In einem Ausblick auf das Jahr 2018 hat sich BMW Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich ausführlich zu den wichtigsten Themen im Zusammenhang mit der Mobilität der Zukunft geäußert. Ein besonderer Schwerpunkt dabei ist das autonome Fahren, das die BMW Group im Jahr 2021 mit dem BMW iNext in Serie bringen will. Das Ziel ist dabei, bereits zum Marktstart alle Voraussetzungen für autonomes Fahren Level 5 – also völlig ohne Zutun des menschlichen Fahrers – an Bord zu haben. Vor welchen Herausforderungen das Unternehmen dabei steht und wie komplex das Thema ist, erklärt Fröhlich ausführlich.
Ein weiteres zentrales Thema der nächsten Jahre ist die weitere Integration von elektrischen und elektrifizierten Antrieben und Antriebssträngen. Elektroautos und Plug-in-Hybride sind dabei aus Sicht von BMW die neue Normalität und keineswegs Zukunftsmusik. Schon in diesem Jahr werden schließlich 100.000 Fahrzeuge mit elektrifiziertem Antrieb verkauft, in den kommenden Jahren wird der Anteil weiter zulegen. Wie das Unternehmen auch diese Herausforderung meistern will und wie das Unternehmen auch auf diesen Themengebieten seinem Anspruch der Technologieführerschaft gerecht werden kann, hat Klaus Fröhlich in seiner Rede auf dem neuen Campus für autonomes Fahren ebenfalls angesprochen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Willkommen auf unserem Campus für autonomes Fahren!
Wir möchten Ihnen heute einen Einblick in unsere aktuelle Entwicklungsarbeit geben. Dieser zeigt, dass wir bereits voll das umsetzen, was wir Ihnen mit der Strategie NUMBER ONE > NEXT vor anderthalb Jahren angekündigt haben. Seit 2007 sind wir mit der Strategie Number ONE in eine neue Dimension hineingewachsen. Mit dieser Strategie haben wir unser Technologiepaket BMW EfficientDynamics und – besonders – BMW i auf die Straße gebracht – unser umfassendes Konzept für nachhaltige und zukunftsweisende Mobilität. Und mit Drive, Park und Charge NOW haben wir die dafür richtigen Services entwickelt.
Die Strategie Number ONE war erfolgreich.
Und auch die Weiterentwicklung aus 2016 – die Number ONE > NEXT hat mit den Themen Digitalisierung, autonomes Fahren und dem breiten Ausrollen der Elektromobilität die richtigen Inhalte ergänzt. Sie ist schon in voller Umsetzung und wird uns wieder einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Unsere Entwicklungsarbeit, unsere Innovationskraft waren und sind die Grundlage dafür. Um unsere Ziele zu erreichen, nutzen wir auch neue Ansätze. So haben wir uns bereits mit dem Start der Strategieumsetzung in 2016 in der Forschung & Entwicklung organisatorisch neu aufgestellt.
Dabei richten wir uns konsequent an den zwei wesentlichen Schwerpunkten aus:
- Digitalisierung mit dem Ausbau der Connectivity, dem Einsatz künstlicher Intelligenz und der Entwicklung autonom fahrender Premium-Automobile.
- Antriebstechnik mit EfficientDynamics NEXT bei den Verbrennungsmotoren und der Entwicklung teil- und voll-elektrifizierter Fahrzeuge mit Batterie- aber auch mit Brennstoffzellentechnologie.
Der Wegbereiter bei der Vielzahl an Zukunftstechnologien ist für uns der iNEXT. Damit befähigen wir das gesamte Unternehmen und alle Marken für die Themen der Zukunft. Und bei ihm wachsen diese Innovationen und Technologien mit einem futuristischen Exterieur- und Interieur-Design zusammen. Der BMW iNEXT wird 2021 unsere strategischen Innovationsfelder für die Zukunft der Mobilität integriert auf die Straße bringen.
Lassen Sie mich als erstes auf das Thema Antriebstechnik eingehen.
