Wenn der Mensch keine Probleme hat, dann macht er sich welche. Und das Fehlen eines Skandals heißt noch lange nicht, dass man ihn nicht herbeireden kann. Mit diesen und ähnlichen Gedanken beobachten viele unserer Leser gerade kopfschüttelnd die Reaktionen im Netz, die auf eine eigentlich völlig harmlose Anzeige zum neuen BMW 8er Coupé G15 auftauchen. “Gebaut, um den Atem zu rauben” steht da also, neben einem Bild des neuen M850i. Skandal!
Skandal? Ja klar, man kann diese unübersehbar auf das Design gemünzte Formulierung auch mutwillig falsch interpretieren. Natürlich ist es viel plausibler, dass BMW mit dem 8er Kunden und Zeitungsleser ersticken möchte. Denn es gibt ihn ja mit Dieselmotor und wie wir alle in oberflächlicher Panikmache lernen durften, ist der Diesel nichts anderes als ein Werk des Teufels. In erster Linie entwickelt und gebaut, um unschuldigen Menschen mit seinen Stickoxiden den Atem zu rauben.
In diese oberflächliche Suche nach dem vermeintlichen Skandal passt auch der nun durchs Netz geisternde Shitstorm. Genau wie in vielen Folgefragen des tatsächlich vorhandenen Diesel-Skandals werden auch an dieser Stelle keine tiefgründigen Fakten benötigt, um den Teufel an die Wand zu malen. Über die zum Leidwesen von manch sogenannter Umweltorganisation mehrfach bewiesene Sauberkeit gerade der BMW Diesel-Motoren muss man an dieser Stelle also ebenfalls nicht reden, die Empörungswelle ist schließlich nicht an Fakten interessiert.
Man mag BMW vorwerfen können, dass eine denkbare Lesart des völlig geläufigen und stets positiv belegten Wortes “atemberaubend” nicht vorhergesehen und es deshalb nicht auf eine schwarze Liste gesetzt wurde. Aber andererseits: Welche Worte darf man künftig noch nutzen, wenn man jede absurde Fehlinterpretation ausschließen möchte? Ist “Freude am Fahren” nicht ähnlich furchtbar, weil es so etwas wie Genuss an der automobilen Fortbewegung verspricht, also am Verpesten der Luft und damit am mutwilligen Ersticken der Mitmenschen? Ist “Vorsprung durch Technik” nicht extrem gruselig, wenn man darin die Technik zum Verpesten der Luft erkennen möchte? Ist “Das Beste oder Nichts” kein Skandal, wenn man es auf irgendeine Art falsch interpretieren will? Und wie skandalös ist dann erst “Das Auto”?
Will man wirklich jedes denkbare Missverständnis und jede denkbare Fehlinterpretation eines Slogans oder selbst eines Fotos ausschließen, wird Werbung in Zukunft ausgesprochen langweilig sein. Und nüchtern betrachtet kann man auch der 8er-Kampagne nicht vorwerfen, provokant zu sein. Oder sind die auf den Fotos sichtbaren Endrohre des 8ers auch ein subtiler Stinkefinger an alle Leser, die da gerade eine direkt auf sie gerichtete Abgas-Waffe erkennen wollen?
Sorry, aber man muss nicht auf jeder Empörungswelle mitsurfen, nur weil es einem gerade politisch in den Kram passt. Kritik an Autobauern und Autoindustrie im Allgemeinen sowie der BMW Group im Speziellen ist in einigen Fragen angebracht und berechtigt. Zum Beispiel beim Thema mutwillig verfälschter Abgaswerte bei einigen Herstellern, zum Beispiel beim flächendeckend praktizierten Lobbyismus in Berlin. Manchmal ist Kritik aber auch erkennbar an den Haaren herbeigezogen und stellt Zusammenhänge her, die es schlicht und ergreifend nicht gibt.
(Fotos/Screenshots: Richard Gutjahr via Twitter)