Es ist Ende November 2017 und schwere Regenwolken hängen bedrohlich tief über den Tribünen des Hockenheimrings. Es herrscht kaltes Novemberwetter – ohne Wenn und Aber und ohne Aussicht auf Besserung. Wo sich sonst noch immer ein Optimist gefunden hat, der es am Horizont “schon heller” werden sieht, gibt es heute nichts als prüfende Blicke unter schützenden Vordächern. Zum Glück versteht es unser Gastgeber, die dichte Wolkendecke einfach wegzulächeln. Bruno Spengler hat eingeladen, um den Gewinnern des “Drive Like Bruno”-Events der BMW-Bank hier in Hockenheim einen einzigartigen Tag zu bescheren – und davon lässt sich der erfolgreiche DTM-Pilot durch ein bisschen Regen gewiss nicht abhalten.
Drei zentrale Programmpunkte stehen heute bis zum Einbruch der Dunkelheit auf dem Plan. Im Rahmen der BMW Driving Experience können die Teilnehmer Slalom- und Vollgas-Erfahrungen im BMW M3 sammeln, im Modul Discover BMW eine Runde mit dem Traum-Hybriden BMW i8 drehen und schließlich als Teil der BMW Racing Experience drei Runden in einem echten Formel BMW Rennwagen auf dem Hockenheim GP-Track fahren. Entsprechend aufgekratzt ist morgens um kurz nach Neun die Stimmung, als sich die Gruppe schnellen Schrittes durch den Nieselregen in Richtung Boxengasse bewegt. Die meisten Teilnehmer von “Drive like Bruno” fahren auch privat BMW – auf der Rennstrecke war vor dem Event allerdings kaum einer von ihnen unterwegs.
Für mich soll das Programm mit der Fahrt im Rennwagen losgehen, das Highlight des Tages folgt damit gewissermaßen gleich auf den ersten Kaffee. BMW FB02 lautet die recht emotionslose Bezeichnung des Formel-Renners, mit dem die Münchner zwischen 2002 und 2011 aktive Nachwuchsförderung für den Motorsport betrieben haben. Große Namen feierten im knappen Cockpit des FB02 Einheitsautos ihre ersten Meisterschaftstitel, darunter Sebastian Vettel und Nico Rosberg. Seit 2011 werden die besonders auf Sicherheit und Reparaturfreundlichkeit ausgelegten Formel BMWs nicht mehr regelmäßig im Rennbetrieb genutzt und kommen an nur wenigen Terminen im Jahr – zum Beispiel bei “Drive Like Bruno” – als Testobjekte für rennstreckenbegeisterte Amateurfahrer wieder auf die Strecke.
Ich stehe in einer improvisierten Umkleidekabine und versuche mich möglichst elegant in einen der feuerfesten Rennanzüge zu quetschen. Meine Gedanken kreisen irgendwo zwischen stabilem Optimismus – immerhin handelt es sich bei den Rennwagen um echte Einstiegsautos für 15-jährige! – und anfliegender Panik, da draußen der einkehrende Winter die Strecke unter Wasser setzt und die Autos natürlich vollends auf Fahrer-Assistenten wie ABS oder ESP verzichten. Kurz später sammelt sich die Gruppe in der Garage nebenan zur theoretischen Besprechung.
Zumindest auf den ersten Blick verzichtet der BMW FB02 auf die üblichen Stammtisch-Superlative. Mit 140 PS leistet der 1,2 Liter große Motorrad-Vierzylinder im Heck so viel wie ein Durchschnitts-Golf. Das Gewicht macht hier allerdings den Unterschied: gerade einmal 465 Kilogramm bringt der Rennwagen fahrfertig auf die Waage. Die Beschleunigungszeit von Null auf Hundert liegt bei 3,5 Sekunden, die Spitze bei 230 km/h.
Als die Instruktoren gerade das Anfahren mit dem sequentiellen Sechsgang-Getriebe erklären, betritt Bruno Spengler den Raum. Sein Lächeln hat der Profi-Rennfahrer kurzzeitig abgelegt, stattdessen kommt mit gewisser Betroffenheit die bereits befürchtete Ansage: die Strecke ist einfach zu nass, die Bedingungen trotz Regenreifen zu unsicher. Zumindest am Vormittag müssen die Rennwagen in der Garage bleiben. Dafür verspricht Bruno Renntaxi-Runden, damit sich jeder selbst ein Bild von der Situation machen kann – die Enttäuschung ist nach wenigen Minuten vergessen.
