Bei Tempo 180 bleibt ein kurzer Moment zum Luftholen. Ein schneller Blick in den Innenspiegel, ein gemurmeltes „Sorry“, nur für den Fall, dass doch irgendwer im Fond unseres BMW Alpina B7 2019 platzgenommen hat. Man könnte es der Person nicht verübeln, schließlich gehört das Topmodell der kleinen Sportwagenmanufaktur aus Buchloe zu den exklusivsten und schnellsten Luxus-Limousinen, die man für Geld kaufen kann. Doch zum Glück sind wir heute völlig allein an Bord – und der Augenblick der Ruhe geht vorüber, als wir mit fast schon absurder Geschwindigkeit auf die erste Schikane des Salzburgrings zufliegen.
Zur Modellpflege des BMW 7er LCI hat auch Alpina den B7 gründlich überarbeitet. Besonders im gut ausgefüllten Motorraum betreiben die Entwickler beachtlichen Aufwand und verbauen nun die neueste Ausbaustufe des bekannten 4,4-Liter-V8-Biturbos. Während der zwölfzylindrige M760Li mit seinen neuen Ottopartikelfiltern erstmals unter der 600-PS-Grenze bleibt, scheint sich der neue B7 von den hier ebenfalls verbauten Maßnahmen zur Abgasreinigung allerdings nicht weiter beeindrucken zu lassen.
Ganz im Gegenteil: Mittels verbundener Ladeluftkühler und weiterer Optimierungen steht das maximale Drehmoment von 800 Nm nun bereits bei 2.000 statt 3.000 Umdrehungen zur Verfügung. Mit 608 PS, einer Höchstgeschwindigkeit von 330 km/h und 3,6 Sekunden im Sprint auf Landstraßentempo erlangt der BMW Alpina B7 somit den Titel als stärkster und schnellster Serien-Siebener im Handel – und dürfte sich angesichts dieser Werte den Respekt mancher Supersportwagen erfahren.
BMW Alpina B7 2019: Facelift mit sportlicherem Design
Von außen ist das Facelift-Modell unter anderem an einer neu gezeichneten Frontschürze mit silbernem Alpina-Schriftzug erkennbar und trägt – wie auch die Standard-Modelle – schmalere LED-Leuchten und die wohlbekannte Riesen-Niere. Am Heck haben sich die Designer zudem einen neuen Diffusor-Einsatz zwischen den vier runden Endrohren erlaubt, ohne dabei den Understatement-Charakter durch Sichtcarbon oder Riesenfinnen zu gefährden. Die exklusive Außenfarbe Alpina Blau oder die bewährt eleganten Schmiederäder im 20- bis 21-Zoll-Format sind in Buchloe ohnehin selbstverständlich.
Trotz seines durchaus beeindruckenden Auftritts gehört der Alpina B7 auch weiterhin nicht zu jenen mattlackierten Exzess-Verfechtern, die ihr Kommen schon von weitem durch Schusssalven weit geöffneter Auspuffklappen ankündigen. Er ist einfach nur so verdammt schnell, säuselt im Leerlauf dezent vor sich hin und setzt seine Leistung beim Tritt aufs Gaspedal ohne großes Federlesen in Vortrieb um.
Genau diese Qualitäten schätzen Alpina-Kunden auf der ganzen Welt und beim B7 insbesondere in Asien und Amerika: unbändige Kraft, resultierend in beinahe absurd hohe Geschwindigkeiten bei uneingeschränkt hervorragenden Fahrkomfort.
Vollbremsung vor der Emco Kurve. Unter nervösem Flackern der Rückleuchten verbeißen sich die Bremszangen in den vorn 395 und hinten 398 Millimeter großen Scheiben und stauchen die knapp 2,2 Tonnen schwere Limousine mit kompromissloser Urgewalt zusammen. Ja, der Alpina B7 kann auch anders. Ein fester Griff ins Lenkrad, feuchte Hände auf feinem Lavalina-Leder. Und dann ist plötzlich alles ganz leicht.
Elektromechanisch wankstabilisiert, hinterradgelenkt und allradgetrieben tanzt der 5,27 Meter lange Luxus-Liner angesichts seiner Dimensionen mit fast schon aufreizender Mühelosigkeit durch die enge Kurvenkombination. Im gewählten Sport-Plus-Modus des Fahrerlebnisschalters senkt sich die Zweiachs-Luftfederung zudem automatisch um 15 Millimeter ab und sorgt so für zusätzliche Stabilität.
Das Gesamtpaket ist so unmittelbar wie beeindruckend. Unter vollem Drehmomenteinsatz zieht sich der Alpina B7 über alle vier Räder auf die Gerade hinaus, um kurz später in der berühmten Nocksteinkurve die Michelins in einen erbitterten Kampf um die Haftungsgrenze zu schicken. Die meisten Fahrwerkskomponenten lassen sich in ihrer Grundform auch in einem normalen BMW 7er ordern. Doch Alpina hat das Gesamtpaket bis ins Detail optimiert, geschärft und für den hauseigenen Dynamik-Anspruch angepasst.
So kann der Fahrer frei zwischen feinem Fernreisekomfort und straffem Performance-Setup wählen, der gewohnt hervorragenden Achtgang-Sportautomatik von ZF die Schaltarbeit überlassen oder selbst über die Tasten hinter dem Lenkrad die Gänge sortieren. Nur in einer Sache nimmt einem Alpina ab Werk die Entscheidung ab: der B7 ist ausschließlich in der Langversion mit 3,21 Meter Radstand erhältlich.
Fahrmodi für alle Fälle: Der B7 lässt die Wahl
Wir wechseln durch die verschiedenen Fahrmodi hin zu “Comfort Plus”, einer weiteren Spezialität der luxuriösen Manufaktur-Modelle. Die Zweiachs-Luftfederung und die variabel übersetzte Lenkung stellen um in Richtung “sanft und zuvorkommend”. Der B7 macht sich bereit für 400 Kilometer Autobahn, gerne auch am Stück. Wenn es restriktive Tempolimits und der Berufsverkehr nicht anders zulassen, stehen dem Fahrer natürlich auch die hochmodernen Assistenzsysteme der BMW-Basis unterstützend zur Verfügung.
Ein weiterer Blick in den Innenspiegel. Nachdem wir das dynamische Potenzial auf dem schnellen Salzburgring erfahren haben, wären auch Mitreisende im Fond herzlich willkommen. Die Fahrt mit einem Alpina B7 ist schließlich ein Erlebnis, das man gerne teilt – genau wie den Anschaffungspreis: mindestens 154.800 Euro kostet es, wenn Buchloe derart Brachiales liefern soll.
Jonas Eling