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BMW Driving Experience Bilster Berg: “Nach dem Mittag gehen wir driften”

„Das Glück beginnt, wo man die Zeit vergisst.“ Es ist kurz nach Sieben und die „Weisheit des Tages“ im Frühstücksraum des Hotels entlockt uns ein erstes verschlafenes Grinsen. Nach der abendlichen Theorie-Schulung zum M Intensive Training der BMW Driving Experience ist völlig klar, dass der Tag auf der nahen Rennstrecke im Wesentlichen aus der gründlich zelebrierten Missachtung dieser Lebensweisheit bestehen wird. Zum Glück, zum Spaß, zur Sicherheit.

Eine gute Stunde und ein paar hastige Bissen Rührei später stehen wir in der kühl betonierten Boxengasse des Bilster Berg Drive Resorts. Uns gegenüber: fünfzehn neue BMW M4 Facelift mit dem optionalen Competition-Paket und Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, daneben ein gut gelaunter Marcus Willhardt, selbst Rennfahrer und erfahrener Instruktor der BMW Driving Experience. Routiniert gibt unser Trainer eine schnelle Einweisung in die Funktionen des Sport-Coupés und bewahrt dabei stets die Balance zwischen Humor und nötiger Autorität. Klare Ansagen sind ein wichtiger Teil des kontrollierten Übermuts, schließlich steht die Sicherheit auf der anspruchsvollen Strecke an erster Stelle. Also: „Finger weg vom ESP-Knopf!“.

Kurz später erwachen die Biturbo-Sechszylinder unter verheißungsvollem Knurren der Sport-Abgasanlagen und wir tauchen ab in die Parallelwelt der ungezügelten Längs- und Querdynamik abseits jedes öffentlichen Straßenverkehrs. Der BMW M4 im Competition-Trimm leistet 450 PS und beschleunigt in glatten vier Sekunden auf Tempo Hundert. Zeit für Vollgas? Definitiv – aber mit System. Fünf Autos mit jeweils zwei Teilnehmern bilden eine Gruppe, Marcus (auf der Rennstrecke ist man per „du“) fährt im BMW M3 vorneweg.

Wer sich unter einem BMW M Intensiv Training kopflose Kurvenhatz vorstellt, liegt falsch. An verschiedenen Stationen auf der Strecke werden die Fahrer allmählich an die Vorzüge umfassender Fahrzeugbeherrschung herangeführt, bis schließlich am Ende des Tages der gesamte Rundkurs mit geführten, dynamischen Pacecar-Runden befahren wird. Los geht’s also erst einmal mit der klassischen Fahrschul-Disziplin: Vollbremsung – allerdings mit Landstraßentempo und in einer Kurve. Was früher eine fahrerische Herausforderung mit vorprogrammiertem Ausflug ins Grüne gewesen wäre, regeln heute die elektronischen Helfer mit stoischer Sicherheit und minimalem Untersteuern. Zack! Stotternd kommt der mineralgraue M4 zum Stehen. Tadel über Funk: „Du musst das Auto nicht schonen! Tritt mal richtig in die Bremse!”

Bei fast allen sitzt der gemütliche Auto-Alltag tiefer als gedacht. Sei es die minimale Zurückhaltung beim Bremsen, die miese Sitzposition, der einhändige Griff ans Lenkrad. Doch die Zeit der Eingewöhnung am Bilster Berg ist schnell vorüber – es wird ernst: Slalom-Parcours samt Zeitnahme. Knallharter Wettbewerb. Plötzlich sitzen alle mit aufrechter Sitzlehne im Auto, die Hände links und rechts am Lenkrad, bereit zum Übergreifen. Runde um Runde jagen wir den BMW M4 mit tänzelndem Heck durch die Pylonen-Tore. Links, rechts, links. Bremsen, scharfe Rechtskurve. Mist, bisschen zu schnell – die Zehntelsekunden schwinden mit leichtem Schieben über die Vorderräder dahin, das ESP verweigert einen Wimpernschlag lang die Gasannahme. Noch drei Tore bis zum Ziel. Vollbremsung. Stillstand. Ganz außer Atem reihen wir uns wieder in die Warteschlange ein, werden mit jedem Versuch ein wenig schneller. Die letzten Raucher rauchen, die nächste Runde zählt. Über Funk gibt Marcus die Zeiten durch und das Grinsen wird breiter. Letzte Ansage vor der Pause: “Nach dem Mittagessen gehen wir driften!”.

Driften im Nasskreis: Quer fahren, mehr sehen

Die hohe Kunst des kontrollierten Querverkehrs sieht spielend einfach aus. Völlig mühelos lässt unser Instruktor seinen M3 über den gefluteten Asphalt fliegen und hält mit gezielten Gasstößen den Driftwinkel. Wir sitzen hinten und wünschen uns so kurz nach dem Mittag zurück auf den Platz links vorn. Unser Wunsch geht schnell in Erfüllung – “Learning by doing”. ESP ausschalten, manuellen Getriebemodus aktivieren und Vollgas im ersten Gang. Ansatzlos lässt die Hinterachse mit ihren 285er Bridgestone Potenza Breitreifen das Thema Traktion links liegen und setzt schwungvoll zum Überholvorgang an. Gegenlenken mit Übergreifen bis zum Anschlag, dann runter vom Gas und den Wagen wieder einfangen. Soweit die Theorie.

