Ein harter Brexit könnte sich direkt auf das Produktions-Netzwerk der BMW Group auswirken. Wie der für Zollfragen zuständige Manager Stephan Freismuth gegenüber der Financial Times sagte, könnte sich das Unternehmen unter Umständen zu drastischen Maßnahmen gezwungen sehen: Falls es zu dauerhaften Problemen mit der Lieferung von Teilen zu den britischen Werken in Oxford, Goodwood, Hams Hall und Swindon kommen sollte, könnte der Betrieb dort nicht länger kosteneffizient fortgesetzt werden.
Mit anderen Worten: Wenn es an der Grenze stockt, droht der gesamten BMW Group-Produktion in Großbritannien die Schließung. In Zeiten von Just-in-Time und Just-in-Sequence-Fertigung ohne große Lager am Ort der Produktion ist klar, wie wichtig eine zuverlässige Belieferung der Standorte mit den benötigten Komponenten ist. Die Schärfe dieser Aussage wurde seitens BMW allerdings wenige Stunden später relativiert. Wie das Manager Magazin unter Berufung auf die Nachrichten-Agentur Reuters berichtet, wird laut Ian Robertson derzeit nicht aktiv über eine Auslagerung der Produktion aus Großbritannien nachgedacht.
Die grundlegende Aussage, wonach Import-Probleme in Folge eines harten Brexit zu einem großen Problem für die britischen BMW-Werke werden könnte, wird damit aber nicht dementiert. Da rund 90 Prozent der in Oxford, Goodwood, Hams Hall und Swindon verbauten Teile vom europäischen Festland und nicht aus Großbritannien stammen, liegt die Problematik ohnehin auf der Hand.
Eine konstruktive Klärung der Zollfragen im Zusammenhang mit dem Brexit ist für die Fortsetzung der Produktion in England noch aus einem anderen Grund essenziell: Über 80 Prozent der in England gebauten MINIs und sogar über 90 Prozent der in Goodwood gebauten Rolls-Royce werden ins Ausland exportiert. Auch die in Hams Hall gebauten Motoren werden längst nicht nur in England verbaut. Sollten sich die EU und Großbritannien nicht auf eine sinnvolle Regelung der Zollfrage einigen können, könnte England als Standort erheblich teurer werden.
Die mit dem Brexit zusammenhängenden Fragen betreffen natürlich auch andere Autobauer, die Autos oder Teile in Großbritannien bauen. Eine spannende Zahl, die die enorme Bedeutung von problemloser Teile-Lieferung für ein modernes Automobilwerk unterstreicht, war in diesem Zusammenhang von Nissan zu hören: Die Fabrik der Japaner in Sunderland wäre bereits bei einem Stillstand der Produktion von 6 Minuten pro Tag nicht mehr profitabel – selbst wenn in den übrigen 22 Stunden und 54 Minuten eines 23-stündigen Arbeitstages alles nach Plan läuft.