Mrd. Euro. In den Segmenten Automobile und Motorrad sank der Umsatz trotz guter Preis- und Modellmixeffekte im Wesentlichen aufgrund der Corona-bedingten rückläufigen Nachfrage in China und der Schließung zahlreicher Händlerbetriebe weltweit.
Insgesamt sind die Umsatzerlöse im Konzern insbesondere aufgrund der gesunkenen Umsatzeliminierungen und eines Umsatzanstiegs im Segment Financial Services leicht angestiegen.
Das Finanzergebnis liegt mit -577 Mio. Euro deutlich unter dem Vorjahreswert. Im Vorjahr wirkte der einmalige Aufwertungseffekt aus der Bündelung der Mobilitätsdienstleistungen mit dem Daimler-Konzern positiv. Weiter belastet wurde das Finanzergebnis durch die negative Marktwertentwicklung von Zinsderivaten, getrieben durch den Zinsrückgang in den USA. Auch der temporäre Nachfrageeinbruch in China und damit verbundene negative Effekte im BBA-Ergebnis haben zum Rückgang beigetragen. Hinzu kommt das negative operative Ergebnis der YOUR NOW Gesellschaften.
Auch das Vorsteuerergebnis im Konzern wurde von den beschriebenen Effekten beeinflusst und beläuft sich auf 798 Mio. Euro. Unter anderem aufgrund positiver Effekte aus den Konsolidierungen liegt es damit leicht über Vorjahresniveau. Im ersten Quartal 2019 hatte sich die Rückstellung im Zusammenhang mit einem laufenden Kartellverfahren in Höhe von rund 1,4 Mrd. Euro ergebnisbelastend ausgewirkt.
Die EBT-Marge liegt im ersten Quartal unverändert bei 3,4%. Infolge des Absatzrückgangs zunächst in China und nun auch in anderen Weltregionen rechnen wir mit einer weiteren Ergebnisbelastung insbesondere im zweiten Quartal.
Das erste Quartal stand im Zeichen der weltweiten Corona-Pandemie – die sich bereits jetzt deutlich auf die Realwirtschaft auswirkt. In dieser herausfordernden Situation setzen wir auf Beidhändigkeit. Auf der einen Seite steht das Management der Krise. Trotzdem bleibt unser Fokus weiter auch auf der Zukunft. Wir planen jetzt für die Zeit nach Corona.
Das zeigt sich auch in den Kosten für Forschung und Entwicklung. Insgesamt haben wir im ersten Quartal 1,32 Mrd. Euro in Forschung und Entwicklung investiert und liegen damit auf dem hohen Niveau des Vorjahres. Die F&E-Quote nach HGB liegt wie erwartet bei 5,7% und damit leicht unter Vorjahr.
Mit gezielten Investitionen in neue attraktive Produkte wie den iNEXT oder unsere beliebten X Modelle sichern wir unsere zukünftige Wettbewerbsfähigkeit. Die Investitionsquote liegt im ersten Quartal bei 3,0% und damit deutlich unter Vorjahr. Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation werden wir einige Projekte – wie das geplante Werk in Ungarn – verschieben. Andere Projekte stellen wir noch einmal auf den Prüfstand. Es gilt mehr denn je: Wir investieren zielgerichtet und mit Augenmaß. Die Investitionen, im Wesentlichen in Sachanlagen, werden nach knapp 5,7 Mrd. Euro in 2019 in diesem Jahr unter 4 Mrd. Euro liegen.
Im Segment Automobile ist die BMW Group dank der umfangreichen Modelloffensive der vergangenen Monate erfolgreich und mit Wachstum in das laufende Jahr gestartet. Unser attraktives junges Produktportfolio überzeugt unsere Kunden. Der sehr gute Produktmix sowie eine verbesserte Preisdurchsetzungsfähigkeit haben den guten Jahresstart zusätzlich begünstigt. Zudem haben wir bereits vor drei Jahren zahlreiche, wirksame Maßnahmen eingeleitet, um unsere Leistungskraft kontinuierlich zu verbessern. Das kommt uns jetzt zugute. Dank unseres Unternehmens-Programms Performance > NEXT – welches wir nun nochmals verstärken – sind wir operativ gut aufgestellt.
