Auf den ersten Blick schließt der neue BMW X2 lediglich eine Lücke in der bisher fünfköpfigen X-Familie, aber der erste Eindruck könnte kaum trügerischer sein. Klar, der X2 ist ein enger Verwandter des X1, aber er geht in vielen Aspekten auch seinen ganz eigenen Weg – und kümmert sich wenig darum, was in der Familie bisher üblich war. Nieren sind oben breiter als unten? Ein Logo auf der C-Säule trug noch kein X-Modell? M Sport und xLine sind zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe? Mag bisher so gewesen sein, ist dem X2 aber herzlich egal.
Schon vor dem Einsteigen für den ersten Fahrbericht zeigt sich der BMW X2 als Rebell unter den X-Modellen, als eigenständiges und unstrittig emanzipiertes Modell. Ob das genügt, um die Herzen der Kundschaft im Sturm zu erobern, kann nur die Zukunft zeigen – klar ist aber, dass der BMW X2 mit seiner etwas unkonventionelleren Art für Aufsehen sorgen dürfte. Er überschreitet an einigen Stellen ganz bewusst Grenzen und bricht mit Regeln, die eigentlich unumstößlich schienen. Und so steht man plötzlich vor einem Testwagen, dessen Nieren unten breiter sind als oben, der ein prominentes BMW-Logo provokant auf der C-Säule trägt und der mit dem Ausstattungspaket M Sport X die Grenzen zwischen Dynamik- und Offroad-Schwerpunkt verwischt.
Fahrbericht BMW X2 2018: Eigene Regeln in der City
Eigenständigkeit und Charakter allein wären allerdings viel zu wenig, um im hart umkämpften Segment der City-SUV mit Premium-Anspruch auf Dauer bestehen zu können. Deshalb versteht es sich von selbst, dass der BMW X2 mehr als nur spezielles Design zu bieten hat: Aufbauend auf dem Bestseller X1 kommt auch der neue Lifestyler unter den X-Modellen mit viel moderner Technik und zeigt, was sich auf Basis der BMW UKL-Architektur für Fahrzeuge mit Frontantrieb alles bauen lässt.
Während es beim Exterieur mit Ausnahme der Antennen-Finne auf dem Dach und den Türgriffen keinerlei Gleichteile mit dem X1 gibt, wurde das Interieur weitgehend unverändert vom kleinen Bruder übernommen. Das Cockpit gefällt unter anderem mit einem ‘echten’ Head-Up-Display ohne Scheibe, vielen Möglichkeiten zur Individualisierung bis hin zu goldenen Kontrastnähten und dem vom jüngsten 1er- und 2er-Facelift bekannten Instrumenten-Display im Black Panel-Look. Optionen wie das iDrive-System mit Live-Kacheln und Touchscreen, Wireless Charging für Qi-fähige Mobiltelefone oder das große Panorama-Glasdach machen nicht nur in der City Eindruck, sie machen auch Langstrecken-Fahrten noch komfortabler.
Erstaunlich komfortabel ist der BMW X2 selbst dann noch, wenn er wie unser Testwagen mit den 19 Zoll großen Leichtmetallrädern des M Sport X-Pakets ausgerüstet ist. Der Allradantrieb xDrive entspricht dem aller UKL-Modelle mit zusätzlichem Antrieb der Hinterräder, auch im X2 stellt eine Haldex-V-Kupplung im Bedarfsfall den Kraftschluss zur Hinterachse her. Im Fall des BMW X2 ist xDrive stets mit der beim X1 optionalen Performance Control ausgerüstet und funktioniert erstaunlich gut: Weil die Kraftverteilung bereits angepasst wird, bevor die Vorderräder ihre Haftung verlieren, fühlt sich der X2 mit xDrive keinen Moment lang wie ein Fronttriebler an.
Selbst wer es darauf anlegt und die Vorderräder mit den 190 PS und 400 Newtonmeter des Vierzylinder-Dieselmotors überfordern will, erntet lediglich die Traktion von vier angetriebenen Rädern. Gerade auf den kurvigen Straßen im portugiesischen Hinterland liefert der BMW X2 eine unterhaltsame Vorstellung ab, die alle Befürchtungen über mangelnden Fahrspaß schnell vergessen lässt. Sicher, der von heckgetriebenen BMW gewohnte Hang zum Leistungsübersteuern ist dem X2 fremd, aber im Alltag der allermeisten Kunden spielt das bewusste Provozieren instabiler Fahrzustände bekanntlich nicht die geringste Rolle. Und mit seinem präzisen Einlenkverhalten und der agilen Vorderachse eignet sich der X2 zweifellos, um seinem Fahrer immer wieder ein Grinsen ins Gesicht zu zaubern.
Während man dem BMW X2 also keinen Mangel an Fahrspaß vorwerfen kann, gibt es an anderen Stellen durchaus noch Raum für kleinere Verbesserungen. So gibt es für die Voll-LED-Scheinwerfer des X2 keine Selective Beam-Funktion zum Ausblenden anderer Verkehrsteilnehmer und die Assistenzsysteme befinden sich zwar auf klassenüblichem Niveau, setzen aber keine Maßstäbe und bieten erwartungsgemäß nicht die gleichen Umfänge wie in den größeren BMW-Neuheiten der jüngeren Vergangenheit.
Unterm Strich gehört der BMW X2 dennoch zu den spannendsten und modernsten Angeboten seiner Klasse, lässt sich als einziger mit echtem HUD ausrüsten und wird viele Kunden und Kundinnen nicht zuletzt mit seinem frechen Design überzeugen. Um das neue Designer-Stück unter den Kompakt-SUV fahren zu dürfen, sollte man nicht knausrig sein. Ein Exemplar wie der von uns gefahrene BMW X2 xDrive20d mit M Sport X Paket und umfangreicher Ausstattung knackt mühelos die 50.000-Euro-Marke und beweist, was in der Autobranche fast schon Grundgesetz-Charakter hat: Wer schön und individuell unterwegs sein will, musste schon immer etwas tiefer in die Tasche greifen.