Die Schläfrigkeit des späten Vormittags endet so plötzlich wie die Baustelle auf der A3 zwischen Frankfurt und Köln: mit Vollgas. Einen kurzen Moment lang korrigiert die Achtgang-Steptronic ihre Gangwahl nach unten, dann entlädt der MINI John Cooper Works Clubman sein volles Aggressionspotenzial auf den Allradantrieb. Unser Reisebegleiter der nächsten zwei Tage jagt nach vorn, sägt sich mit seinem Zweiliter-Vierzylinder durchs Drehzahlband und beschleunigt immer weiter, bis schließlich irgendwo weit jenseits von Tempo 240 die Vernunft einkehrt.
Wir sind am Morgen in Frankfurt gestartet, um den gerade erst grundrenovierten Über-Clubman zu einer Reise nach England auszuführen. Genauer: nach Bristol, wo an diesem Wochenende das International Mini Meeting 2019 stattfinden soll. Einmal im Jahr kommen Markenfans aus aller Welt an wechselnden Orten in Europa zusammen und feiern in gediegener Festival-Atmosphäre die Ursprünge britischer Kleinwagen-Kultur. Passend zum großen Markenjubiläum ist diesmal das Heimatland an der Reihe.
Bevor auch wir auf den 60. Geburtstag des classic Mini anstoßen und uns mit der Frage beschäftigen, wie denn der neue Maximal-MINI zu seinem historischen Vorbild passt, stehen wir allerdings erst einmal vor deutlich irdischeren Problemen: Spätestens 21 Uhr muss unser Clubman auf dem Autodeck der Fähre von Hoek van Holland in Richtung Norwich parken. Nach der Mittagspause verzichten wir dementsprechend auf größere Foto-Stopps und genießen lieber die letzten Autobahnkilometer, bevor Leistung und Drehmoment jenseits der holländischen Grenze zur Nebensache werden.
Apropos Nebensache: Optisch hat MINI den John Cooper Works Clubman mit dem Facelift nur behutsam weiterentwickelt. Ein neu strukturierter Grill und größere 95-Millimeter-Endrohre sowie die fraglos coolen Rückleuchten im Union Jack Design unterscheiden das Topmodell vom 2016 vorgestellten Vorgänger. Größere Änderungen im Design sind aber auch gar nicht nötig um die Ausmaße der Modellpflege deutlich zu machen – denn die spürt man spätestens, wenn man auf den bequemen Sportsitzen Platz nimmt.
Zuletzt spielte der mächtigste Clubman nur größentechnisch in einer Liga mit den kräftigeren Kompakt-Sportlern seines Segments. Die UKL-Plattform streckt den Kombi auf gut 4,25 Meter, sorgt für ordentlich Platz im Fond und immerhin 360 bis 1.250 Liter Raum für’s Reisegepäck. 231 PS ließen dabei allerdings einen gewissen Respektabstand zu den R-Gölfen und Sport-Einsern dieser Welt – bis jetzt, denn zur Lösung dieses zugegeben luxuriösen PS-Problems haben sich die Entwickler bei den Sportexperten der M GmbH in München umgesehen.
Das Ergebnis beeindruckt bereits auf dem Papier: Ab sofort trägt der MINI Clubman John Cooper Works den gleichen Antriebsstrang unter der streifenbeklebten Motorhaube, der auch im neuen BMW M135i xDrive und dem sportlichsten X2 seine Arbeit verrichtet. Der quer eingebaute 2,0-Liter-Vierzylinder mobilisiert heftige 306 PS und ein maximales Drehmoment von 450 Newtonmeter, das bereits bei 1.750 Umdrehungen zur Verfügung steht. In 4,9 Sekunden sprintet der Clubman JCW nun auf Tempo 100 und setzt dem munteren Beschleunigungsexzess erst bei 250 km/h ein elektronisch verordnetes Ende. Klar, dass der Sport-Kombi damit der stärkste und schnellste Mini ist, der je in Serie verkauft wurde.
Ein Allradsystem gibt es – so wie beim Vorgänger – ab Werk, die Kraftübertragung übernimmt nun allerdings serienmäßig eine Achtgang-Automatik mit Schaltwippen am Lenkrad. Als weiteres Performance-Detail Münchner Bauart verfügt auch der MINI über eine mechanische Differentialsperre mit bis zu 39 Prozent Sperrwirkung an der Vorderachse, die in den Verwindungen der Kölner Autobahnkreuze munter die Antriebsmomente verlagert.
MINI John Cooper Works Clubman 2019 mit Otto-Partikelfilter
So eilt der Clubman beeindruckend agil in Richtung Nachbarland, hält beim Herausbeschleunigen am Kurvenende eisern die Traktion und knurrt im Sportmodus angespannt vor sich hin, jederzeit bereit, Mittagsschläfchen auf dem Beifahrersitz mit brachialem Vortrieb zu unterbinden. Für die angemessen rauchige Soundkulisse sorgt dabei eine ebenfalls neu gestaltete Abgasanlage. Wie bei vielen anderen neuen Sportwagen verhindern der Otto-Partikelfilter und strengere Vorschriften jedoch eine allzu sorglose Klangentfaltung – programmierte Fehlzündungen erlaubt sich der neue MINI John Cooper Works Clubman 2019 nur noch im Stand.
Auf den letzten 200 Kilometern quer durch die Niederlande entdecken wir dann noch eine weitere, nicht minder zeitgemäße Seite unseres Über-Clubman: die des entspannten Gleiters. Wünschte man sich früher nach 300 Kilometern im John Cooper Works Clubman R55 zumindest heimlich Ruhe und Rückenmassagen, beherrscht die Neuauflage die Kunst der Entspannung per Knopfdruck.
Im Eco-Modus hält die Automatik den Motor mit sanften Schaltvorgängen im untersten Drehzahlbereich und ermöglicht so Durchschnittsverbräuche um die sieben Liter. Auch das Fahrwerk haben die Entwickler neu abgestimmt und einen guten Kompromiss zwischen Agilität und Komfort gefunden. So dämpft der Clubman nun deutlich kommoder über Unebenheiten und Bodenwellen – ein echter Fortschritt im Vergleich zum brettharten Set-Up früherer Baureihen.
Nach kurzer Hatz durch Kreisverkehre und Vorstadt-Straßen erreichen wir schließlich eine halbe Stunde vor Ende des Check-Ins das Fährterminal nördlich von Den Haag. Ein alter Morris Traveller aus Belgien rollt vor uns auf das riesige Autodeck. Die Aufschrift “IMM 2019” verrät das Ziel des Klassikers, ein Aufkleber mit “Caution, Left Hand Drive” die Herkunft unseres Road Trip Begleiters. Wir sind gespannt, was der morgige Tag bringt – wenn der stärkste Clubman aller Zeiten tatsächlich zum Familienfest nach Bristol rollt.
Text: Jonas Eling