Der Trend zur Elektromobilität ist unumkehrbar, aber er wird sich über die Welt unterschiedlich und vor allem unterschiedlich schnell durchsetzen. Märkte und Kunden auf der ganzen Welt werden noch lange sehr verschiedene Antriebe nachfragen. Für die Automobilindustrie ergibt sich damit zunehmend die Herausforderung, trotz unterschiedlicher Gesetzgebungen, diese mit weltweit einheitlichen Technologien zu erfüllen.
Drei Beispiele:
- In Europa wird der CO2-Flottengrenzwert bis 2020 auf 95g/km festgelegt. Dennoch sehen wir zusätzlich eine Vielzahl an heterogenen – teilweise konkurrierenden – landesspezifischen Einzelregulierungen.
- Der Markt in China ist fast vollständig vom nationalen Gesetzgeber beeinflusst und in den USA spielt sich die Elektromobilität hauptsächlich an Ost- und Westküste ab. Dort gibt es für die Hersteller das ZEV-Mandat; der Kunde ist bei Gallonen-Preisen unter drei Dollar noch immer sehr leistungsorientiert.
- In Summe prägen politische Stakeholder derzeit die Gesetzgebung stark. Die Grenzen der technischen und zeitlichen Realisierbarkeit sind bei ihren Entscheidungen oft nachrangig.
Technologie-Entscheidungen und -Entwicklungen sind deshalb oftmals weit vor der finalen Verabschiedung von Gesetzen notwendig.
Deshalb haben wir uns bereits 2010 als weltweit einziger Hersteller entschieden, dass wir ab dem nächsten Jahrzehnt in allen Klassen Autos aller Antriebe – je nach Marktwunsch – anbieten können: moderne, effiziente und saubere Verbrenner, Plug-in Hybride ab 2015 und zusätzlich ab 2021 auch mit vollelektrischem Batterieantrieb.
Aber: Nur wer bei E-Antrieben Kosten- und Funktionsführer ist, wird sich durchsetzen.
In diese volle Flexibilität investieren wir massiv und denken Elektromobilität in einem 360° Ansatz. So haben wir uns die höchste Kernkompetenz und Wertschöpfung bei E-Antrieben im Wettbewerb erarbeitet. Und hier machen wir mit vollem Fokus weiter. So investieren wir beispielsweise in unser neues Kompetenzzentrum Batteriezelle – für das wir vor wenigen Tagen den Grundstein gelegt haben – über 200 Millionen Euro.
Ob E-Maschine, Leistungselektronik oder Batteriesystem. Für uns gibt es nur Eigenentwicklung mit Build-to-Print-Kompetenz oder Eigenfertigung – das heißt: volles technisches Durchdringen der Systeme bei BMW; vom Rohstoff bis zum Recycling. Und Schritt für Schritt befähigen wir seit 2013 die Fahrzeugwerke für E-Antriebe, um auf Kundennachfrage reagieren zu können.
Damit haben wir für uns ideale technische Voraussetzungen geschaffen:
- Reine Batteriefahrzeuge werden in die Breite und in die großen Volumen gehen und volle Alltagstauglichkeit mit bis zu 700 km Reichweite haben.
- Die Plug-in Hybride werden als sogenannte ‚Power PHEV‘ mit bis zu 150 kW bezgl. Fahrfreude und mit bis zu 100 km bezüglich Reichweite neue Maßstäbe setzen.
- Und die verbrennungsmotorischen Antriebe werden mit 48-Volt Rekuperations-Systemen und weiterhin maximaler Emissionsabsenkung auch wieder Maßstäbe setzen.
Unsere uneingeschränkte Handlungsfähigkeit stellen wir durch unsere voll flexiblen Architekturen und Baukästen sicher. Künftig können wir mit unseren neuen Fahrzeug-Architekturen und hochflexiblen Fahrzeugwerken schnell entscheiden, welche und wie viele Modelle wir mit welchem Antrieb produzieren. Wir waren auch der einzige Hersteller, der schon 2010 entschieden hat, den PHEV in all unsere Architekturen für Heck- und Frontantrieb – wir nennen diese CLAR und FAAR – zu integrieren.
Und im Rahmen der Weiterentwicklung der beiden Architekturen und nachdem die Speicherenergieinhalte mehr als verdoppelt werden konnten, haben wir jetzt auch die Befähigung für die BEV Integration durchgeführt. Wir werden damit auf der einen Seite flexible Fahrzeugarchitekturen haben und auf der anderen Seite modulare Baukästen für Antriebe. Das erhöht unsere weltweite Handlungsfähigkeit einzigartig. Die schon 5. Generation unserer Elektroantriebe wird 2021 mit dem BMW iNext gelauncht.
