Im Zusammenhang mit dem Abgas-Skandal bei Volkswagen, den Töchtern des Konzerns und mittlerweile auch vielen anderen Autobauern ist eines immer wieder aufgefallen: Zwar sah sich auch BMW von Zeit zu Zeit Vorwürfen ausgesetzt, diese mussten aber bisher stets nach kurzer Zeit korrigiert und wieder zurückgenommen werden. Fakt ist: Bis heute wurde bei keinem einzigen BMW-Diesel eine illegale Manipulation der Abgasreinigung festgestellt. Die Behauptung, dass alle BMW-Modelle sämtliche für sie geltenden gesetzlichen Anforderungen erfüllen, konnte bis heute nicht widerlegt werden.
Dass es sich dabei nicht um einen bloßen Zufall oder mangelnde Sorgfalt auf Seiten der Testenden handelt, zeigt nun ein aktueller Bericht der Süddeutschen Zeitung. Unter der Überschrift “Audi – neidisch auf BMW” zitieren die Autoren einige interne Dokumente von Technikern der Audi AG, die sich der technischen Unterschiede in der Abgasreinigung und -nachbehandlung offenbar seit Jahren sehr bewusst waren. Durch die bei BMW gebräuchliche Kombination von AdBlue-Einspritzung und NOx-Speicherkatalysator sahen die Ingolstädter spätestens seit 2012 einen “Wettbewerbsnachteil” für ihre eigenen Motoren. Letztlich entschied man sich bei Audi aber offenbar dennoch gegen die technisch aufwändigere und daher auch teurere Lösung der BMW-Diesel.
Unstrittig ist unterdessen, dass auch BMW-Motoren im Alltag einen höheren Verbrauch und dementsprechend auch höhere Schadstoff-Emissionen zeigen als unter den Bedingungen des EU-Zyklus NEFZ. Dieser Umstand ist allerdings weder überraschend noch illegal, er ist vielmehr die logische Konsequenz aus dem seit vielen Jahren kritisierten Fahrzyklus – dieser entspricht mit seinen Anforderungen keineswegs dem gewöhnlichen Fahrverhalten der großen Mehrheit und liefert daher zu geringe Verbrauchswerte.
Auch das ist aber kein Problem, wenn man den NEFZ korrekt liest. Denn der EU-Zyklus wurde nie zur Simulation des Alltagsverbrauchs entwickelt: Er dient einzig und allein dazu, die Verbrauchswerte verschiedener Fahrzeuge vergleichbar zu machen, weil der Verbrauch stets unter den exakt gleichen Bedingungen ermittelt wird. Dass hierbei alle Hersteller sämtliche legalen Maßnahmen anwenden, mit denen sich der Verbrauch bei der Prüfstandsmessung reduzieren lässt, kann man ihnen kaum vorwerfen – jeder Marktteilnehmer versucht, sein eigenes Produkt so gut wie legal möglich aussehen zu lassen. Da bei einer NEFZ-Messung die gleichen Regeln für alle Hersteller gelten und der ermittelte Wert nicht als Verbrauchs-Vorschau für den Endkunden gedacht ist, ist die Praxis der legalen Optimierung von Fahrzeugen auf die Zyklus-Messung auch nicht verwerflich, sondern für eine optimale Präsentation der eigenen Produkte im Wettbewerbsumfeld schlicht unvermeidlich. Wer nicht das Maximum aus den Regeln herausholt, verschafft sich ohne Not einen Nachteil im Wettbewerb.
Immer wieder zu hören ist auch der Vorwurf, dass BMW sich ja nun doch an einem “Rückruf” für ältere Euro-5-Diesel beteilige und damit ebenfalls eine Art Schuldeingeständnis abgelegt habe. Auch hier liegt jedoch ein Missverständnis vor: Zunächst handelt es sich nicht um einen Rückruf, also nicht um eine von Behörden angeordnete Maßnahme zur Behebung eines vom Hersteller zu verantwortenden Missstands. Stattdessen handelt es sich um eine freiwillige Software-Maßnahme, mit deren Hilfe die Abgase ältere Diesel dank neuester Erkenntnisse besser gereinigt werden können. Das heißt ausdrücklich nicht, dass die älteren Diesel ihre Abgase bisher nicht korrekt gereinigt hätten und somit auch nicht, dass die betroffenen Motoren in irgendeiner Form illegal gewesen wären oder mehr Schadstoffe als erlaubt ausgestoßen hätten. Es heißt lediglich, dass man die Motor-Software mit heutigem Kenntnisstand so anpassen kann, dass es auch ohne Hardware-Modifikationen zu einem niedrigeren Schadstoff-Ausstoß kommt. Diese Emissionen werden wohlgemerkt niedriger sein, als sie vom Gesetzgeber zum damaligen Zeitpunkt verlangt wurden.
Wir dürfen gespannt sein, welche Entwicklungen und Hintergründe der Abgas-Skandal in den nächsten Wochen und Monaten noch ans Licht bringt. Die nächsten Enthüllungen und Interpretationen der Sachlage gibt es vielleicht schon morgen, wenn sich die Autobauer zum sogenannten Diesel-Gipfel treffen.