Nachwuchs-Rennfahrer Nico Menzel fährt uns mit routinierter Entschlossenheit in einer BMW M3 Competition Limousine um den 4,57 Kilometer langen Track. Es ist wirklich unwirtlich da draußen. Bis zum dritten Gang drehen die Räder durch und in jeder der 17 Kurven drängen die 450 PS das Heck in den Drift. Menzel lenkt entschlossen gegen und fängt ein, was andere längst für verloren erklärt hätten. Es ist angenehm, gerade nicht in einem Formel BMW Auto zu sitzen. Doch am Nachmittag folgt der nächste Versuch.
Nach einer regenfreien Mittagspause kommt Bewegung in die Box. Eine Handvoll BMW FB02 wird aus der Garage gerollt und aufgereiht. So schnell es geht wechsle ich zum zweiten Mal in den Rennanzug und falte kurz später meine Beine tatsächlich ins absurd enge Cockpit des Rennwagens. Während mich ein Mechaniker auf dem ungepolsterten Sitz vertäut, fängt es wieder an zu Nieseln. Kein ESP, nicht einmal ABS – jetzt gleich bloß nicht abfliegen. Mit hellem Kreischen rollen wir aus der Box und es gibt kein Zurück.
Gnadenlos dreht der Motorradmotor hoch und ebenso vehement schießt FB02 nach vorn. Gischt von den Reifen des Vordermannes spritzt mir aufs Visier als wir uns der Parabolika nähern. Anbremsen auf die erste Kurve. Ich versuche die Bremse zu dosieren und mir nicht auszumalen was passiert, wenn jetzt die Räder blockieren. Runterschalten mit Zwischengas – ungewohnt. Dann Einlenken und gleich weiter zum nächsten Problem: Beschleunigung aus der Kurve. Der Grenzbereich des Formel-Wagens ist auf nasser Strecke zumindest für mich als Renn-Anfänger so kalkulierbar wie ein Blitzeinschlag, der gefürchtete Dreher nur eine winzige Unaufmerksamkeit entfernt. Also dann: Vollgas.
Der Hochgeschwindigkeitsabschnitt des Hockenheimrings fühlt sich surreal an, wenn man eigentlich an der frischen Luft ist. Gnadenlos zerrt der Fahrtwind an meinem Helm. Mit der linken Hand halte ich das dünne Rennlenkrad umklammert um mit rechts abwechselnd zu schalten und das Visier von der Gischt zu befreien. Ich verfluche den November, bremse früh und hoffe inständig auf Gnade in der Spitzkehre. Kreischend setzt der Vierzylinder zur nächsten Beschleunigung an. Glück gehabt – weiter geht’s.
Dreher seien bei dem Wetter eigentlich vorprogrammiert, hieß es eben in der Box. Ich hoffe auf mein Fingerspitzengefühl, vermisse Nico Menzel und seinen M3. Verschwommen schiebt sich in der zweiten Runde die menschenleere Mercedes-Benz Tribüne ins Bild. Während ich am Scheitelpunkt der Kurve beschleunige, nehme ich noch ein kleines Rinnsal wahr, das sich munter in Richtung der Kerbs träufelt und diesen kleinen Unterschied zwischen feuchter Strecke und nassem Asphalt markiert. Game Over.
Der Dreher kommt abrupt und ohne spürbare Ankündigung. Das Heck bricht aus, gefolgt von einem kurzen Moment der Desorientierung. Fast auf der Stelle kommt der BMW FB02 zum Stehen. Offensichtlich ist alles in Ordnung. Einlenken, Anfahren – weiter geht’s. Mit größter Vorsicht absolvieren wir noch eine dritte, letzte Runde, bremsen sachte an und beschleunigen maßvoll.
Am Ende überwiegt bei aller Anspannung die Begeisterung für das kompromisslose und pure Fahrgefühl des Formel-Renners. Bei aller Eignung für Anfänger vermittelt der FB02 auf beeindruckende Weise ein Bild von den Fähigkeiten die es braucht, um solch ein Fahrzeug im Kampf um Zehntelsekunden auf der Rennstrecke zu bewegen. Trotzdem bin ich froh, als wir schließlich nach einer ewigen Viertelstunde zurück in die Box rollen. Bruno lächelt. Im Oktober 2018 will die BMW-Bank zu einem weiteren, lifestyligen Kunden-Event auf den Salzburgring laden. Der Titel diesmal: “Meet the Champs”. Hoffentlich ohne unwirtliches Winterwetter.
Text: Jonas Eling
Fotos: Hanna Coco