Im Februar haben die Auswirkungen der Pandemie allerdings bereits zu einem signifikanten Absatzrückgang in China geführt. Insgesamt ist der Absatz dort im ersten Quartal fast um ein Drittel zurückgegangen. Erfreulich ist die Trendwende im März, die auf eine Erholung des Marktes hindeutet. In Europa und den USA waren im März allerdings die ersten Folgen der Pandemie spürbar, was in beiden Märkten einen deutlichen Rückgang der Absatzzahlen im ersten Quartal zur Folge hatte.
Insgesamt hat die BMW Group im ersten Quartal dieses Jahres weltweit über 477.000 Fahrzeuge ausgeliefert. Das ist ein Rückgang von 20,6% im Vergleich zum Vorjahr. Die Umsatzerlöse im Segment liegen mit knapp 18 Mrd. Euro trotz des Absatzrückgangs dank der guten Preisentwicklung und des starken Modellmixes nur moderat unter Vorjahr.
Wie erwartet wurde auch das Ergebnis belastet. Die EBIT-Marge liegt im ersten Quartal bei 1,3%. Das operative Segmentergebnis liegt mit 229 Mio. Euro deutlich über Vorjahr. Die Rückstellung im Zusammenhang mit den Kartellvorwürfen hatte das Ergebnis im vergangenen Jahr deutlich belastet.
Das Finanzergebnis liegt bei -149 Mio. Euro und damit wie erwartet deutlich unter Vorjahr. Hier schlägt sich unter anderem der negative Effekt aus dem BBA-Ergebnisbeitrag belastend nieder. Hinzu kommt der bereits angesprochene einmalige Aufwertungseffekt aus der Bündelung der Mobilitätsdienstleistungen aus dem Vorjahr, der in diesem Jahr nicht enthalten ist.
Auch der Free Cash Flow des Segments Automobile wurde im ersten Quartal von der Corona-Pandemie negativ beeinflusst. Er beläuft sich auf -2,2 Milliarden Euro. Hier hat sich im Vergleich zum Vorjahresquartal der operative Ergebnisrückgang belastend ausgewirkt, da die Kartellrückstellung im Vorjahr nicht zahlungswirksam war und im Cashflow nicht berücksichtigt wurde. Zudem sind die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen aufgrund der Produktionsunterbrechungen an mehreren Standorten ab Mitte März zurückgegangen. Nach Wiederanlauf der Werke sollte sich dieser Effekt in den nächsten Monaten wieder umkehren. Dazu kommt ein saisonal bedingter Anstieg des Vorratsvermögens im ersten Quartal, der durch die Schließung der Handelsbetriebe verstärkt wurde. Bis zum Wiederanlauf der Werke werden wir unseren Vorratsbestand konsequent reduzieren, sobald die Absatzkanäle wieder geöffnet sind.
Wie sich der Free Cashflow im Gesamtjahr entwickelt, hängt ganz entscheidend von der Ergebnisseite ab. Trotz des Rückgangs der Investitionen und einem konsequenten Working Capital Management gehen wir jedoch nicht mehr davon aus, 2020 einen positiven Free Cashflow im Segment Automobile erreichen zu können.
Auch im Segment Finanzdienstleistungen waren die negativen Auswirkungen der Eindämmungsmaßnahmen und der damit zusammenhängenden Händlerschließungen spürbar.
In den ersten drei Monaten wurden im Segment Finanzdienstleistungen knapp 450.000 Neuverträge mit Endkunden abgeschlossen. Das entspricht einem leichten Rückgang um 4,2%. Dies ist auf das schwächere Finanzierungsgeschäft, insbesondere in China, zurückzuführen.
Höhere Aufwendungen für Restwert- und Kreditrisikovorsorge haben das Vorsteuerergebnis wie erwartet belastet. Es ging im Vergleich zum Vorjahr deutlich auf 484 Mio. Euro zurück.
In der Händler- und Kundenfinanzierung haben wir einzelfallbezogen geeignete Maßnahmen zur Abmilderung der Krise etabliert – unter anderem Moratorien und temporäre Erhöhungen der Händlerkredite. Die durch die Pandemie hervorgerufenen Folgen für die Gebrauchtwagenmärkte im Premiumsegment sind bislang nicht verlässlich abzuschätzen. Um erwarteten Marktwertverlusten Rechnung zu tragen, wurden in den ersten drei Monaten bereits markt-spezifische Anpassungen der Rückstellungen für das restwertrisikotragende Portfolio vorgenommen.
