Um Deutschland zu bereisen nimmt man die Autobahn, das ist völlig logisch. Schnell und effektiv von A nach B kommen, mehr Zeit am Ziel verbringen – soweit, so klar. Doch wer Land und Leute noch einmal wirklich kennenlernen und dabei vielleicht sogar dem Konstrukt von Heimat auf den Grund gehen möchte, der muss die Autobahn verlassen und am besten nach Buxtehude fahren. Dort oben im Norden startet die Bundesstraße 3. Auf mehr als 800 Kilometern zieht sie sich über Hannover, Heidelberg und Göttingen einmal quer durchs Land bis hinunter nach Weil am Rhein – ein kaum glorifiziertes deutsches Pendant zur Route 66.
Wolfgang Groeger-Meier hat die B3 bereist und die Eindrücke seiner ungewöhnlichen Tour durch Deutschland in einem Bildband festgehalten. Der 1963 geborene Münchner mit französischen Wurzeln gehört zu den gefragtesten Automobilfotografen des Landes. Im Auftrag verschiedener großer Autobauer und Magazine bereist er die ganze Welt – sieht man zum ersten Mal ein Foto eines neuen Modells, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er den Auslöser betätigt hat. Für sein Buchprojekt setzt Groeger-Meier allerdings auf altes Blech. So dient ein mintgrüner BMW 2002 von 1975 als ikonischer Reisebegleiter.
Das Steuer überlässt der Fotograf ein paar guten Freunden. Die meisten von ihnen sind Automobiljournalisten und Autoren, die die Reise in sechs Etappen begleiten und die ruhig fotografierte, pointierte B3-Kollage mit zehn persönlichen Texten untermalen. Das Ergebnis ist so vielseitig wie Landschaft und Leute entlang der Bundesstraße. Ein Kunstprojekt mit Sachbuch-Elementen, mit Exkursen zur Geschichte der B3, die bereits als Heeresstraße für römische Legionen diente, oder zu den zahlreichen Sehenswürdigkeiten vom unbekannten Automuseum in Marxzell bis zum Vitra Campus in Weil am Rhein.
Immer wieder portraitiert das Buch dabei die Menschen, die an der Bundesstraße leben und aufgewachsen sind. Die Spiegel-Autorin Margret Hucko besucht auf ihrer Etappe eine Design-Agentur mit Hofcafé in der norddeutschen Provinz. Der Berliner Journalist Markus Schönfeld trifft auf dem Weg von Kassel nach Frankfurt auf Liebhaber des BMW 02 und Auto Zeitung Testchef Michael Godde erzählt auf seiner Fahrt rund um Bad Nauheim, wie er als Kind selbst in einem BMW 2002 ti seine Begeisterung für Automobile entdeckt hat.
Durch diese persönliche Ebene, durch die Gespräche mit zufällig im Laufe der Reise getroffenen Protagonisten wirkt “Lockruf des Südens” unmittelbar und wahrhaftig, schlägt einen Bogen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, ohne dabei ins ewige “Früher war alles besser” abzudriften. So schafft es das Buch mit vielen bunten Beispielen, dem diffusen Konzept von Heimat Bedeutung zu verleihen. “Was hat die B3 mit Heimat zu tun?”, fragt Autor Josef Clahsen im letzten Kapitel des Buches und schreibt vom Gefühl des Ankommens, von lebensbejahender Entspanntheit und freundlichen Zeitgenossen. Ohne feste Bindung – an ganz unterschiedlichen Orten entlang der B3.
Dreamroad B3: Ausstellung zum Buch reist nach Japan
Bis Ende August wurden der grüne BMW 2002 und ausgewählte Fotos des Projekts in einer Sonderausstellung im BMW Museum in München ausgestellt. Nun zieht die Ausstellung weiter nach Japan – und ist ab dem 28. Oktober als “Dreamroad B3” in der Tokyo Bay BMW Gallery zu sehen. Das Buch “Lockruf des Südens” enthält auf 192 Seiten über 200 Fotografien von Wolfgang Groeger-Meier, ist im Corso Verlag erschienen und kostet 24,90 Euro.
Text: Jonas Eling
Fotos: Wolfgang Groeger-Meier