Nach über 400.000 Einheiten von 4er, 6er und 8er erhält die Geschichte der BMW Gran Coupés 2020 ein neues Kapitel: Mit dem 2er Gran Coupé F44 bringen die Münchner das erfolgreiche Konzept erstmals in ihre Kompaktklasse. Unumstrittenes Topmodell ist dabei das 306 PS starke BMW M235i Gran Coupé, das wir kürzlich für einen ersten Fahrbericht über portugiesische Landstraßen bewegen durften.
Wie in den größeren Baureihen wird die fließende Dachlinie auch beim BMW M235i Gran Coupé mit vier rahmenlosen Türen und einem markanten Design an Front und Heck kombiniert. Auch wenn die BMW UKL-Architektur als technische Plattform unübersehbar ist, unterscheidet sich das 2er Gran Coupé mit seinen völlig eigenständig gestalteten Nieren und dem im aktuellen BMW-Lineup einzigartigen Heckdesign klar vom 1er und allen anderen Baureihen.
BMW M235i Gran Coupé: Provokateur mit 306 PS im Fahrbericht
Für die klare Abgrenzung vom Rest der Modellpalette gibt es gute Gründe: BMW sieht das Design als eines der wichtigsten Kaufargumente im Segment der viertürigen Kompakt-Coupés. Genau wie der Mercedes CLA will auch das BMW M235i Gran Coupé Blicke anziehen und provozieren, für die unauffällige Fahrt von A nach B gibt es schließlich andere Angebote. Understatement sucht man folgerichtig vergeblich: Gerade im Fall des von uns gefahrenen M235i mit M Performance-Paket und vielen schwarzen Details ist Selbstbewusstsein das Gebot der Stunde.
Dazu passt auch der Antrieb, denn das BMW M235i Gran Coupé zählt zweifellos zu den schnelleren Angeboten des Segments – auch wenn man in München bewusst auf den ganz großen Aufschlag verzichtet und all jene, denen 306 PS nicht genügen, auf den konkurrenzlosen M2 mit Hinterradantrieb verweist. Doch egal ob 300 oder 400 PS: Einen Mangel an Leistung kann man dem M235i ganz sicher nicht unterstellen.
Der bisher stärkste Serien-Vierzylinder der BMW-Geschichte harmoniert hervorragend mit dem Gesamt-Anspruch des BMW M235i Gran Coupé: Es geht nicht um einen knochentrockenen Rennwagen für die Jagd nach Bestzeiten, sondern um wohldosierte Sportlichkeit für jeden Tag. Die Charakteristik des Turbo-Vierzylinders, der seine Leistung vergleichsweise unaufgeregt an alle vier Räder schickt und mehr Wert auf messbare Performance als auf den Show-Faktor legt, passt hierbei wie die Faust aufs Auge.
Im Vergleich mit dem technisch eng verwandten M135i F40 wirft das BMW M235i Gran Coupé eine etwas hecklastigere und damit ausgeglichenere Gewichtsverteilung in die Waagschale, was die Ingenieure für eine etwas softere Abstimmung des Fahrwerks genutzt haben. Ohne spürbar an Dynamik einzubüßen, bügelt das stärkste 2er Gran Coupé kurze Schläge von Querfugen und ähnlichen Hindernissen viel unauffälliger weg als der M135i, der auf schlechten Straßen durchaus eine gewisse Leidensbereitschaft verlangt.
Obwohl alle 2er Gran Coupés mit einer sehr steifen Karosserie antreten, hat BMW dem M235i noch einige zusätzliche Streben spendiert. Sowohl am Vorderachsträger als auch im Bereich des Kardantunnels und zwischen den Domen der Vorderachse kommen Zusatzstreben zum Einsatz, die jeden Ansatz zum Verwinden der Karosserie effizient eindämmen.
Kombiniert wird das steife Grundpaket mit dem vom 1er bekannten ARB-System, das den Zweikampf zwischen Drehmoment und Traktion auch im BMW M235i Gran Coupé fast immer unmerklich für sich entscheidet. So sorgt das extrem schnell regelnde DSC dafür, dass man auch beim vollen Beschleunigen nur sehr selten an die Frontantriebs-Architektur erinnert wird – wenn man einmal davon absieht, dass sich der M235i nur mit roher Gewalt ins Übersteuern zwingen lässt und sich in der Rolle des leicht beherrschbaren Sportlers deutlich wohler fühlt als in der des nur von Profis beherrschbaren Extremisten.
Nicht verwechseln sollte man diese Charakteristik mit einem Mangel an Esprit: Wer sich ein wenig auf den Antrieb eingeschossen hat, kann auch mit dem viertürigen M235i richtig schnell sein. Dann lassen sich auch die Vorteile des fahrerorientierten Cockpits mit großem Head-up-Display und schicken Sportsitzen erleben, wobei letztere tatsächlich so viel Seitenhalt bieten, wie ihre Optik verspricht.
Geschmackssache bleibt dabei, ob man den im Sport-Modus künstlich verstärkten Sound des Turbo-Vierzylinders akzeptiert oder ablehnt. Dem Active Sound Design gelingt in den allermeisten Situationen eine gelungene Komposition, an der künstlichen Unterstützung besteht aber dennoch nie ein Zweifel. An der hoch liegenden Messlatte haben die Münchner dabei selbst den größten Anteil: Hätte der frühere M235i nicht mit seinem Reihensechszylinder betört, würde dem heutigen M235i kaum jemand seinen Vierzylinder-Sound verübeln.
Doch das BMW M235i Gran Coupé genießt auch in Akustik-Fragen eine Sonderrolle, die längst zur Rarität geworden ist: Es ist vom Zwang befreit, allen gefallen zu müssen. Everbody’s Darling zu sein ist daher weder der Anspruch noch eine Aufgabe, die das viertürige 2er Coupé meistern könnte. Wichtiger als die universelle Anerkennung durch alle möglichen Kunden ist dem F44, dass er echte Fans und Liebhaber hat. Und genau deshalb ist es richtig und wichtig, dass ihm seine Designer und Entwickler nicht alle Ecken und Kanten wegpoliert haben.