Betrachtet man das Datenblatt des neuen BMW M550i xDrive, schwelgt man beinahe unweigerlich in Erinnerungen. Vor uns steht eine Business-Limousine mit allen Annehmlichkeiten der modernen Oberklasse, die in 4,0 Sekunden von 0 auf 100 beschleunigen kann. Glatte vier Sekunden auf 100, das waren zu Beginn des Jahrtausends noch die Eckdaten der Sportwagen-Elite rund um Porsche 911 Turbo oder Ferrari 360 Challenge Stradale. Und hier steht noch nicht einmal das Topmodell der Baureihe, denn der 462 PS starke V8-Biturbo hat den Titel des stärksten BMW 5er G30 nur geliehen – im Hintergrund scharrt der neue M5 bereits kräftig mit den Hufen.
Im Jahr 2017 ticken die Uhren offenbar anders, und dabei vor allem ein gutes Stück schneller als vor wenigen Jahren. Aber der Fortschritt lässt sich nicht nur in den per Stoppuhr ermittelbaren Disziplinen erkennen, er ist auch eine Frage der Art und Weise. Denn wer denkt, dass der BMW M550i xDrive zur wilden und vor lauter Kraft kaum beherrschbaren Sorte zählt, unterschätzt das neunte BMW M Performance Automobil eklatant.
Fahrbericht BMW M550i xDrive: 462 PS, ganz ohne Krawall
Noch mehr Eindruck als die pure Kraft des V8-Biturbo, der sein volles Drehmoment von 650 Newtonmeter zwischen 1.800 und 4.750 U/min und somit praktisch in jeder Lebenslage zur Verfügung stellt, hinterlässt nämlich die Selbstverständlichkeit der Darreichung. Zwar hört man den von zwei TwinScroll-Turboladern unter Druck gesetzten Achtzylinder im Comfort und erst Recht im Eco Pro-Modus nur als dezentes Grollen aus der Ferne, seine Kraft ist aber ständig präsent: Überholvorgänge oder Zwischensprints auf der Autobahn schüttelt der BMW M550i gelassen aus dem Ärmel und wirkt dabei selbst dann nicht angestrengt, wenn der Fahrer das Gaspedal aus einer Laune heraus voll durchdrückt.
Seine dunklere und bösere Seite zeigt der BMW M550i G30, wenn der Fahrer in den Sport-Modus wechselt. Allerdings: Einer von der wirklich wilden Sorte wird der vorläufige Top-5er auch dann nicht. Sicher, der V8 reagiert nun viel spontaner und weniger gedämpft auf Gaspedal-Befehle, zudem ist er dank Klappen-Abgasanlage sowie aktivem Sound-Design auch deutlich besser vernehmbar. Dennoch gibt er weiterhin eher den durchtrainierten Sportler im gut sitzenden Anzug als den Bodybuilder mit freiem Oberkörper: Dass hier nicht weniger als 462 PS und entsprechend gewaltige Kraftreserven versammelt sind, ist jederzeit spürbar – aber der M550i G30 hat nie das Bedürfnis, andere Verkehrsteilnehmer ungefragt darüber in Kenntnis zu setzen.
Dabei macht es zumindest beim Beschleunigen keinen Unterschied, dass unser Testwagen für den ersten Fahrbericht auf Winterreifen unterwegs war. Zumindest auf trockenem Asphalt beschleunigt der BMW M550i auch auf Winter-Bereifung mit souveräner Gelassenheit aus den mitunter engen Kehren der Roßfeldpanoramastraße heraus und vermeidet dabei konsequent jede überflüssige Show-Einlage. Der hecklastig abgestimmte Allradantrieb und die mitlenkenden Hinterräder scheren sich scheinbar nicht um den reduzierten Reibwert der Winterreifen und wandeln die 650 Newtonmeter Drehmoment derart ungerührt in Vortrieb um, dass es im besten Sinne des Wortes unspektakulär ist. Jedes Zucken des Hecks muss vom Fahrer aktiv provoziert werden, im Normalfall bleibt der V8-5er auch unter Volllast stur der Neutralität verpflichtet und kennt eigentlich nur eine Richtung: Mit Macht geradeaus!
Sicher ist sicher: BMW M550i xDrive im April 2017, auf Winterreifen.
Wie es um die erzielbaren Kurvengeschwindigkeiten bestellt ist, können wir nach unserer ersten Ausfahrt mit dem BMW M550i xDrive leider nur erahnen: Weil die Roßfeldpanoramastraße auch Ende April stellenweise noch von Schnee bedeckt war, gab es keine Alternative zu Winterreifen. Das volle Potenzial des normalerweise auf 19 oder sogar 20 Zoll großen Leichtmetallrädern mit Performance-Bereifung stehenden M550i war für uns folglich nicht zu erkunden. Die ausgeglichene Gewichtsverteilung und das speziell auf das vorläufige Topmodell abgestimmte Fahrwerk haben aber auch auf Winterreifen dafür gesorgt, dass der BMW M550i xDrive lange neutral bleibt und nur dann mit Untersteuern straft, wenn der Fahrer eine deutlich zu hohe Geschwindigkeit für die Einfahrt in die Kurve wählt.
Dass der doppelt aufgeladene V8 im Bug nicht nur zurückhaltenden Verzicht beherrscht, sondern bei sportlicher Betätigung durchaus auch trinkfest ist, konnten wir auf unserer Fahrt ebenfalls feststellen. Wird der BMW M550i xDrive zügig bewegt, rückt der Normverbrauch von 8,9 Liter auf 100 Kilometer fast so schnell in weite Ferne wie die Allrad-Limousine unter Volllast. Aber die Lösung für alle, die viel Performance gerne mit wenig Durst kombinieren, ist ebenfalls schon startklar. Mit dem auch als Touring erhältlichen BMW M550d schicken die Münchner einen zweiten M Performance-Pfeil auf die Reise. Der wird mit 400 PS etwas langsamer, dafür aber auch im zügig gefahrenen Alltag mit unter 10 Liter Diesel auf 100 Kilometer zu bewegen sein – und liefert damit sogar noch mehr Zahlen, die zu Beginn unseres Jahrtausends beinahe undenkbar waren.