Formal handelt es sich beim BMW M760Li xDrive “nur” um ein M Performance Automobil und nicht um einen vollwertigen M, dennoch übertreffen seine Leistungswerte und auch die Fahrleistungen aus dem Stand alle bisherigen Modelle aus Garching. Wir hatten in Palm Springs die Gelegenheit, uns ausführlich mit Peter Quintus, Leiter Vertrieb und Marketing der BMW M GmbH, über das neue Topmodell der 7er-Reihe zu unterhalten und dabei zu klären, in welchen Bereichen sich der V12-7er von den schwächeren Basismodellen unterscheidet.
Wie man sich denken kann, sind die Änderungen sowohl Hardware- als auch Software-seitig tiefgreifend, schließlich soll der erste BMW 7er mit einem M im Namen auf keinen Fall enttäuschen. Dass sich auch die Zielgruppe ein wenig vom üblichen Klientel der M GmbH unterscheidet, überrascht angesichts eines Preis von mindestens 166.900 Euro nicht. Im Interview klären wir, wo die meisten Kunden für den BMW M760Li ansässig sind, was es mit dem Kürzel M760i auf sich hat und warum es auf einigen Märkten neben der sportlichen Variante auch den eher zurückhaltenden V12 Excellence gibt.
BimmerToday.de: Preis und Leistung machen deutlich, dass der BMW M760Li extrem exklusiv positioniert ist. Wie groß ist der Markt für das V12-Topmodell im Vergleich zu den übrigen Varianten eigentlich, wieviel Prozent aller 7er werden als M760Li verkauft?
Peter Quintus: Wir gehen davon aus, dass sich in etwa jeder 20. BMW 7er Kunde für das Topmodell entscheidet.
BimmerToday.de: Gibt es einzelne Märkte und Regionen, die besonders hervorstechen?
Peter Quintus: Ungefähr ein Drittel der M760Li werden nach unseren Planungen in China verkauft, etwa ein Viertel in den USA und zehn Prozent im Mittleren Osten. Aber auch in den europäischen Märkten wissen einige Kunden den Luxus und die Exklusivität einer Zwölfzylinder-Limousine zu schätzen.
BimmerToday.de: Gibt es in dieser Zielgruppe auch Überschneidungen mit Rolls-Royce?
Peter Quintus: Nein. Rolls-Royce-Kunden ticken aus unserer Erfahrung komplett anders, da gibt es keine Überschneidungen.
BimmerToday.de: Bei Rolls-Royce liegt der Bespoke-Anteil bei annähernd 100 Prozent, erwarten Sie auch für den M760Li einen überdurchschnittlich hohen Individual-Anteil?
Peter Quintus: Ja, sowohl für Individual als auch für die Individual Manufaktur. Wir rechnen hier insgesamt mit einem Anteil von deutlich über 50 Prozent.
BimmerToday.de: Der Allradantrieb xDrive wird serienmäßig verbaut. Gibt es keinen Markt für einen BMW M760Li mit Hinterradantrieb?
Peter Quintus: Bei dieser Leistung brauchen Sie einfach Allradantrieb. Durch die sehr dynamische xDrive-Auslegung haben wir auch keine Nachteile gegenüber einem Hinterradantrieb. Hinzu kommt das relativ geringe Volumen dieses Segments, weshalb das Angebot von zwei verschiedenen Varianten auch betriebswirtschaftlich betrachtet kaum Sinn ergibt.
BimmerToday.de: Der Allradantrieb ist hecklastig ausgelegt, aber lässt sich diese Auslegung auch mit einer prozentualen Grundverteilung angeben?
Peter Quintus: Nein, denn unser Allradantrieb ist extrem variabel und die konkrete Verteilung hängt von zahlreichen Faktoren ab. Das kommt unter anderem auf den Untergrund an, aber auch die wirkende Querbeschleunigung, der Lenkwinkel und die Fahrpedalstellung spielen eine Rolle. Aus Effizienzgründen schalten wir bei einer je nach Witterung und Reibwert unterschiedlichen Geschwindigkeit auch auf reinen Hinterradantrieb um.