Dabei handelt es sich um einen skalierbaren modularen Baukasten, was heißt, dass die Technologie dann auch in Modelle passt, die bis dann schon auf den Markt gekommen sind. So können wir jedes Modell je nach Marktnachfrage sowohl teil- als auch voll-elektrifizieren.
Unsere Anstrengungen zahlen sich schon heute aus:
- Bereits jetzt sind wir mit unserer dritten Generation einer der größten Anbieter von elektrifizierten Fahrzeugen – weltweit!
- Und haben als BMW schon einen dreimal höheren Marktanteil bei den E-Antrieben in Europa als bei den Verbrennern.
- Schon heute bieten wir 9 elektrifizierte Fahrzeuge an und werden allein dieses Jahr über 100.000 davon an unsere Kunden ausliefern.Und mit dem MINI BEV, dem vollelektrischen X3, dem
BMW iNEXT und dem BMW i Vision Dynamics geht das Modellfeuerwerk jetzt richtig los, so dass wir bis 2025 dann 25 voll- oder teilelektrifizierte Fahrzeuge anbieten werden – 12 davon voll elektrisch.Fazit:- Die Elektromobilität ist bei uns das ‚new normal‘.
- Alle Marken werden elektrifiziert.
- Damit haben wir das breiteste Angebot im Markt.
- Und dies bei voller Flexibilität und ohne Solitär-Plattformen.So werden wir auch in der Premium-Elektromobilität Number One – vor etablierten und neuen Wettbewerbern.
Lassen Sie mich nun zum zweiten Fokusthema des heutigen Tages kommen:
Autonomes Fahren und künstliche Intelligenz.
Auf dem Chart hinter mir sehen Sie unsere Meilensteine der letzten 10 Jahre bei der Entwicklung autonom fahrender Automobile. Es zeigt, dass wir schon früh an Lösungen für das autonome Fahren geforscht haben, als einige Unternehmen – die sich heute mit ‚Autopiloten‘ im Straßenverkehr versuchen – noch in ihren Kinderschuhen steckten.
Was wir aus eigener Kraft bereits sehr gut können ist die Motion Control, die Auslegung und Steuerung des Fahrzeugs über Antrieb, Fahrwerk, Bremsen und die gesamte Sensor- und Systemintegration – eine der Kernkompetenzen von uns. Für alles andere haben wir uns mit Intel, Mobileye, Delphi, Conti, Magna und FCA starke Partner an Bord geholt, die hier auf dem Campus gemeinsam mit uns Lösungen entwickeln.
Autonom fahrende Fahrzeuge werden die Funktion und den Gebrauch von Autos komplett verändern. Für uns steht dabei der Kundennutzen im Mittelpunkt. Bei uns wird immer der Kunde entscheiden, in welchem Modus er fährt. Ohne Wahlfreiheit ist für uns Freude am Fahren undenkbar.
In einer Vielzahl von BMW Modellen – beginnend mit dem BMW 7er bis zur gesamten Flotte – sind teilautomatisierte Assistenzsysteme bereits täglich im Einsatz. Sie erhöhen Sicherheit und Komfort unserer Kunden. So übernimmt ihr Auto nicht nur bis 60 km/h, sondern bereits seit 2015 bis 210 km/h die Spur und Längsführung auf der Autobahn für Sie.
Doch jetzt ist es richtig, nicht Schritt für Schritt, mühselig auf der Basis der niedrigen Levels von 2 nach 3 zu gehen. Wegen der Systemsprünge, der Zusatzanforderungen an Redundanz, Rechenleistung und Connectivity für vollautonomes Fahren müssen wir ab 2021 das Level 5 technologisch von Anfang an voll beherrschen.
Und dann können wir – je nach Kundenwunsch und rechtlichen Rahmenbedingungen – weltweit flexibel von Level 3 bis Level 5 den Automatisierungsgrad anbieten. Ganz im Sinne einer Baukastenlösung, wie Sie es von uns bereits bei der Elektromobilität kennen.
