Ungewohnt offen wird derzeit über die Technik des BMW iNext gesprochen. Obwohl der Marktstart erst im zweiten Halbjahr 2021 erfolgen soll, nannte Produktionsvorstand Oliver Zipse bei einer Rede in Dingolfing zahlreiche spannende Details zur Technik des nächsten großen Leuchtturm-Projekts innerhalb der BMW Modellpalette. Er bestätigte dabei, dass der BMW iNext deutlich größer als die bisherigen i-Modelle ausfällt und sich somit für eine Zielgruppe anbietet, denen der Innenraum von i3 und i8 schlicht nicht groß genug war.
Wichtiger als seine Abmessungen ist aber die innotive Technik des BMW iNext: Das dritte i-Modell wird hochautomatisiert fahren können und dabei zunächst Stufe 3 des autonomen Fahrens beherrschen. Der Fahrer kann somit nicht nur offiziell die Hände vom Lenkrad nehmen, er darf auch den Blick abwenden und die Kontrolle dem Auto überlassen. Außerdem trägt der BMW iNext die grundsätzliche Befähigung für Stufe 4 und 5 des autonomen Fahrens an Bord, allerdings sind für eine Nutzung dieser letzten Schritte auf dem Weg zum automatisierten Fahren ohne jedes Zutun des Fahrers auch noch Anpassungen der Gesetzeslage notwendig.
Weil für das autonome Fahren mit Stufe 5 weder ein Lenkrad noch eine Pedalerie im Fahrzeug vorhanden sein müssen, wird sich auch das Interieur des BMW iNext grundlegend vom bisher üblichen Layout automobiler Innenräume unterscheiden. Neben modernster Vernetzung könnten wir dann auch eine Lösung mit versenkbarem Lenkrad sehen, wie sie bereits das Concept Car BMW Vision Next 100 angedeutet hat.
Keine Überraschung ist, dass der BMW iNext ohne Verbrennungsmotor auf den Markt kommen wird. Der rein elektrische Antrieb soll mit einer Reichweite kombiniert werden, die auch Kritiker überzeugt und auf keinen Fall zur Achillesverse des Fahrzeugs werden soll. Was BMW Produktionsvorstand Oliver Zipse sonst noch enthüllt hat, kann im ungekürzten Manuskript seiner Rede in Dingolfing nachgelesen werden:
Dieses Jahr gibt es zwei Jubiläen, die für den Standort Dingolfing bedeutsam sind. Erst im Januar haben wir 50 Jahre BMW in Niederbayern und Dingolfing gefeiert. Vor zehn Jahren – in 2007 – hat die BMW Group project i gestartet: den Weg des Unternehmens in die Elektromobilität. Dabei nimmt Dingolfing heute eine zentrale Rolle ein.
Das ist für uns ein guter Anlass, um Ihnen einen Überblick zu geben:
- Wo steht die BMW Group heute bei der Elektromobilität?
- Welche Rolle haben die deutschen Standorte in ihrer Kompetenz als Treiber von Spitzentechnologie?
- Und was können Sie in Zukunft von uns erwarten?
Liebe Frau Aigner,
meine Damen und Herren,
ich freue mich sehr, dass Sie zu uns gekommen sind.
Als die BMW Group vor zehn Jahren mit der Entwicklung von project i angefangen hat, war das erklärte Ziel: Ein Fahrzeug zu entwickeln, das den Anforderungen an eine moderne urbane Mobilität gerecht wird. Nachhaltig, emissionsfrei und vernetzt. Wir haben damals mindestens genauso viel Zuspruch wie Skepsis bekommen. Einerseits Lob für den Mut, dieses ehrgeizige Projekt auf den Weg zu bringen. Andererseits die Frage: Passt der elektrische Antrieb zur Marke und Geschichte von BMW?
Heute können wir definitiv sagen: Wir haben uns zur richtigen Zeit auf den richtigen Weg gemacht. In 2013 hat die BMW Group als erstes Ergebnis den vollelektrischen BMW i3 auf den Markt gebracht. Der BMW i3 ist weltweit das erfolgreichste Elektrofahrzeug in seinem Segment.
