Vor ein paar Wochen durften wir uns ausführlich mit dem neuen Michelin Pilot Sport 4 S befassen und den Performance-Reifen aus Frankreich bei ganz verschiedenen Übungen erleben. Auf trockener Rennstrecke, auf verregneten Landstraßen, im Slalom oder bei einer Vollbremsung auf trockenem und nassem Untergrund – moderne Sportreifen müssen in zahlreichen Szenarien überzeugen und dürfen sich in keinem Kapitel wesentliche Schwächen erlauben.
Wir haben die Gelegenheit genutzt und uns ausführlich mit Hermann Götz über den neuen Reifen unterhalten. Er ist Produktverantwortlicher Sport- und Supersportreifen weltweit bei Michelin und weiß genau, worauf es bei einem guten Reifen ankommt. Natürlich haben wir dabei auch gefragt, welche Stärken der Michelin Pilot Sport 4 S im Vergleich zu seinem Vorgänger bietet und wo Michelin ihn im Vergleich zu seinen Wettbewerbern sieht.
BimmerToday.de: Wo liegen die speziellen Herausforderungen bei der Entwicklung eines Sportreifens?
Die Herausforderung liegt zum einen in der sehr hohen Leistung der Fahrzeuge, für die wir unsere MICHELIN Sportreifen entwickeln. Gleichzeitig müssen unsere Pneus auf extrem leistungsstarken Fahrzeugen nicht nur Fahrspaß bieten, sondern auch Sicherheitsreserven und hohen Fahrkomfort.
BimmerToday.de: Wie wichtig ist die Performance eines Sportreifens auf nassem Untergrund? Spielt die Regen-Performance bei der Entwicklung eine wichtige Rolle, auch in Abgrenzung zum Semislick, oder liegt der Fokus doch stärker auf trockenem Asphalt?
Wir möchten bei einem neuen Reifen alle Leistungsparameter weiter entwickeln. Dazu gehört auch, hervorragende Leistung bei unterschiedlichen Fahrbedingungen wie nasser oder trockener Fahrbahn zu bieten. Das ist Teil unserer Produktphilosophie, der Michelin Total Performance. Darunter verstehen wir unseren hohen Anspruch an unsere Produkte, stets mehrere Leistungsmerkmale in einem Reifen optimal zu vereinen. Das gilt natürlich auch für den Pilot Sport 4 S. Beim Semislick, dem MICHELIN Pilot Sport Cup 2, liegt der Fokus stärker auf trockenem Asphalt, da der Reifen überwiegend für den Gebrauch auf der Rennstrecke konzipiert ist und diese vor allem bei trockener Piste genutzt wird. Der MICHELIN Pilot Sport 4 S ist hingegen überwiegend für den Straßeneinsatz und den gelegentlichen Exkurs auf die Rennstrecke konzipiert. Klar, dass so ein Reifen auch über sehr gute Nass-Performance verfügen muss.
BimmerToday.de: Was zeichnet den Michelin Pilot Sport 4 S aus Ihrer Sicht besonders aus?
Der MICHELIN Pilot Sport 4 S bringt dem Fahrer eines Supersportwagens neben sportlichem Fahrvergnügen Komfort und Sicherheit, und das bei extrem hohen Geschwindigkeiten. Alle aktuell erhältlichen 42 Varianten für 19 oder 20 Zoll Räder verfügen über Geschwindigkeitsindex ZR (Y) für Höchstgeschwindigkeiten über 300 km/h, zwei Varianten vertragen sogar problemlos über 400 km/h. Wir haben den Reifen für das Fahren auf offener Straße ausgerichtet, er muss aber auch gelegentliche Ausflüge auf die Rennstrecke standhalten.
BimmerToday.de: In welchen Bereichen gibt es die größten Verbesserungen im Vergleich zum Vorgänger?
Der Vorgängerreifen, der MICHELIN Pilot Super Sport, konnte in seiner Klasse in vielen Leistungsbereichen punkten. Beim MICHELIN Pilot Sport 4 S wollten wir natürlich wieder vorne stehen. Wir haben die Leistungsparameter vom Vorgänger nochmals weiter verbessert und neueste Erkenntnisse aus dem Rennsport in die Entwicklung des neuen Pneus einfließen lassen. Das Ergebnis: schnellere Rundenzeiten, kürzere Bremswege und eine um 10 Prozent höhere Laufleistung im Vergleich zum Pilot Super Sport.
BimmerToday.de: Und wo sehen Sie den Reifen im Vergleich zum Wettbewerb?
Wir sehen den MICHELIN Pilot Sport 4 S ganz vorne. Unabhängige Tests, die die DEKRA bzw. der TÜV Süd durchgeführt haben, zeigen, dass der MICHELIN Pilot Sport 4 S in wichtigen Eigenschaften auf dem ersten Platz landet: beim Trockenhandling sowie beim Bremsen auf trockener und nasser Fahrbahn ist der Pilot Sport 4 S vorne. Und zu alledem weist der Reifen auch noch die höchste Laufleistung auf.
BimmerToday.de: Wie sieht die Zielgruppe für High-Performance-Reifen wie den Michelin Pilot Sport 4 S aus, welche Fahrzeuge werden von ihren Kunden in erster Linie gefahren?