BimmerToday.de: Auch ohne eine konkrete Zahl lässt sich also sagen, dass sich der Allradantrieb mit seiner heckbetonten Auslegung von den übrigen 7er-Varianten unterscheidet?
Peter Quintus: Ja, die Applikation ist exakt auf dieses Fahrzeug abgestimmt. Der BMW xDrive wurde für die BMW M Performance typische Fahrdynamik hinterradbetonter und damit noch sportlicher ausgelegt.
BimmerToday.de: Welche sonstigen Unterschiede gibt es bei den Fahrwerkskomponenten im Vergleich zu den übrigen 7er-Varianten?
Peter Quintus: Wir haben beim BMW M760Li zunächst alle Optionen serienmäßig an Bord, die für andere Modelle gegen Aufpreis angeboten werden. Zur Luftfederung und den geregelten Dämpfern kommen also die Integral-Aktivlenkung, Executive Drive Pro und xDrive. Wir haben bei all diesen Komponenten die Software angepasst, speziell bei Luftfederung und Dämpfern aber auch die Hardware. Neben der üblichen Anpassung an das Fahrzeuggewicht haben wir die Auslegung auch sportlicher gemacht, also eine eigenständige Hardware-Auslegung der Luftfederung erstellt. Dabei war es uns besonders wichtig, dass wir die komfortabelste Kennlinie nahezu unverändert lassen können, um keine Einschränkungen beim Langstreckenkomfort zu haben. Für die Sport-Kennlinie haben wir aber dennoch viel größere Dämpfkräfte, um die gewünschte Sportlichkeit darstellen zu können. Die dritte Hardware-Änderung ist natürlich der Reifen, denn der Michelin Pilot Sport ist ein speziell für den BMW M760Li entwickelter und angepasster Supersport-Reifen.
Um diese neue Hardware optimal nutzen zu können, gehört natürlich eine entsprechende Software-Anpassung dazu, unter anderem bei der Wankstabilisierung und der Integral-Aktivlenkung. Bei der Integral-Aktivlenkung war es uns wichtig, diese im Sportmodus noch dynamischer zu machen und so noch mehr Agilität zu vermitteln. Dazu gehört es dann, an der Hinterachse tendenziell weniger zu lenken, um die sehr direkte Lenkung an der Vorderachse zu betonen.
BimmerToday.de: Der Name sortiert den M760Li anders als den Vorgänger bei den M Perfomance Automobilen ein, aber wie viel Sportlichkeit braucht man in dieser Fahrzeugklasse?
Peter Quintus: Wir machen natürlich Wettbewerbs-Analysen und es gibt ja durchaus Wettbewerber, die in diesem Segment mit einer sportlichen Positionierung sehr erfolgreich sind. Und von deren Marktanteilen wollen wir uns natürlich das eine oder andere Stückchen abknabbern.
BimmerToday.de: Wen sehen Sie denn als wichtigsten Wettbewerber?
Peter Quintus: Einen ganz direkten Wettbewerber sehen wir nicht, aber die beiden AMG-Modelle der S-Klasse spielen hier die Hauptrolle. Allerdings gibt es nur den S 63 mit V8 als Allradler, der S 65 mit V12 ist nur mit Hinterradantrieb erhältlich. So ganz vergleichbar sind diese Modelle also aus technischer Sicht nicht, aber sie sprechen sicherlich dennoch eine ähnliche Zielgruppe an.
BimmerToday.de: Obwohl die Fahrleistungen die Positionierung als M Performance Automobil und die dazugehörige Optik zweifellos rechtfertigen, gibt es als Alternative auch die optisch weniger aggressive V12 Excellence-Version. Für welche Kunden gibt es dieses Angebot und auf welchen Märkten wird die Nachfrage in diesem Fall besonders groß sein?