Wir verkaufen – entgegen dem normalen Produktlebenszyklus – jedes Jahr mehr Einheiten als im Vorjahr. Der Absatz des i3 wächst mit dem Ausbau der Ladeinfrastruktur mit. In 2014 haben wir dann den BMW i8 an Kunden ausgeliefert. Er hat gezeigt, was für einen Sportwagen möglich ist, wenn man einen konventionellen Antrieb und einen elektrischen Antrieb mit intelligenten Leichtbaumaßnahmen kombiniert. Diese Erfahrungen haben wir in unsere Kernmarken übertragen.Anders als vor zehn Jahren ist heute nicht mehr die Frage ob, sondern wann sich Elektromobilität großflächig am Markt durchsetzt. Die BMW Group hat letztes Jahr bereits über 62.000 elektrifizierte Fahrzeuge an Kunden ausgeliefert. Zu elektrifizierten Fahrzeugen gehören:
- Plug-in-Hybride, die den elektrischen Antrieb mit dem konventionellen Verbrennungs-Antrieb kombinieren. Hier ist die BMW Group Marktführer im Premiumsegment.
- Und rein elektrische Fahrzeuge wie der BMW i3, von dem wir letztes Jahr mehr als 25.500 Einheiten verkauft haben.
Diesen Weg gehen wir konsequent weiter:
Wir haben uns zum Ziel gesetzt, in 2017 weltweit 100.000 elektrifizierte Fahrzeuge an Kunden auszuliefern.
Allerdings sehen wir regional teils starke Unterschiede, wo wir diese Fahrzeuge verkaufen. Entscheidende Faktoren sind nicht nur passende Produktangebote, sondern auch die verfügbare Infrastruktur und staatliche Förderung.Ein sehr positives Beispiel ist hier Norwegen: Dort war in 2016 schon jeder zweite verkaufte BMW elektrifiziert. Im ersten Quartal 2017 waren sogar vier von zehn verkauften BMW in Norwegen BMW i3 Modelle. In 2016 hatten wir bei der Marke BMW weltweit einen durchschnittlichen Verkaufsanteil von 3,1% elektrifizierten Fahrzeugen. In Märkten wie den USA, UK, Frankreich oder Japan lag dieser Wert darüber: zwischen vier und fünf Prozent.
Deutschland lag mit 1,9% noch unter dem Durchschnitt. Auch hier sind wir mit unserem Modellangebot allerdings sehr gut positioniert: Im deutschen Markt für Elektrofahrzeuge hat BMW einen Marktanteil von über 22%. Das ist fast dreimal so hoch wie bei unseren BMW Modellen mit konventionellem Antrieb. Der BMW i3 ist in Deutschland das meistverkaufte Elektroauto überhaupt – die BMW Group ist Marktführer. Wir sehen deutlich: Je weiter die Lade-Infrastruktur hierzulande ausgebaut wird, desto mehr setzen sich Elektrofahrzeuge beim Kunden durch. Auch die weiter steigende Batteriekapazität hat einen großen Einfluss.
Wie viel Zukunft in Elektrofahrzeugen liegt, zeigen unsere Umfragen: 96% der Kunden, die einmal vollelektrisch gefahren sind, wollen das auf jeden Fall wieder tun. Wir haben in den letzten Jahren die notwendigen Voraussetzungen geschaffen, um diese Marktchancen zu nutzen. Aktuell haben wir neben dem vollelektrischen BMW i3 weltweit sieben Plug-in-Hybrid Fahrzeuge auf dem Markt. Im Juni kommt eine Plug-in-Hybrid Variante des MINI Countryman dazu. Und wir haben weitere Modelle in der Pipeline: In 2019 kommt der erste vollelektrische MINI. In 2020 ein vollelektrischer BMW X3.
In 2021 kommt der nächste große technische Höhepunkt der BMW Group: Wir bringen den BMW iNEXT auf den Markt. Das ist unser project i 2.0. Wie der BMW i3 und der i8 wird auch dieses Fahrzeug ein echter Innovationsträger. Er wird die neuesten Technologien in sich vereinen. Der iNEXT wird in mehrfacher Hinsicht herausragend sein. Wir können Ihnen heute schon sagen:
- Es wird ein größeres BMW i Fahrzeug werden.
- Er wird hochautomatisiert fahren können – das heißt mit Stufe 3. Der Fahrer kann sich mit Nebentätigkeiten beschäftigen. Für Stufe 4 und Stufe 5 wird der iNEXT technisch grundsätzlich befähigt sein. Stufe 4 heißt: Der Fahrer könnte sogar schlafen. Stufe 5 heißt: Lenkrad und Pedale werden prinzipiell nicht mehr benötigt. Passagiere haben keine verpflichtende Fahraufgabe mehr.