Driften im Nasskreis: der Instruktor zeigt im BMW M3, wie’s geht

Beide M4 im Nasskreis drehen eine synchrone Pirouette und eröffnen mit ihrem wilden Tanz das Auto-Ballett der Ungeübten. Rückwärtsgang, nächster Versuch. Unser Ziel, eine komplette Runde im Drift zu absolvieren, liegt noch viele Blicke aus dem Seitenfenster entfernt. Doch auch bei dieser Übung stellt sich der Lerneffekt schneller ein als gedacht. Die zögerlichen Gasstöße vom Anfang werden immer präziser, die Drifts länger, die Dreher seltener und umso ärgerlicher. “So, letzter Versuch”, heißt es aus den Boxen des Infotainment-Systems. Jetzt oder nie. Der anfängliche Stress ungewohnter Physik mündet in purem Vergnügen. Gas, Gas, Gas; kurz vor der Ausfahrt aus dem Kreis wird es noch einmal knapp. Geschafft. Lob aus dem Lautsprecher. Ab auf die Rennstrecke.

Auf 4,2 Kilometern bündelt die Teststrecke Bilster Berg neun Rechts- und 10 Linkskurven, von denen einige praktisch blind angefahren werden. Stück für Stück befahren nun auch wir den Rundkurs und lassen uns von Marcus Bremspunkte, “Mutkurven” und Vollgas-Abschnitte zeigen. An der “Mausefalle” stellen wir die Autos ab und steigen zu Fuß hinab in die unwirklich steile Senke mit ihren heftigen 26 Prozent Gefälle. Schwarze Striche führen rechts ins Kiesbett und dokumentieren stumm was passieren kann, wenn man sich allzu übermütig den Berg hinabstürzt. Zurück in der Boxengasse predigt Marcus Aufmerksamkeit und Selbstreflexion, warnt vor Übermut. Ein paar Minuten Zeit für Cola und Energy-Drinks, dann startet das dynamische Finale des BMW M Intensive Trainings.

Im Konvoi fliegen wir über den Kurs, Marcus gibt die Linie vor und passt dabei seinen Fahrstil den dynamischen Ambitionen des Hintermannes an. Runde nach Runde werden die Positionen getauscht, sodass jeder einmal direkt hinter dem Instruktor fährt. Die “Mausefalle” naht. Auto gerade stellen, kurz anbremsen, fallen lassen. In der Senke presst uns die Kompression in den Sitz als gäbe es keinen Morgen mehr, dann preschen wir mit Vollgas den Steilhang hinauf. Wie war das noch mit den schwarzen Streifen? Marcus hat die Lage im Griff. “Lächeln nicht vergessen!” Wie der Trainingsleiter in der folgenden Schikane noch Zeit für einen Blick in den Rückspiegel hatte, bleibt unklar.

Längst hat sich die Gruppe an die Vehemenz der 450 PS gewöhnt. Mit seinem klar kalkulierbaren Grenzbereich, blitzschnellen Gangwechseln und der rückmeldungsfreudigen Lenkung lässt sich der BMW M4 Competition fast spielerisch beherrschen. Die unscheinbare Hauptrolle spielen dabei jedoch die Reifen. Der 19 Zoll große Potenza S001 der M4-Flotte liefert mit einer Selbstverständlichkeit Grip und Fahrstabilität, dass die minimale Auflagefläche des Gummis völlig in Vergessenheit gerät – bis Marcus deutlich daran erinnert: “Spart niemals an den Reifen.”

Ein letztes Mal “Mausefalle”, dann die Schikane und zum Abschluss der Hochgeschwindigkeitsflug durch die “Mutkurve”. Natürlich muss man nicht driften können, um ein guter Autofahrer zu sein. Natürlich sollte man auf öffentlichen Straßen den Grenzbereich seines Autos nicht mal ansatzweise kennenlernen. Doch wenn wirklich mal etwas passiert, wenn man plötzlich ausweichen oder vollbremsen muss, dann ist es verdammt nützlich wenn man weiß, was man tut.

Als wir schließlich die BMW M4 in der Boxengasse aufreihen, die Motoren abschalten und Marcus um kurz nach Fünf zur Verabschiedung ruft, hat sich die “Weisheit des Tages” vom Anfang doch noch bewahrheitet. Wir haben die Zeit völlig vergessen – und jede einzelne Minute war ein echter Genuss.

Text: Jonas Eling
Fotos: Patrick Meise (6), Thomas Weber (3)

 

 

 

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