Peter Quintus: Schwerpunktmäßig haben wir diese Variante für die asiatischen Märkte entworfen, insbesondere China. Dort gibt es viele Kunden, die extremen Luxus und satte Leistung zu schätzen wissen, aber dabei keine sportliche Optik wünschen.
BimmerToday.de: Aus technischer Sicht unterscheidet sich die V12 Excellence-Version aber nicht vom gewöhnlichen M760Li, beispielsweise durch ein noch komfortabler abgestimmtes Fahrwerk?
Peter Quintus: Fahrwerk, Motor und Fahrleistungen sind identisch. Aber es gibt schon ein paar Unterschiede, beispielsweise verzichten wir beim V12 Excellence auf die Sport-Abgasanlage und die Schalt-Paddle am Lenkrad. Das liegt daran, dass wir bei vielen V12 Excellence einen Chauffeurs-Einsatz und deutlich weniger Selbstfahrer erwarten.
BimmerToday.de: Der Motor hat nun 6,6 Liter Hubraum und rückt dadurch noch enger an das Triebwerk von Rolls-Royce Ghost, Wraith und Dawn heran. Wo liegen die Unterschiede zwischen den Motoren, gibt es überhaupt relevante Unterschiede?
Peter Quintus: Die Motoren unterscheiden sich deutlich. Der Zwölfzylinder im BMW M760Li hat andere Pleuel, andere Zylinder, eine kennfeldgeregelte Ölpumpe, ein elektronisch gesteuertes Wastegate und ein komplett neues Hotend bekommen. Noch größer sind die Unterschiede bei der Software, denn der V12 hat zum ersten Mal eine M Performance-Abstimmung bekommen. Der Motor wirkt dadurch natürlich viel sportlicher als im Rolls-Royce, wo das nicht gewünscht ist. Neben dem Motor gehört da auch die Getriebe-Applikation hinzu, mit spontanen Rückschaltungen mit schnelleren Schaltzeiten im Sportmodus. Trotzdem können wir die Spreizung je nach Fahrmodus sehr weit in Richtung Komfort verschieben, wenn es der Kunde wünscht.
BimmerToday.de: Wenn man sich die Literleistung ansieht, geht es trotz M Performance-Abstimmung nicht um maximale Leistung, sondern eher um Komfort. Oder?
Peter Quintus: Es geht um ein stimmiges Gesamtkonzept, ja. Der Motor soll viel Leistung haben, aber vor allem auch Souveränität ausstrahlen. Das schafft er auch dank des bereits ab 1550 Umdrehungen anliegenden Drehmoments von 800 Newtonmeter sehr gut.
BimmerToday.de: Für etwas Verwirrung sorgt der Schriftzug am Heck, denn hier in den USA lesen wir lediglich M760i, obwohl es sich um die Langversion handelt. Können Sie die Hintergründe kurz erläutern?
Peter Quintus: Es gibt Märkte, auf denen der 7er nur als Langversion angeboten wird. Auf diesen Märkten verzichten wir prinzipiell auf das L im Modellnamen, weil es nicht zur Unterscheidung gebraucht wird.
BimmerToday.de: Vielen Dank bis hierhin, zum Abschluss haben wir aber noch eine persönliche Frage: Würden Sie mit einem Budget von 168.000 Euro einen M760Li oder doch einen 730d und ein M4 Cabrio kaufen?
Peter Quintus: (lacht) Ich kaufe natürlich den M760Li. Nein, ich würde wahrscheinlich zwei M-Modelle kaufen. Aber man sieht an diesen Optionen schon ganz gut, in welcher Welt die Kunden für den M760Li leben, da ist Geld oft eine sehr relative Größe.
BimmerToday.de: Herr Quintus, vielen Dank für die interessanten Einblicke!