In einem Interview mit BMW Motorsport erklärt der italienische Ausnahmesportler Alex Zanardi, warum er trotz Behinderung kein erhöhtes Risiko für seine Sicherheit in der DTM sieht. Der ehemalige Formel 1-Fahrer und langjährige BMW Markenbotschafter hatte nach einem schweren Unfall am Lausitzring beide Beine verloren, sich davon aber nicht entmutigen lassen und stattdessen gemeinsam mit BMW Lösungen gefunden, um auch weiterhin aktiv an Rennen teilnehmen zu können.
Ein besonderes Highlight nach seiner Rückkehr in den Motorsport wird ein Gaststart bei der DTM 2018 in Misano sein. Alex Zanardi wird am Steuer eines BMW M4 DTM sitzen und das speziell für ihn umgebaute Fahrzeug in einer der anspruchsvollsten und engsten Rennserien der Welt bewegen. Warum er dabei ohne Bein-Prothesen fährt und ob sich daraus Sicherheits-Risiken ableiten, klärt das folgende Interview.
Alex, warum ist es für Sie komfortabler, ohne Prothesen zu fahren?
Alessandro Zanardi: „Der Grund liegt in der technischen Funktionsweise der Prothesen-Schäfte. Sie sitzen dank einer Art Vakuumeffekt fest, und das lässt natürlich keinerlei Transpiration zu. Aber die Gliedmaßen sind die ‚Kühlung’ unseres Körpers. Durch die Blutzirkulation durch unsere Extremitäten wird unsere Körpertemperatur gesenkt – mit Prothesen bin ich also praktisch wie ein Motor ohne Kühlung. Das hilft nicht gerade, wenn man im Cockpit eines Rennwagens sitzt, wo die Temperaturen oft über eine erträgliche Grenze steigen. Als wir uns Gedanken zum Projekt Daytona 2019 gemacht haben, sagte ich den Ingenieuren, dass dies die wesentliche Änderung sei, die wir probieren sollten. Und als ich das Angebot bekam, in Misano DTM zu fahren, hatten wir bereits genügend Vorarbeit geleistet und solche Fortschritte gemacht, dass ich denke, dass mir das Fahren ohne Prothesen potenziell auch in Bezug auf die Performance helfen könnte. Die Vorteile, die es mir körperlich bringt, werden mit jeder Runde größer. Man kann sich den Unterschied nicht vorstellen. Deshalb bin ich sicher, dass es auch für die beiden einstündigen Rennen mit dem BMW M4 DTM in Misano die bessere Option ist.“
Bisher sind Sie wie jeder andere Fahrer zum Auto gelaufen und eingestiegen. Wie werden Sie ohne Beinprothesen ins Auto kommen?
Zanardi: „Das Einsteigen ins Auto ist überhaupt kein Problem – ganz im Gegenteil, da ich beim Ein- und Aussteigen ohne Prothesen wesentlich agiler bin als mit. Es ist zehnmal einfacher für mich. Meine Beinprothesen dienen nur als eine Art Stütze, sonst für nichts. Ich muss sie über die Kraft meiner Arme ins Auto ziehen, und brauche die Arme, um das Gewicht meines Körpers hochzuziehen. Ohne Prothesen behindert mich also nichts in der Bewegung, und ich muss auch weniger Gewicht heben. Von daher bin ich wesentlich agiler. Der Plan ist, dass ich mit meinem Rollstuhl zum Auto fahre und dann ins Cockpit einsteige. Dasselbe dann beim Aussteigen. Und für den Fall, dass ich auf der Strecke stehenbleibe und schnell aus dem Auto muss: Das sieht vielleicht für Beobachter nicht so schön aus, aber ich versichere Ihnen, dass ich auf Gras oder Kies auf meinen Armen ohnehin schneller laufen kann als auf meinen künstlichen Beinen.“
Da Sie ohne Prothesen agiler sind, müsste die Bergung im Falle eines Unfalls sogar noch einfacher sein als bisher?
Zanardi: „Genau. Von daher war das noch nie ein Grund für Bedenken. Nicht für mich und auch nicht für die Leute, die mich seit Langem kennen.“
Stellen wir uns den Fall vor, dass Sie mit dem Auto im Kiesbett feststecken: Steigen Sie dann einfach aus und laufen auf Ihren Armen vom Auto weg?
Zanardi: „Ja. Wie ich schon sagte, sieht es nicht unbedingt großartig aus, wenn jemand so läuft. Aber Tatsache ist, dass es für mich ohne Prothesen einfacher wäre, mich vom Auto fortzubewegen, als mit – vor allem im Kies. Ich habe diese Erfahrung bereits gemacht. Es ist mir zwar irgendwie gelungen, mit Prothesen und ohne meine Stöcke durch das Kiesbett zu laufen, aber es war nicht einfach. Und die Wahrscheinlichkeit, dass ich einen Fuß falsch aufsetze und stürze, ist größer. Zwar wäre so ein Sturz nicht gefährlich für mich – ich habe viel Erfahrung im ‚Fallen’ – aber natürlich wäre ich in meiner Bewegung vom Auto weg langsamer.
Von daher ist es auch von diesem Gesichtspunkt aus die bessere Option. Das bedeutet nicht, dass es unsicher wäre, sollte ich jemals entscheiden, wieder mit Prothesen zu fahren. Es ist klar, dass wir uns über alle Aspekte im Detail Gedanken gemacht haben, denn wir wollten in Sachen Sicherheit kein Risiko eingehen – weder für mich, noch für BMW oder für andere. Wenn man etwas auf einem so hohen Niveau macht, muss man einfach das Thema Sicherheit ganz genau beleuchten. Und wir würden diese neue Abenteuer nicht angehen, wenn wir nicht das Gefühl hätten, dass wir in diesem Bereich alle Aspekte abgedeckt haben.“