Auf einem Autobahnparkplatz an der A8 in Richtung Salzburg ist es mit dem Understatement vorbei. “Ist das nicht der neue Alpina XD4?”, fragen zwei ältere Herrschaften und werfen interessierte Blicke auf unser metallic-graues SUV-Coupé. Wir sind aufgeflogen, so schnell kann’s gehen. Besonders schwer haben es die Alpina-Designer den beiden Reisenden allerdings nicht gemacht: Trotz der traditionell in der Buchloer Manufaktur zelebrierten Zurückhaltung sticht der BMW Alpina XD4 zwischen all den übrigen Offroadern heraus, allein schon durch seine massigen 22-Zoll-Felgen. Hinzu kommen ein paar dezente Spoiler, hier und da eingestreute Alpina-Schriftzüge an der Karosserie und natürlich die typische Abgasanlage mit vier chromblitzenden Endrohren. Dennoch kommt der sportliche Auftritt ohne die ganz große Geste aus, mit der etwa die neuen Modelle der M GmbH ihr dynamisches Wesen unterstreichen.
Nach einem kurzen Gespräch rund um die nicht minder beeindruckende Performance des ersten Alpina XD4 – tatsächlich trägt unser Testwagen stolz die Nummer 001 auf einer Plakette in der Mittelkonsole – setzen die beiden Herren ihre Reise fort. Wir tun es ihnen gleich. Immerhin sind wir auf dem Weg von München nach Österreich, um rund um den Salzburgring die neuen Modelle des bayerischen Kleinserienherstellers kennenzulernen – da kann man es schon mal ein wenig eilig haben.
Noch an der kurzen Auffahrt zurück zur Autobahn erleben wir am Steuer diesen ersten Alpina-Moment, der einen sämtliche Gedanken zu Sinn und Unsinn eines 388 PS starken Quadturbo-Diesels auf der Stelle vergessen lässt. Wir geben Vollgas, um uns in den tosenden Verkehr einzufügen. Blitzschnell schaltet die modifizierte Achtgang-Sportautomatik von ZF zurück, dann haut der Alpina XD4 sein volles Drehmoment von 770 Nm über alle vier Räder in den Asphalt. Auf dem Papier benötigt das Gelände-Coupé 4,6 Sekunden für den Sprint auf Tempo 100. In der Realität vergeht ein knapper Wimpernschlag bis wir im zügigen Fernverkehr mitschwimmen, ganz so als wäre nichts geschehen.
Irgendwann verteilen sich die Autos gleichmäßiger auf die drei Fahrspuren. Die variablen Schilder sehen keinen Grund mehr für ein Tempolimit und wir übernehmen das Steuer aus der Hand der umfangreichen BMW-Assistenzsysteme. Der BMW Alpina XD4 schafft einen spannenden Kontrast zwischen überragendem Reisekomfort und fast schon absurd vehementem Vorwärtsdrang. Schnell etabliert man auf der linken Spur seinen eigenen Rythmus und gleitet jenseits der 200 dahin, ohne dass man den Fahrerlebnisschalter erst noch in Richtung Sport verstellen müsste. Lieber bleiben wir im Comfort-Plus-Modus, wo die adaptiven Dämpfer des Alpina Sportfahrwerks milde über grobe Unebenheiten bügeln und das Getriebe die Motordrehzahl in kaum hörbaren Bereichen belässt.
Ganz im Sinne seiner Erfinder überzeugt der Alpina XD4 als souveränes Langstreckenauto und gehört dabei mit einer problemlos erreichbaren Höchstgeschwindigkeit von 268 km/h zum schnellsten, was man im selbstzündenden SUV-Segment kaufen kann. Mit der Implementierung des in anderer Form aus BMW X5 M50d und Co. bekannten 3,0-Liter-Reihensechszylinder-Quadturbos setzen die Manufaktur-Entwickler dort an, wo die serienmäßige Motorenauswahl der Münchner aufhört. Wer einen BMW X3 oder X4 mit sportlichem Diesel fahren möchte, musste sich bislang mit dem 326 PS starken M40d zufrieden geben. Die neuen Alpina XD3 und XD4 gehen nun mit 62 zusätzlichen Pferdestärken einen Schritt in Richtung der großen M-Benziner – ohne dabei ihren Sinn für Vernunft auf der Strecke zu lassen.
