Die Bregenzer Seepromenade ist völlig menschenleer. Kein Wunder, schließlich ist es halb drei morgens. Hoffentlich finden wir gleich den Schlüssel zum Hotelzimmer, den uns der Besitzer des Wirtshauses hinterlegt haben will. „Fast wie bei James Bond“, findet Hanna auf dem Beifahrersitz und gähnt. „Naja, vielleicht ein bisschen weniger glamourös.“ Während den britischen Geheimagenten im Film „Ein Quantum Trost“ in Bregenz die Konfrontation mit seinen verbrecherischen Gegnern erwartet, hoffen wir nach endloser Autobahnhatz gerade nur noch auf ein paar Stunden Schlaf. Wenige Kilometer hinter der Stadt, machen wir schließlich im taghellen Licht der LED-Scheinwerfer den dunklen Gasthof aus und parken unser BMW 4er Cabrio knirschend auf dem kiesbedeckten Parkplatz.
Nach unserer Europareise mit dem BMW i3 und der Westküstentour im BMW M235i ist es an der Zeit für einen neuen Roadtrip. Diesmal suchen wir im sonnig-vernünftigen BMW 420d Cabrio den Kompromiss aus Fahrspaß an der frischen Luft und eiserner Alltagstauglichkeit. Von Kaffee begleitet beginnt der nächste Morgen gleich mit einem Blick aus dem Hotelzimmerfenster. Verhaltener Sonnenschein – Cabrio-Wetter. Perfekte Konditionen, um unseren Begleiter der nächsten Tage näher kennenzulernen. Im neuen Metallic-Farbton Snapper Rocks Blue sticht der Vierer selbstbewusst aus dem schwarz-silbernen Auto-Allerlei hervor, besonders wenn bei geöffnetem Dach das cognacfarbene Interieur zum Vorschein kommt.
Sorgsam choreografiert verschwinden die drei Teile des Metallklappdachs in der so gar nicht nach klobigem Klappdach-Cabrio aussehenden Heckpartie. Ein anderer Hotelgast verfolgt das Schauspiel aus seinem wohlgepflegten E46 Cabrio. „Viel Glück“, wünscht er mit skeptischem Blick auf unser Reisegepäck und fügt hinzu, dass er unheilbar zur „Stoffdach-Fraktion“ gehöre, allein schon wegen des größeren Kofferraums. Showdown am ersten Morgen; Gepäckraum-Tetris auf 220 Litern. Wenn’s jetzt nicht passt, wird’s peinlich. Per Knopfdruck heben wir die eingefaltete Dachkonstruktion ein Stück an und verstauen Taschen und Koffer bis zum letzten Zentimeter. Den wichtigsten Alltagstest besteht das 4er Cabrio punktgenau und ohne, dass sich einer von uns beim Packen übermäßig zurückgehalten hätte – nur Hannas Sonnenhut muss am Ende im Fond mitreisen.
Mit dezentem Diesel-Nageln erwacht der 190 PS starke Vierzylinder-Turbo aus der Nachtruhe. Endlich geht’s los, das Tagesprogramm ist straff: auf dem verschlungenen Albula-Pass wollen wir die Alpen queren und über Sankt Moritz Italien und den Comer See erreichen. 311 Kilometer liegen vor uns, die meisten davon auf Pass- und Landstraßen. Der offene Traum wird jedoch von einem nicht unerheblichen Zeitproblem begleitet: Spätestens 18 Uhr müssen wir unser Ziel in Cernobbio am Fuße des Sees erreichen, um pünktlich von der Weltpremiere des BMW 8er Concept berichten zu können. In feinster Fotografenmanier streicht Hanna gleich schon mal die Mittagspause – Foto-Stopps gehen vor.
BMW 420d Cabrio Roadtrip: Wer offen fährt, genießt den Moment
Wir biegen auf die Landstraße ab. Mit druckvoller Beschleunigung setzt sich der 420d seinem gewissen Einstiegsmotoren-Spirit entgegen. Hanna genießt mit säuselndem Nackenwärmer und Sitzheizung die Morgensonne und ich beschließe, die drängende Motorendiskussion auf den schriftlichen Teil unserer Reise zu vertagen – nämlich hierhin: Natürlich hätte der Stoffdach-Purist vom Hotelparkplatz für einen Reihensechser-Benziner unter der Motorhaube plädiert. Passt zum Cabrio, klingt super und ist einfach BMW. Eine durchaus nachvollziehbare Ansicht, der unser 420d jedoch ebenfalls ein paar stichhaltige Argumente entgegen bringt. So versteht sich das BMW 4er Cabrio 2017 als praktikabler Alltagsbegleiter und qualifiziert sich allein schon durch Grundpreise von rund 50.000 Euro eindeutig zum Erstwagen. Im Gegenzug bieten 4,8 Liter Diesel im Normverbrauch sowie das wohlgedämmte Metalldach die nötige Langstreckentauglichkeit. Im Winter also geschlossener Alltagsbetrieb in Deutschland, im Sommer dann offen nach Italien – klingt eigentlich nach einem gelungenen Kompromiss…
Der erste Tunnel bei Bregenz reißt mich aus meinen Gedanken. Mit dem dröhnenden Widerhall der übrigen Autos verschluckt uns der Berg. Dann und wann tropft es von der Decke, natürlich zielsicher in den Nacken. Zum Glück fahren wir gleich Pass. Bis dahin ist die adaptive Geschwindigkeitsbegrenzung unser bester Freund. Drakonische Strafen für Schnellfahrer und der anschwellende Feiertagsverkehr machen das System samt der neuen Stop und Go-Funktion zum äußerst sinnvollen Komfort-Extra. Das lange bewährte Head-up Display weist uns schon bald den Weg über die Schweizer Grenze. In der Ferne nähert sich das Hochgebirge, entlang des Rheintals wird es langsam spannend.