- Deshalb wird der iNEXT auch ein neues und zukunftsweisendes Interieur aufweisen und die modernsten Vernetzungstechnologien besitzen.
- Und selbstverständlich wird er voll elektrisch sein.
Wir werden den iNEXT hier im Werk Dingolfing produzieren. Dafür sprechen neben der Größe des Modells mehrere Gründe: Dingolfing hat große Erfahrung und Kompetenz im Anlauf komplexer Produkte. Das haben die Mitarbeiter in den letzten zwei Jahren mit dem neuen BMW 7er und dem neuen 5er erneut unter Beweis gestellt. Beides sind Fahrzeuge, die mit ihren Leichtbaukonzepten, ihrer vielfachen Sensorik und elektrifizierten Varianten sehr anspruchsvoll sind. Technologische Speerspitzen sind hier also nichts Ungewöhnliches.
Dazu kommt: In Niederbayern haben wir unser Kompetenzzentrum für Elektromobilität aufgebaut. In Dingolfing und Landshut fertigen wir Hochvoltspeicher, Elektro-Getriebe und Elektro-Motoren. Sowohl der 5er als auch der 7er laufen in Dingolfing als Plug- in-Hybride mit über die Bänder.
Die BMW Group hat beim elektrischen Antrieb einen klaren Anspruch:
Wir wollen die durchgängige Systemkompetenz im Haus haben. Das ist für uns wettbewerbskritisch. Bis auf die Batteriezelle und die Leistungselektronik fertigen wir alles selbst. Und auch dort sichern wir uns mit einem eigenen Batteriezell-Labor das notwendige Knowhow und die Entwicklungskompetenz.Damit folgen wir unserer Strategie:
- In einem ersten Schritt haben wir uns mit BMW i in Leipzig grundsätzlich befähigt.
- Dann haben wir den Elektroantrieb in unsere Kernmarken ausgerollt – und damit auch in die meisten anderen Fahrzeugwerke.
Vier Jahre nach Produktionsstart des BMW i3 in Leipzig bauen wir heute Plug-in-Hybride in München, Spartanburg, Dingolfing, im chinesischen Tiexi und in Dadong sowie bei VDL Nedcar.
So entwickeln wir alle Standorte weiter.- Jetzt kommen wir von der Singularität zur Normalität. Das heißt:
Von der grundsätzlichen Befähigung zum Ausrollen in der Großserie – verbunden mit einer möglichst engen Integration in die vorhandenen Strukturen. Bereits heute fertigen wir in der Montage Plug-in-Hybride und Verbrenner im Mix. Jetzt kommt die Integration von vollelektrischen Fahrzeugen dazu. Wir gestalten das BMW Produktionssystem so, dass wir in den Fertigungsstrukturen unserer Produktionsstandorte gleichzeitig Modelle mit Verbrennungsmotor, Plug-in-Hybrid oder einem vollelektrischen Antrieb bauen können. Damit erreichen wir eine einzigartige Flexibilität in der Planung und sind auf der Kostenseite optimal aufgestellt.
Prinzipiell gilt: Wir werden auch nur einen flexiblen Karosseriebau benötigen, der elektrische und Verbrenner-Varianten herstellen kann. Diese Agilität ist Kern unseres Produktionssystems. Für 2025 erwartet die BMW Group einen Verkaufsanteil elektrifizierter Fahrzeuge zwischen 15 und 25%.Wir stellen sicher: Wenn sich der Kunde für eine gewünschte Antriebsform entscheidet, können wir das realisieren.
Das Werk Dingolfing hat einen klaren und zukunftsgerichteten Auftrag: Als Kompetenzzentrum für Elektromobilität beliefert es unser gesamtes Produktionsnetzwerk mit Komponenten. Und es wird in einer Vorreiter-Rolle unsere Produktion für die neuen Technologien und Innovationen des iNEXT befähigen. Hier haben wir alles, was wir für die Produktion von Hochtechnologie benötigen: Innovationskraft, exzellente Infrastruktur und die notwendigen Fachkräfte mit der Kompetenz zur Systemintegration.
Deshalb bekennen wir uns zum Standort Deutschland – und schaffen auch weiterhin zukunftsfähige Beschäftigung.Bei der BMW Group sehen wir den technologischen Wandel als Chance. Wir sind sehr gut darauf vorbereitet.
Vielen Dank.