Nach einer kurzen Nacht auf See erreichen wir am frühen Morgen den Hafen von Norwich. Verschlafen knurrend startet unser MINI John Cooper Works Clubman auf dem Autodeck tief im Bauch der gewaltigen Kanalfähre. Wir rollen von Bord, passieren eine kurze Einreisekontrolle und machen uns auf den Weg zur zweiten und letzten Etappe unseres Road Trips nach Bristol. Unser Ziel: die Washingpool Farm in Easter Compton vor den Toren der Stadt, wo sich an diesem Wochenende Mini-Fans aus ganz Europa zum International Mini Meeting 2019 versammeln.
Immer wieder erinnern Hinweisschilder auf den ersten Kilometern Landstraße an den britischen Linksverkehr. Als unerfahrene Kontinental-Europäer hatten wir die Umstellung mit gewisser Anspannung erwartet, nur um schnell festzustellen, dass die eigentlichen Herausforderungen des britischen Straßenbaus völlig woanders liegen. So hat sich über die Jahrzehnte hinweg landesweit ein ebenso aufwändiges wie unübersichtliches System von Kreisverkehren entwickelt – riesige Rondelle, die teils noch mehrere kleine Kreisel beinhalten und die ungeduldigen Berufspendler am Freitagmorgen in alle Himmelsrichtungen verteilen.
Anfänglich etwas überfordert, gewöhnen wir uns aber doch recht schnell an die omnipräsenten Ungetüme der Stauvermeidung und lernen die 306 PS unseres MINI John Cooper Works besonders auf den verschachtelten Innenspuren einmal mehr zu schätzen. Ohnehin fühlt sich der zum Facelift runderneuerte Kompakt-Kombi in seiner Heimat pudelwohl und federt überraschend gelassen über die teils gewaltigen Verwerfungen und Schlaglöcher der Autobahn M5.
Ein paar monotone Stunden später verlassen wir den restriktiv beschränkten Motorway und nähern uns auf sattgrün eingewachsenen Landstraßen dem Ziel unserer Reise. Pünktlich zum Wochenende hat ein bleiernes Tiefdruckgebiet den Süden Englands fest im Griff. Immer wieder fluten Starkregenschauer die kurvigen B-Roads und der Allradantrieb bewahrt den Clubman wirkungsvoll vor drohendem Traktionsverlust.
Mit den Hinweisschildern am Straßenrand wächst auch die Zahl klassischer Minis, die uns auf den letzten Meilen in Richtung Festivalgelände begegnen. Den Insassen ist die Vorfreude nach teils tausende Kilometer langer Anreise zwischen Camping-Equipment und Reiseproviant deutlich anzusehen. Seit über 40 Jahren findet das International Mini Meeting jährlich statt und wird von wechselnden Fan-Clubs aus ganz Europa organisiert. Alle fünf Jahre führt der Weg traditionell ins Heimatland des Mini – und 2019 eben auf das weitläufige Farm-Gelände bei Bristol.
Pünktlich zur Tea Time erreichen schließlich auch wir das IMM 2019. Ein Großteil der Besucher hat sich auf dem Campingplatz bereits seit Tagen häuslich eingerichtet und zwischen Live-Musk, Food-Court und Ersatzteil-Handel herrscht ausgelassene Festival-Atmosphäre. Sämtliche Generationen und Ausbauformen des classic Mini stehen hier Seite an Seite neben den aktuelleren Modellen.
Wir parken unseren MINI JCW Clubman und starten einen Streifzug über das Gelände, während die Organisatoren Stroh auslegen um die schlammigen Zufahrtswege wetterfest zu halten. Überhaupt begegnen die Mini-Enthusiasten dem urbritischen Wetter mit routiniertem Pragmatismus. Der Besitzer eines dunkelgrauen Mini Van hat sich auf der Ladefläche gemütlich gemacht: “Hält dichter als ein Zelt”, kommentiert der Brite grinsend, während weiter hinten eine Crew aus Frankreich mit einem Mini Shorty über die Wiese pflügt.
Über die Jahrzehnte hat sich der Mini vom sparsamen Kleinwagen für’s Volk zu einem festen Bestandteil der Pop-Kultur entwickelt, als Rallye-Auto beachtliche Rennerfolge erzielt und Filmhelden von Mr.Bean bis zur Crew des “Italian Job” mobil gehalten. Auf dem International Mini Meeting kann man alle Facetten des meistverkauften britischen Automobils erleben. Wie in einem Tempel steht eines der originalen Mr.Beam Filmautos wetterfest in einem Zelt, während wenige Meter weiter radikale Renn-Umbauten parken und der neue MINI electric als Botschafter für die Zukunft der Marke neugierige Blicke auf sich zieht.
Durch seine lange Bauzeit und das charakteristische, bis heute fortgeführte Design ist der Mini nie zu einem echten Oldtimer geworden, sondern hat sich einen Status als zeitloses Lifestyle-Objekt erarbeitet. So unterscheiden sich die bunten Briten von der Masse grauer Kleinwagen – damals wie heute.