Wie geplant verlassen wir bei Sils im Domleschg die beliebte Reiseroute A13 und biegen ab in die alpine Traumlandschaft. Die Sonne, die Gerüche, das immer wiederkehrende Bimmeln der Kuhglocken – vergessen ist der Stress der Anreise, die Zeit, die Arbeit. Wer Cabrio fährt, genießt den Moment. Ein Schweizer im offenen SL lässt uns freundlich lächelnd vorbei. Wozu auch aggressiv fahren, wenn man im Freien sitzen kann? An einem der riesigen Holzstapel am Wegesrand zwingt Hanna zum ersten Foto-Halt. Langsam werden die Straßen kurviger und irgendwann lassen wir Wohnwagen Gespanne und was sonst überhaupt noch das Fahrvergnügen schmälern könnte hinter uns.
Erstmals taste ich mich durch die Einstellungsmöglichkeiten des BMW 4er Cabrio Facelift. Im Komfort-Modus verrichtet das optionale Steptronic Sport Getriebe des Testwagens seine Arbeit schnell und unauffällig und bezieht Informationen des Navigationssystems in die Schalt-Entscheidungen ein. Steht der Fahrerlebnisschalter auf Sport, nimmt der 420d das Gas direkter an und pirscht sich deutlich spritziger die Kurven entlang. Mit den optionalen Schaltwippen am Lenkrad holen wir uns aus der sonnenbeschienenen Reise-Lethargie – auch wenn man ohne dieses Extra abseits der Hochalpen in einem 420d gewiss nichts verpasst. Bis auf einige Motorradfahrer, die in teils halsbrecherischer Hatz vorbeieilen, sind wir auf dem Albula Pass fast allein unterwegs. Höher und höher geht es den Berg hinauf. Kurven werden zu Serpentinen, in denen Reifen und Sportfahrwerk geschickt die fast 1,8 Tonnen Leergewicht des Cabrios kaschieren. Die Luft wird dünner.
Irgendwann dann stehen wir plötzlich da. Hoch oben in einer surrealen Mondlandschaft jenseits der Baumgrenze. Der Bergwind pfeift mit 14 Grad, die Sonne brennt unerbittlich herab. Schnurgerade zieht sich die Bergstraße über das mit letzten Schneeresten gesprenkelte Hochplateau. Wir halten, staunen, fotografieren. “Wir müssen sowas von los”, unterbricht Hanna irgendwann die kurze Pause und hat leider recht. Knapp drei Stunden plant das stausensible Navi für die letzten 150 Kilometer nach Italien ein – die Concept Car Premiere rückt näher. Rasch treten wir also den langen Abstieg an, durchfahren das elegante Sankt Moritz im Schnelldurchlauf. Die vermögenden Schweizer wissen, was auf den Passstraßen Spaß macht. Immer wieder rauschen heisere 911er und absolute Exoten wie der KTM X-Bow vorbei, während wir erneut in die verordnete Gelassenheit eidgenössischer Tempolimits verfallen. Auch der kräftige, aber eben längst nicht übermotorisierte 420d fühlt sich zügig gleitend am wohlsten.
So schnell wie die saftigen Bergwiesen zur kargen Mondlandschaft geworden sind, ändert sich auch die Vegetation hinter der italienischen Grenze. Wir sind im Süden. Das Licht wird wärmer, die Straßen schmaler, der Verkehr – ganz nach gängigem Klischee – immer hektischer. Schließlich liegt vor uns um kurz vor fünf der Comer See. Die letzten Kilometer unserer heutigen Etappe spannen uns auf die Folter. Spiegel an Spiegel durchqueren wir auf der Uferstraße die Dörfer; Tapfer widersteht der Kollisionswarner immer wieder dem Drang zur Vollbremsung. Plötzlich herrscht kurz Stillstand, ein LKW zwängt sich vorüber und haucht uns in der sommerlichen Hitze seine Abgase entgegen. Dann geht es wieder weiter, die Zielzeit des Navis springt im Halbstunden-Takt hin und her. Auch James Bond hätte im Aston Martin jenseits der Verkehrsordnung nichts gegen den italienischen Feierabendverkehr ausrichten können. Nervös schwänzelt vor uns ein unfassbar lauter, originaler Fiat 500 Abarth hin und her bis wir schließlich doch noch kurz vor knapp das malerische Cernobbio erreichen. Verschwitzt, gehetzt – und dennoch auf eine Weise entspannt, wie sie nur Cabrio-Fahrer je erleben können. Die BMW 8er Concept Premiere kann kommen.
Im zweiten Teil unserer Reise erkunden wir die Bergstraßen rund um den Comer See und schildern unsere Eindrücke vom Concorso d’Eleganza Villa d’Este – einem der berühmtesten und exklusivsten Oldtimer-Events der Welt.
Text: Jonas Eling
Fotos: Hanna Coco
Bildbearbeitung: Benjamin Axtmann
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