Wenn es um Fahrwerk und Fahrdynamik neuer BMW-Modelle geht, hat ein Mann immer seine Finger im Spiel: Jos van As ist als “Leiter Applikation Fahrwerk” in die Abstimmung aller Neuheiten der BMW Group involviert. Er trägt die Verantwortung dafür, dass sich jede BMW Baureihe so fährt, wie sie sich fahren soll – also immer mit einem zur jeweiligen Fahrzeugklasse passenden Mittelweg zwischen Dynamik und Komfort, wobei die komplette Klaviatur moderner Fahrwerkstechnik optimal aufeinander abgestimmt werden muss.
Keine Ausnahme stellt dabei das neue BMW 4er Coupé G22 dar, mit dem die Münchner ab dem vierten Quartal 2020 um die Fahrspaß-Krone unter den Mittelklasse-Coupés kämpfen wollen. Auch wenn sich die Entwickler rund um Jos van As mit Sicherheit den einen oder anderen Pfeil für die neue Generation von M3 und M4 aufgehoben haben, bringen auch die darunter positionierten 4er-Varianten schon sehr überzeugende Zutaten mit. Einen Überblick über die Fahrdynamik-Maßnahmen im Vergleich zum 3er G20 liefern die folgende Grafik und unser kurzes Interview mit Jos van As.
BimmerToday.de: Schon mit dem ersten 4er hat BMW versucht, die besonders dynamischen Modelle nicht nur durch den Namen stark vom 3er abzuheben. Ist dieser Plan wie erhofft aufgegangen oder stimmt der Eindruck, dass man nun noch ein paar Kohlen nachlegen möchte?
Jos van As: Die Etablierung der BMW 4er Reihe dokumentiert eine stärkere Differenzierung von Coupés und Cabrio gegenüber der 3er Reihe. Die „4“ steht für mehr Präsenz und mehr Fahrdynamik. Das gilt für die kommende 4er Generation nochmal mehr. Schon beim aktuellen 3er haben wir gegenüber dem Vorgänger noch einmal deutlich nachgelegt. Das haben wir auch gemacht, um das Thema “Ultimate Driving Machine” in diesem Segment noch klarer zu unterstreichen. Es ist klar, dass wir das beim 4er auch machen wollen. Er hat also eine sehr gute Basis, aber wir haben natürlich immer noch Ideen, wie man das Thema Fahrdynamik noch ein bisschen mehr herausarbeiten kann. Das hat dazu geführt, dass wir einige Ideen aus der 3er-Entwicklung nun im 4er Coupé realisiert haben. Wir mussten aber zuvor das Unternehmen davon überzeugen, diese Ideen auch umzusetzen. Und Gott sei Dank haben wir mit David Ferrofino einen sehr engagierten und leidenschaftlichen Sublinienleiter für alle 4er Derivate, der sofort auf unserer Seite war und uns diese Gestaltungs-Freiheiten gegeben hat. So konnten wir aus dem 4er wirklich etwas Besonderes machen, nicht nur einen 3er mit anderem Hut.
BimmerToday.de: Was sind das konkret für Ideen, die Sie umsetzen durften?
Jos van As: Den Anfang macht natürlich die Karosserie. Wir haben einige zusätzliche Streben im Vorderwagen, zwischen Spritzwand und Federbeindom, zwischen Federbeindom und Frontend und im Frontend selber, um dort die lokale Steifigkeit zu verbessern. Das ermöglicht uns, das Auto noch präziser zu machen bezüglich des Ansprechverhaltens von Federn, Dämpfung und Lenkung. Im Hinterwagen-Bereich haben wir den Hinterachsträger über Längsstreben noch besser an der Karosserie fixiert. Das hilft, um die Linearität des Autos zu verbessern. Das Auto folgt der Lenkung also mit sehr geringer Verzögerung, aber auch ohne ein Überschwingen.
BimmerToday.de: Sie sagten einmal, dass die Karosserie das wichtigste Fahrwerks-Bauteil ist. Dennoch gestatten Sie bitte die Frage, was Sie an den üblicherweise als Fahrwerk bezeichneten Komponenten verändert haben?
Jos van As: Wir haben das Fahrwerk auf der Basis dieser Karosserie natürlich neu abgestimmt. Wir haben die Federn bezüglich Frequenz und Aufbauschwingverhalten ungefähr gleich gelassen, aber wir haben für den 4er die Zusatzfedern, die Stabilisatoren und die Dämpfer spezifisch angepasst. Das heißt nicht “härter” oder “steifer”, sondern in Summe bessere Fahreigenschaften. Wir wollen ja auch einen sozialverträglichen Komfort, denn viele Kunden bewegen ihren 4er auch auf Langstrecken. Diesen Komfort wollten wir mit einer sehr guten Fahrdynamik vereinen und ich glaube, diese Zielsetzung konnten wir hervorragend umsetzen.
BimmerToday.de: Gibt es auch Unterschiede bei technischen Eckdaten wie Radstand, Spurweite oder Sturz?
Jos van As: Wir nutzen den gleichen Radstand wie im 3er, haben aber an der Vorderachse ein bisschen mehr Sturz und an der Hinterachse 23 Millimeter mehr Spurweite. Das kommt teilweise aus dem Design, hilft aber natürlich auch uns an der angetriebenen Achse. In Kombination mit dem 21 Millimeter tieferen Schwerpunkt und dem reduzierten Auftrieb an der Hinterachse kommen wir zu deutlich verbesserten Fahreigenschaften.
BimmerToday.de: Bei 330i und 330d gibt es optional auch ein Sperrdifferenzial für die Hinterachse, gilt das auch für 430i und 430d?
Jos van As: Ja, das ist beim 4er genauso. Beim M440i xDrive ist das M Sportdifferenzial serienmäßig.
BimmerToday.de: Gibt es bei der Fahrwerksabstimmung noch spezifische Unterschiede zwischen M440i und M340i?
Jos van As: Auch hier greifen die gleichen spezifischen Anpassungen von Federn und Dämpfern, aber es ist keine grundlegend andere Philosophie als beim M340i.
BimmerToday.de: Können Sie auch etwas zum Antrieb des M440i sagen?
Jos van As: Ja, wir kombinieren den B58-Reihensechszylinder-Motor mit dem 48-Volt-Bordnetz und einem 11 PS starken Startergenerator. Das hilft bei einer geschmeidigen Auto-Start-Stopp-Funktion und gibt einen Boost-Effekt, der gerade im unteren Drehzahlbereich spürbar ist. Natürlich sind 11 PS bei einer Gesamtleistung von 374 PS relativ, aber man kann es schon spüren. Das 48-Volt-Bordnetz unterstützt auch das Segeln und leistet so einen Beitrag zur Reduzierung der CO2-Emissionen.
BimmerToday.de: Vielen Dank für das informative Gespräch!