Vieles in der Formel E nutzen alle Teams gemeinsam, um die Kosten für teure Eigenentwicklungen in Grenzen zu halten. Nur so bleibt die Rennserie auch für kleinere Teams erschwinglich, die nicht auf die riesigen Budgets großer Konzerne zurückgreifen können. Doch auch für Werksteams wie BMW i Andretti Motorsport ist ein sinnvoller Umgang mit den Ressourcen essenziell – denn wozu sollte Geld ausgegeben werden, wenn es niemand bemerkt?
Der wichtigste Einheits-Bereich ist sicherlich die Aerodynamik, denn in der Formel E treten alle Teams mit dem gleichen Chassis an. Das erspart allen Beteiligten die teure Arbeit im Windkanal, bei der oft hunderttausende Euro für die Jagd nach Zehntel- oder gar Hundertstelsekunden ausgegeben werden – ohne dass Fans und Zuschauern an der Strecke dadurch eine bessere Show geboten werden könnte. Ein Wettrüsten auf diesem Gebiet betrachten die Organisatoren der Formel E daher als völlig überflüssig, stattdessen sollen sich die Teams auf dem Gebiet des elektrischen Antriebs streiten und so Entwicklungen vorantreiben, die in naher Zukunft auch für Serienfahrzeuge relevant sind.
Eine Übersicht der Einheitsteile und BMW Eigenentwicklungen zeigt klar, wie groß der Anteil der BMW-Ingenieure am viel beachteten Auftaktsieg des BMW iFE.18 in Riad war:
Einheitsteile:
- Chassis (Spark Racing Technology)
- Batterie (McLaren)
- Reifen (Michelin)
BMW Entwicklungen:
- Antrieb Racing eDrive01
- Getriebe, Differential und Antriebswellen
- Antriebskühlung
- Heckstruktur
- Hinterradaufhängung
- Federn, Stoßdämpfer und Stabilisator
- 12V Elektrik / Elektronik
- Brake-by-Wire-System
- Software (on-car / off-car)
- Ölentwicklung (gemeinsam mit Shell)
Großen Spielraum hatten die Ingenieure nicht nur bei der Entwicklung des Antriebs (BMW eDrive01), sondern auch am Heck des Rennwagens. Die komplette Hinterachse inklusive Aufhängung und Stoßdämpfern wurden von BMW konstruiert und perfekt an den Antriebsstrang angepasst. Die Abstimmung des Fahrwerks spielt in der Formel E vielleicht sogar eine noch wichtigere Rolle als in anderen Rennserien, weil die Stadtkurse mit zum Teil recht unebenen Oberflächen ganz andere Herausforderungen bringen als der perfekte Asphalt permanenter Rennstrecken.
Mechanischer Grip ist dabei ebenso wichtig wie eine möglichst robuste Konstruktion, die das harte Überfahren von Kerbs oder auch leichte Kontakte mit der Streckenbegrenzung verträgt. Viele der Komponenten wurden aus Aluminium per 3D-Druck hergestellt und dabei so gestaltet, dass sie ein optimales Verhältnis von Gewicht und Stabilität bieten. Die gleiche Technik kam übrigens auch bei den Bremssätteln des einzigartigen BMW M850i Night Sky zum Einsatz.
Zu den BMW Eigenentwicklungen für den iFE.18 zählt auch das Brake-by-Wire-Bremssystem des Rennwagens. Das elektronische System ist prinzipiell vergleichbar mit den Lösungen für Formel 1 und LMP1: Neben der klassischen Bremswirkung durch die mechanische Bremsanlage wird auch die Bremswirkung durch die Rekuperation des Elektro-Antriebs berücksichtigt. Damit der Fahrer immer die erwartete Verzögerung erhält, müssen beide Faktoren perfekt aufeinander abgestimmt werden.
Die Elektronik des Brake-by-Wire-Systems schafft es, dass der Fahrer sich keine Gedanken darüber machen muss, welches der beiden Elemente gerade für die Verzögerung verantwortlich ist – er erfährt bei gleichem Bremsdruck immer eine möglichst identische Verzögerung. Diese Technik trägt auch dazu bei, die per Rekuperation zurückgewonnene Energiemenge zu maximieren. Ohne elektronische Regelung wäre es dem Fahrer niemals möglich, permanent das volle Potenzial der Bremsenergierückgewinnung zu nutzen.