Wir treffen laufend und umfassend Vorsorge für die wesentlichen Geschäftsrisiken. Durch die aktuelle volatile Entwicklung im Zusammenhang mit dem Corona-Virus können sich in den nachfolgenden Quartalen weitere negative Auswirkungen auf die Risikosituation im Segment Finanzdienstleistungen ergeben. Nach aktueller Einschätzung ist das Segment angemessen gegen Restwert- und Kreditrisiken abgesichert.
Auch das Segment Motorräder war vom Coronavirus und seinen Folgen betroffen. Da Europa für das Segment Motorrad traditionell der stärkste Markt ist, erwarten wir deutlichere Auswirkungen im zweiten Quartal. Insgesamt wurden von Januar bis März fast 35.000 Motorräder an Kunden übergeben – knapp 10 % weniger als im Vorjahr. Das operative Ergebnis ist entsprechend auf 72 Mio. Euro gesunken. Die EBIT-Marge liegt mit 12,9% weiterhin auf einem hohen Niveau.
Nun zu unserer Jahresprognose:
Die Ungewissheit hinsichtlich der weltweiten Ausbreitung und der Folgen des Coronavirus erschwert eine genaue Prognose der Geschäftsentwicklung für die BMW Group für das Jahr 2020.
Die anhaltende Einschränkung des Geschäftsbetriebs sowie die Verlängerung der Ausgangsbeschränkungen vor allem in Europa und Amerika haben den mittelfristigen konjunkturellen Ausblick für 2020 weiter eingetrübt. Eine schnelle Erholung der Automobilmärkte scheint unwahrscheinlich. Wir gehen in unseren Prognosen davon aus, dass sich das wirtschaftliche Umfeld erst im Laufe des dritten Quartals wieder zu stabilisieren beginnt. Mögliche Auswirkungen einer zweiten Infektionswelle und der damit verbundenen Eindämmungsmaßnahmen sind hier nicht enthalten, ebenso wie eine noch deutlichere Eintrübung der chinesischen Wirtschaft als Folge von Rezessionen in anderen Wirtschaftsregionen. Angebotsverwerfungen aufgrund noch stärkerer Wettbewerbsintensität stellen ebenfalls ein Risiko für unsere Guidance dar. Derzeit gehen wir davon aus, dass uns die Auswirkungen der Krise noch deutlich länger beschäftigen werden, als Mitte März angenommen. In unserer Prognose planen wir daher in Szenarien und Bandbreiten und überprüfen diese regelmäßig.
Wir gehen weiter davon aus, dass der weltweite Absatz deutlich unter Vorjahr liegen wird.
Aufgrund der extrem volatilen Situation haben wir den Korridor für unsere EBIT-Marge im Segment Automobile erweitert. Für das Gesamtjahr rechnen wir nun mit einer EBIT-Marge im Segment Automobile zwischen 0 und 3%.
Die Auslieferungen im Segment Motorräder sollten im Prognosezeitraum deutlich zurückgehen. Die EBIT-Marge wird zwischen 3 und 5% liegen.
Bei Financial Services erwarten wir für den Return on Equity im Wesentlichen wegen eines geringeren Neugeschäfts und höherer Refinanzierungskosten sowie eines volatileren Risikoumfelds nunmehr einen moderaten Rückgang.
Das Konzernergebnis vor Steuern wird unverändert deutlich unter dem Vorjahresniveau erwartet.
Die Ziele sollen mit einer Mitarbeiterzahl erreicht werden, die nicht mehr auf Vorjahresniveau, sondern leicht unter dem Niveau des Vorjahres liegen wird.
Meine Damen und Herren,
wir gehen davon aus, dass die aktuelle Krise die gesamte Automobilindustrie noch länger beschäftigen wird – auch über 2020 hinaus.
Trotz der aktuellen Krise steht die BMW Group weiterhin auf einem soliden finanziellen Fundament. Die Liquiditätsversorgung ist dank unserer nach wie vor stabilen Bonität und unseres guten Zugangs zum Kapitalmarkt gesichert. Gleichzeitig setzen wir sehr konsequent und zügig Effizienz- und Kostensenkungsmaßnahmen um. Wir werden die Situation weiterhin aufmerksam beobachten und sind vorbereitet, jederzeit schnell und flexibel auf die weiteren Entwicklungen zu reagieren.