Nach seinem unerwarteten fünften Platz beim Sonntags-Rennen der DTM in Misano hat sich Alex Zanardi ausführlich zu Wort gemeldet. In einem Interview mit BMW Motorsport verglich der Italiener seine Gefühle beim Erreichen des fünften Platzes in der DTM mit dem Gewinn seiner Gold-Medaillen bei den Paralympics. Kein Wunder: Die DTM zählt zu den anspruchsvollsten Rennserien der Welt, die Abstände zwischen den Fahrern sind extrem gering und nicht selten sorgen schon kleine Fehler dafür, dass ein ganzes Rennen ruiniert ist.
Der BMW M4 DTM wurde für Alex Zanardi umfangreich umgebaut, schließlich musste die komplette Steuerung des Fahrzeugs mit den Händen möglich sein. Speziell das Lenkrad war folgerichtig extrem komplex, denn neben den üblichen Knöpfen und Schaltern mussten hier auch noch ein fein dosier barer Gas-Ring und eine ebenso präzise nutzbare Hand-Bremse platziert werden. Allein im Rennen am Sonntag musste Zanardi 501 Bremsvorgänge durchführen und dabei eine Gesamtkraft von 23.065 Kilogramm aufbringen. Über das gesamte Wochenende stemmte Zanardi bei seinen 2.117 Bremsungen mehr als 100.000 Kilogramm Bremskraft, während er in Summe 129 Runden fuhr.
Alessandro, beschreiben Sie Ihren DTM-Gaststart bitte in drei Worten.
Alessandro Zanardi: „Prickelnd, aufregend, emotional. Ich verlasse Misano mit einem breiten Lächeln auf meinem Gesicht.“
Was war Ihr erster Gedanke, als Sie am Sonntag in Ihrem zweiten DTM-Rennen als Fünfter ins Ziel kamen?
Zanardi: „Ich dachte erst, es wäre ein Scherz, als mir mein Ingenieur über Funk meine Platzierung durchgesagt hat. Das hatte ich nicht erwartet, und es ist auch zu viel, wenn man meine Performance neutral beurteilt. Ich war nach meinen Testfahrten sehr optimistisch, fürchtete aber nach der ersten Session, in der ich mit Abstand Letzter war, dass es mein Schicksal an diesem Wochenende sein würde, weit hinterherzufahren. Das Problem war, dass ich aufgrund der ständig wechselnden äußeren Bedingungen nicht in der Lage war, kontinuierlich von Session zu Session auf meinen Erfahrungen aufzubauen. Denn jedes Mal, wenn ich auf die Strecke ging, war alles anders als zuvor. Vor diesem Hintergrund ist der fünfte Platz, noch dazu mit guten und konkurrenzfähigen Rundenzeiten, natürlich fantastisch. Er fühlt sich an wie eine Goldmedaille.“
Was haben Sie am meisten genossen?
Zanardi: „Die gemeinsame Zeit mit all den Leuten, die mir geholfen haben, dieses Wochenende in Misano möglich zu machen und durchzuziehen.“
Was war die größte Herausforderung?
Zanardi: „Den BMW M4 DTM auf der Strecke zu halten (lacht). Aber ich habe es hinbekommen. Ich habe in meiner Karriere viele Rennen gewonnen und denke, dass ich auch heute noch die Fähigkeiten habe, ein Fahrzeug wie den BMW M4 DTM am Limit zu bewegen. Aber im Vergleich zu den anderen Fahrern hat mir einfach die spezifische DTM-Erfahrung gefehlt.“
Wie sind Sie in die BMW und in die DTM-Familie aufgenommen worden?
Zanardi: „Die DTM-Familie hat mich sehr gut aufgenommen, und ich habe mich in Misano sehr willkommen gefühlt. Dafür vielen Dank! Was meine BMW Familie und speziell mein Team angeht: Sie haben mir das Gefühl gegeben – und ich konnte es auch in ihren Augen sehen – dass sie sich mit ihrer Aufgabe sehr wohl gefühlt haben und dass ich genau der Mann war, den sie gerne in ihrem Fahrzeug haben wollten. Das Ziel dabei war nicht, das Rennen zu gewinnen. Es ging darum, dass ich im Rahmen meiner Möglichkeiten das Beste aus dem Fahrzeug herausholen kann. Mit diesem Ziel haben sich alle im Team identifiziert – das war für mich unbezahlbar. Dieses Gefühl werde ich für immer in meinem Herzen tragen. Das Wochenende war absolut einzigartig.“
Auch die italienischen Fans haben Sie begeistert empfangen.
Zanardi: „Sagen wir es mal so: Ich glaube, ich war in meinem Leben der Protagonist von so manch romantischer Geschichte, die letztlich das Happy-End hatte, auf das die Leute gehofft hatten. Ich habe ein paar Dinge geschafft, die man mir körperlich vielleicht nicht zutrauen konnte. An einem Tag wie diesem steht man dann abends vor dem Spiegel und ruft sich alles in Erinnerung, was man in den vielen Jahren erlebt hat. Es ist magisch zu wissen, dass sich so viele Menschen mit dem, was ich tue, derart identifizieren. Das macht mich unglaublich stolz.“
Bei allen Onboard-Aufnahmen war beeindruckend zu sehen, wie viele Dinge Sie gleichzeitig mit Ihren Händen gemacht haben.
Zanardi: „Stimmt, das war schon ziemlich akrobatisch (lacht). Aber ich habe ja nun einmal keine andere Möglichkeit, von daher habe ich mich schnell darauf eingestellt. Wenn man sich erst einmal auf die Aufgabe eingelassen hat, sind manche Sachen gar nicht mehr so schwierig, wie man am Anfang gedacht hat. Ich habe intensiv mit den Ingenieuren in München an der bestmöglichen Lösung für mich getüftelt, und ich denke, wir haben ein hervorragendes System gefunden. Wir haben damit einen riesigen Schritt nach vorn gemacht und eine ausgezeichnete Basis für meinen geplanten Start bei den 24 Stunden von Daytona 2019. Ich glaube, wenn es eine Herausforderung gäbe, 24 Stunden am Stück zu fahren, ich könnte das mit diesem System rein physisch tun. Ich wäre danach sicher nicht mehr taufrisch, aber gehen würde es (lacht). Vielen Dank an alle Beteiligten für ihre Neugier und ihren Ehrgeiz, aus mir einen noch besseren Rennfahrer zu machen. Ich kann es kaum erwarten, die Vorbereitung auf Daytona fortzusetzen.“