Bis dahin sind jedoch noch signifikante technologische Durchbrüche notwendig. Ich halte das sichere autonome Fahren – im Gegensatz zu manchen ‚Marketing-Genies‘ – für eine riesige Herausforderung. Autonom fahrende Fahrzeuge müssen vollvernetzt sein.
Hier sind wir bereits in Vorleistung gegangen:
Heute schon sind über 10 Millionen BMWs mit einer sogenannten ‚embedded SIM‘ in Serie – mehr als bei jedem anderen Hersteller. Zusätzlich bedarf es aber eines schnellen 5G-Netzes mit Datenraten von bis zu 10 Gigabits/s und hoher Verfügbarkeit. Und den freien Zugang zu einer HD Echtzeit-Karte. Deshalb haben wir auch mit Partnern den weltweit größten Kartendienst HERE erworben.
Im zweiten Schritt werden wir nun modernste Sensortechnologien für das Umfeldmodell und die Intelligenz im Fahrzeug industrialisieren. Wir entwickeln derzeit ein umfangreiches Sensorcluster aus Kameras, Radaren und Laserscannern gepaart mit künstlicher Intelligenz zum Erzeugen des Umfeldmodells über Datenfusion. Hier kooperieren wir mit den Industrieführern Intel und Mobileye – die auch hier direkt auf dem Campus sitzen und mit uns in neuartigen, agilen Arbeitsteams an der Zukunft der Mobilität arbeiten.
Die Herausforderungen beim sicheren autonomen Fahren sind massiv.
So brauchen wir aktuell – als ein Beispiel – in unserem gesamten Unternehmen ungefähr ein Datenvolumen von 60 Petabyte. Schon in Kürze wird sich unser bisheriges Volumen – mit der Datenfülle aus den autonomen Fahrzeugen – auf ca. 500 Petabyte erhöhen. Es geht um nichts mehr oder weniger, als die menschliche Sinneswahrnehmung und die Denk- und Entscheidungsleistung des Gehirns durch ein intelligentes System zu ersetzen.
Zur Bewältigung dieser Mammutaufgabe schaffen wir branchenübergreifende Kooperationen.
Hinzu kommt: sicherheitsrelevante Systeme sind langfristig keine Möglichkeit zur Differenzierung – es muss den weltweit besten Stand der Technik geben. Und deshalb treten immer mehr OEM und TIER1 unserer offenen Plattform bei, die sich damit zu dem Kompetenzzentrum für autonomes Fahren entwickelt.
Ich bin überzeugt: Die Zukunft der Automobilbranche hängt zwar auch von den Rahmenbedingungen und der Regulatorik ab, aber vor allem auch von unserem strategischen Weitblick und unserer Kooperationskompetenz. Unser Anspruch ist deshalb klar definiert: Wir wollen auch beim autonomen Fahren eine Führungsposition übernehmen. Dieses Ziel verfolgen wir konsequent weiter und schaffen systematisch die Rahmenbedingungen.
Kommen wir am Ende meiner Ausführungen noch zu einem weiteren wichtigen Punkt: Durch die Chancen der Digitalisierung und des autonomen Fahrens werden auch neue Möglichkeiten in der Nutzung des Fahrzeuginnenraums und der entsprechenden Benutzeroberflächen entstehen.
Der Anspruch an das Interieur und das Bedienerlebnis steigt stark an. Passgenaue – also ‚seamless‘ – Integration in das Lebensumfeld unserer Kunden ist gefordert. Diese muss personalisiert sein, Wünsche verstehen und vor allem wirklichen Kundenwert erzeugen. Die Bedienung selbst wird dabei komfortabel und intelligent sein. Freude am Fahren wird also in Zukunft über eine weitere Dimension definiert: die Möglichkeit, Zeit im Fahrzeug sinnvoll und entspannt für sich selbst oder mit anderen zu nutzen.
Und auch hier wollen wir wieder Trends setzen. Unser Anspruch daher ist: Wir erfinden das Interieurerlebnis neu! Wie das im Detail aussehen kann, zeigen wir Ihnen dann im nächsten Jahr.
Soweit mein Status zu unserer Technologieoffensive im Rahmen der NUMBER ONE > NEXT.