Selbstverständlich reinigen die beiden Performance-SUVs ihre Abgase mittels Dieselpartikelfilter, NOx-Speicher und SCR-Katalysator, erfüllen die Abgasnorm Euro 6d und geben sich nach dem strengen WLTP-Zyklus im Schnitt mit gerade einmal 6,9 Liter Diesel zufrieden. Als wir am späten Nachmittag unser Hotel im Salzburger Land erreichen, steht tatsächlich eine beeindruckende sieben in der Verbrauchsanzeige der klassisch blau hinterlegten Rundinstrumente. Dann folgt der nächste Morgen – und wir lernen unseren komfortablen Reisebegleiter von einer völlig anderen Seite kennen.
Fahrbericht BMW Alpina XD3: Im Sport-SUV auf dem Salzburgring
Dicke, müde Regenwolken hängen zum Tagesanbruch über dem Salzburgring. Sorgenvolle Blicke vergleichen die gängigen Wetterapps. Wir haben Glück – nach einer durchregneten Nacht trocknet die Strecke allmählich ab und wir starten zur ersten Runde am Steuer des neuen BMW Alpina XD3. Während der coupéhafte Verwandte XD4 allein schon durch seine dramatischere Karosserieform deutlich extrovertierter auftritt, wirkt der technisch weitgehend baugleiche XD3 besonders in neutralem Schwarz geradezu dezent.
Wir beschleunigen sachte aus der Boxengasse – Aufwärmen im Comfort-Modus. In der leichtgängigsten Stufe seiner variablen Lenkung schlüpft der XD3 geradezu behände durch die erste Schikane. Nocksteinkehre, lange Gerade, zurück über die erschreckend unebene Ostschleife und durch Schikane Nummer zwei in Richtung Start-Ziel. Ein Kennenlernen im Zeitraffer. Der Instruktor im Wagen vor uns legt eine ordentliche Schippe drauf, wir schalten um in Richtung Sport Plus.
Ohne jede Bedenkzeit wischt der BMW Alpina XD3 den Autobahnalltag beiseite. Mit gestrafften Dämpfern und fester Lenkung geht es neutral und ohne den SUV-typischen Hang zum Untersteuern durch die Kurvenlandschaft. Die Automatik lässt den Reihensechszylinder in den Bereich zwischen 4.000 und 5.000 Umdrehungen hochdrehen, dort, wo die volle Leistung zur Verfügung steht. Für maximale Traktion schanzen dazu der überarbeitete xDrive-Allradantrieb und das elektronisch geregelte Sperrdifferenzial an der Hinterachse die Antriebskraft bedarfsgerecht an die eigens entwickelten Pirelli P Zeros mit spezieller Alpina-Kennzeichnung.
Hier auf der Rennstrecke tragen die optionalen 22 Zoll-Mischreifen in den Dimensionen 255/35 vorn und 295/30 hinten deutlich zum dynamischen Auftritt des Alpina XD3 bei. Im Alltag dürfte die sportbegeisterte Kundschaft ihr SUV allerdings nur selten derartiger Querbeschleunigung aussetzen – und sich vermutlich eher über den höheren Abrollkomfort der 20-Zoll-Serienreifen freuen. Dennoch zeigen unsere Rennstreckenrunden auf beeindruckende Weise die Vielseitigkeit der neuen Sportmodelle. Mit großem technischen Aufwand haben die Ingenieure die konzeptionellen Nachteile des hohen Karosserieaufbaus weitgehend eliminiert – und schlussendlich ein fahraktives Performance-Duo auf die Räder gestellt, das gleichermaßen Sport, Platz und Fahrkomfort verbindet.
Nach einigen schnellen Runden wechseln wir noch einmal zurück zum Alpina XD4, der sich subjektiv im Fahrverhalten kaum vom mit 2.045 Kilogramm gleich schweren XD3 unterscheidet. Wir lassen die Rennstrecke hinter uns und unternehmen zum Abschluss eine zügige Ausfahrt über die kurvigen Nebenstraßen des Salzburger Landes. Kraftvoll zieht sich der XD4 die Berge hinauf, kurvt präzise durch die Serpentinen. Man könnte ewig so weitermachen – von einem zum nächsten Alpina-Moment.
Jonas Eling