Wir haben den MICHELIN Pilot Sport 4 S für leistungsstarke Limousinen und Supersportwagen entwickelt. Bereits jetzt zur Produkteinführung kommt er in der Erstausrüstung wie beim Ferrari GTC4Lusso oder den Mercedes-AMG E 63 4MATIC+ und Mercedes-AMG E 43 4 MATIC zum Einsatz. Weitere Freigaben werden dazu kommen, wir arbeiten derzeit an 60 Projekten.
BimmerToday.de: Unter diesen 60 Fahrzeugen gibt es sicherlich große Unterschiede hinsichtlich Gesamtgewicht und Gewichtsverteilung. Wie stellt man einen Reifen darauf ein, auch an so unterschiedlichen Autos zu funktionieren?
Wir arbeiten eng mit den Fahrzeugherstellern zusammen, so dass unsere Reifen optimal auf das jeweilige Fahrzeug angepasst werden können.
BimmerToday.de: Welchen Anteil an den Gesamtverkäufen machen Sportreifen wie der Pilot Sport 4 S für Michelin aus?
Sportreifen sind ein wachsender Markt, auf allen Kontinenten. Wir können sagen, dass somit der MICHELIN Pilot Sport 4 S für uns ein sehr wichtiges Produkt ist. Zahlen hierzu können wir selbstverständlich nicht nennen.
BimmerToday.de: Gibt es große regionale Unterschiede bei der Nachfrage nach Sportreifen? Wenn ja, wo liegen die wichtigsten Märkte?
Wir bieten Sportreifen wie den MICHELIN Pilot Sport 4 S weltweit an. Er wird in diesem Jahr nach und nach eingeführt. Seit Januar ist er auf dem europäischen Markt erhältlich, im März folgt der US-amerikanische und ab April folgen Asien und der Rest der Welt. Gerade Europa, USA und Teile Asiens sind für uns wichtige Märkte, auf denen der Anteil an Sport- bzw. Supersportwagen wächst und damit auch die Nachfrage an Supersportreifen.
BimmerToday.de: Michelin arbeitet auch mit Autobauern wie BMW zusammen, um perfekt auf Fahrzeuge wie den BMW M4 GTS zugeschnittene Reifen anbieten zu können. Wie groß sind die Unterschiede solcher speziellen Reifen-Spezifikationen zum Standard-Reifen mit auf den ersten Blick identischem Namen?
Die Entwicklung für Automobilhersteller ermöglicht uns, unsere Reifen exakt auf ein bestimmtes Fahrzeug auszurichten. Je nach Lastverteilung auf Vorder- und Hinterachse, Aufhängung und den besonderen Erwartungen des Fahrzeugherstellers konzipieren wir die Reifen so, dass sie perfekt auf jedes Fahrzeug passen.
Der BMW M4 GTS hat beispielsweise eine Mischbereifung, also unterschiedliche Dimensionen auf Vorder- und Hinterachse. Die Lastverteilung ist hier gleichmäßig auf Vorder- und Hinterachse verteilt, was sich auf das Fahrverhalten bei nasser und trockener Fahrbahn auswirkt. Auch das müssen wir bei der Reifenentwicklung berücksichtigen. BMW ist in der Reifenentwicklung ein sehr anspruchsvoller Partner, der uns zu Höchstleistungen antreibt – eine Herausforderung, die wir gerne annehmen.
BimmerToday.de: Lässt sich sagen, welcher Anteil der Gesamt-Performance eines Sportreifens auf den Aufbau, die Gummimischung und das Profil entfallen? Spielt eine dieser Zutaten die Hauptrolle und welche Wechselwirkungen sind bei der Konstruktion zu beachten?
Aufbau, Gummimischung und Profil spielen eng zusammen, ohne dass hier eine Komponente besonders hervorzuheben ist. Sie wirken allerdings aufeinander ein und müssen zusammenstimmen. Die Kunst besteht darin, die einzelnen Parameter so abzustimmen, dass wir das Maximum an Performance aus dem Reifen herausholen.
BimmerToday.de: Wie wichtig ist das Design eines Reifens für die Kunden? Spielen neben der knallharten Performance auch ästhetische Aspekte eine Rolle?
Das Design spielt für den Kunden natürlich auch eine ästhetische Rolle. Wir haben die sogenannte Velvet Reifenflanke für unsere Sportreifen entwickelt. Die Reifenflanke hat dabei eine bestimmte Struktur, die den Schriftzug und die Dimension des Reifens schon von weitem sichtbar macht. Neben dem neuen Pilot Sport 4 S wenden wir diese Technik auch auf den MICHELIN Pilot Sport Cup 2 und den MICHELIN Pilot Sport 4 an; damit sind unsere Sportreifen einzigartig.
BimmerToday.de: Wie stark kann Michelin bei der Entwicklung eines Straßenreifens auf Erfahrungen aus dem Motorsport zurückgreifen?
Die Erfahrungen aus dem Motorsport sind für uns sehr wichtig und ein wichtiger Grund für unser Engagement in verschiedenen Rennsportserien wie der WEC oder Formel E. Sie sind für uns das perfekte Testlabor, denn hier können wir Reifen für extreme Anforderungen entwickeln und unter extremen Bedingungen testen. Nehmen Sie als Beispiel die Bi-Compound-Technologie, die wir von den Formel E-Reifen übernommen haben. Ein weiteres Beispiel ist der Hybridgürtel aus einem Gemisch aus Aramid und Nylon. Diese Technologie haben wir erstmals beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans eingesetzt.
BimmerToday.de: Herr Götz, wir danken Ihnen für das informative Gespräch!