Am Kreuzfahrterminal in Rotterdam weht ein leichter Seewind. Möwen segeln über die Landungsbrücken und das Hafenbecken der Nieuwe Maas, im Hintergrund spannt sich die spektakuläre Erasmusbrücke über die Szenerie. Selbstverständlich gibt es hier eine funktionierende und vielgenutzte Ladeinfrastruktur für Elektroautos. Alles wirkt modern und zukunftsgewandt und die gläsernen Wolkenkratzer der Wilhelminakade haben dem einst so heruntergekommenen Hafenviertel schnell den Spitznamen “Manhattan an der Maas” beschert. Kein schlechter Ort also, um der Öffentlichkeit einen konkreten Blick in die Zukunft der Mobilität zu gewähren – mit der Weltpremiere des neuen MINI Cooper SE.
Mehr als zehn Jahre nach dem Kleinserien-Versuchsträger MINI e präsentieren die Briten in Rotterdam ihr erstes rein elektrisch angetriebenes Großserien-Modell. Gleich auf den ersten Blick ist der lifestylige Kompakte als MINI erkennbar. Genauer: als aktueller MINI Dreitürer F56. Anders als der verwandte BMW i3 verzichtet der neue MINI Cooper SE auf eine eigenständige Karosserie. Stattdessen haben die Ingenieure den kräftigen Synchronelektromotor und das einstufige Getriebe anstelle des konventionellen Verbrenners in den Motorraum integriert.
Genau wie der besonders sportliche BMW i3s leistet der neue MINI Electric 184 PS und bietet ein maximales Drehmoment von 270 Nm. So wird der E-MINI dem “Cooper S” im Namen zumindest auf dem Papier schon einmal gerecht: der Sprint auf 60 km/h soll in nur 3,9 Sekunden erledigt sein, 100 km/h erreicht der MINI Cooper SE 2019 laut Hersteller in 7,3 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit wird dazu im Namen der Reichweite auf 150 km/h begrenzt.
MINI Cooper SE 2019: Platzangebot wie beim Verbrenner
Vergleicht man das neue Serienmodell mit dem ersten MINI e von 2008, fällt besonders beim Blick in den Innenraum der technische Fortschritt ins Auge. Während bei den Elektro-Prototypen von damals noch die zweite Sitzreihe einem mächtigen Akkupaket weichen musste, entspricht das Platzangebot des neuen Mini Cooper SE exakt dem der Verbrenner. Die moderne Lithium-Ionen-Batterie mit 12 einzelnen Modulen und 32,6 kWh Kapazität wurde dabei T-förmig in den Fahrzeugboden integriert. Einziger, zumindest theoretisch erkennbarer Unterschied: Um die Akkus zu schützen, liegt die Karosserie gut 18 Millimeter höher.
Mit knappen Abmessungen, dem typischen Fahrverhalten in direkter Gokart-Manier und dem schicken Lifestyle-Image ist der MINI eindeutig in der Großstadt zuhause. Das gilt umso mehr für den MINI Cooper SE: eine volle Batterieladung ermöglicht eine maximale Reichweite von 235 bis 270 Kilometern – mehr als genug für den Alltagsbetrieb zwischen Vorort und Innenstadt. Geladen wird dabei je nach verfügbarer Stromstärke an der Haushaltssteckdose, per Wallbox oder an öffentlichen Ladestationen. Mit 11 kW lassen sich die Batterien in zweieinhalb Stunden zu 80 Prozent füllen. Steht an Schnellladesäulen die maximale Ladeleistung von 50 kW zur Verfügung, gelingt die 80-Prozent-Ladung in 35 Minuten.
Zur Weltpremiere in Rotterdam dürfen wir uns erst einmal nur im Stand hinter das Steuer des neuen Cooper SE begeben – auch wenn das Setup fahrdynamisch verlockend klingt: Mit einem Leergewicht von 1365 Kilogramm ist der erste Elektro-MINI überschaubare 145 Kilo schwerer als ein Cooper S Dreitürer mit Automatikgetriebe. Hinzu kommen ein mehr als 30 Millimeter tieferer Schwerpunkt, eine ausgeglichene Achslastverteilung und natürlich das sofort abrufbare Drehmoment der E-Maschine.
Anders als etwa der BMW i3 setzt der MINI Cooper SE weiterhin auf reinen Frontantrieb. Um die Leistung möglichst ohne Traktionsverlust auf die Straße zu bringen, setzen die Entwickler auf die neue, aus dem 1er bekannte “aktornahe Radschlupfbegrenzung”, die direkt am Antrieb den Regelvorgang berechnet und deutlich direkter ansprechen soll als ein gewöhnliches DSC. Im Alltag kann der Fahrer aus vier verschiedenen Fahrmodi wählen: Sport, Mid, Green und Green+. Bei letzterem werden verbrauchsintensive Zusatzaggregate wie Heizung und Klimaanlage gezielt deaktiviert, um eine größere Reichweite zu ermöglichen. Unabhängig vom gewählten Modus lässt sich zudem der Rekuperationsgrad in zwei Stufen regulieren. So soll sich der MINI Cooper SE im Alltag praktisch nur mit dem Fahrpedal beschleunigen und verzögern lassen.
Das Design des MINI Electric folgt – wie erwartet – der Studie von 2017, verzichtet allerdings auf eigenständige Schürzen und Seitenschweller. Die Botschaft ist klar: Elektroautos sind im Alltag angekommen und müssen sich nicht mehr mit einem besonders futuristischen Auftritt vom Verbrenner emanzipieren. So beschränken sich die Unterschiede in erster Linie auf spezielle Felgen, gelbe Akzente außen und innen sowie auf den geschlossenen Kühlergrilleinsatz. Preislich startet der neue MINI Cooper SE bei 32.500 Euro. Damit positioniert sich der Elektro-MINI knapp oberhalb des sportlichen Topmodells John Cooper Works. Zur umfassenden Serienausstattung gehören unter anderem ein Navigationssystem mit 6,5-Zoll-Touchscreen, spezielle MINI Connected Services und eine Zweizonen-Klimaautomatik mit Standheizung.
Jonas Eling