Im Regen stand der BMW 5er in den letzten 44 Jahren nur selten, allein in den letzten sechs Jahren genoss die obere Mittelklasse aus München ständig den Platz an der Sonne und war die weltweit meistverkaufte Baureihe ihres Segments. Ein paar Tropfen Wasser während unserer ersten Fahrt im neuen BMW 5er G30 sind vor diesem Hintergrund eher eine angenehme Erfrischung als ein Grund zum Ärgern – und sie schaden auch nicht, wenn man für den ersten Fahrbericht zum BMW 530d xDrive G30 greift und sich ein Bild vom weiterentwickelten Allradantrieb machen will.
Doch bevor wir einsteigen, richten sich die Augen auf das Design. Mit der optionalen Luxury Line wirkt der BMW 5er G30 besonders elegant, die zusätzlichen Chrom-Elemente unterstreichen den Premium-Anspruch schon auf den ersten Blick und bescheren der Limousine einen beinahe staatsmännischen Auftritt. Die flacher und breiter gestaltete Niere, die scharf ausgeformte Schulterlinie und das von wenigen klaren Linien geprägte Heck sorgen jedoch dafür, dass der neue BMW 5er 2017 aus jeder Perspektive jünger und dynamischer als der aktuelle 7er wirkt.
Fahrbericht BMW 5er G30: Erste Fahrt im neuen 530d
Nicht mit bloßem Auge zu erkennen ist die um beachtliche 10 Prozent verbesserte Aerodynamik. Je nach Motorisierung wird der cW-Wert auf bis zu 0,22 reduziert, womit der BMW 5er G30 einen neuen Bestwert für Limousinen aufstellt. Obwohl das Auge diesen Fortschritt nicht beurteilen kann, könnten die Ohren schon kurz nach dem erreichen dreistelliger Geschwindigkeiten ein Lied davon singen: Das in unzähligen Windkanal-Stunden ausgefeilte Spiel mit der Luft sorgt gemeinsam mit der Akustik-Frontscheibe und einer in vielen Bereichen optimierten Dämmung für einen Geräuschkomfort, der den Vorgänger klar in den Schatten stellt und den G30 zum bisher leisesten 5er aller Zeiten macht.
Aber es ist bei weitem nicht nur die Geräuschkulisse, die den Innenraum der siebenten 5er-Generation besonders hochwertig wirken lässt. Das völlig neu gestaltete Armaturenbrett baut dank des jetzt freistehenden Displays, das eine stärker abfallende Oberfläche erlaubt, deutlich flacher und lässt das Interieur erheblich luftiger wirken. Zumindest im Fall des üppig ausgestatteten Testwagens gibt es weder an den gewählten Materialien noch an der peniblen Verarbeitung etwas auszusetzen, nur die wenigen Kunststoff-Oberflächen auf der Mittelkonsole und in den Türen bieten noch Raum für haptische Verbesserungen.
Das schon angesprochene Display funktioniert erstmals in einem 5er auch als Touchscreen und verfügt über eine neue Software-Generation, die das erst vor rund einem Jahr eingeführte Kachel-Design auf das nächste Level hebt: Die Kacheln lassen sich nun individuell anpassen und in Sekundenschnelle in die vom Fahrer gewünschte Reihenfolge bringen. So kann jeder Fahrer selbst wählen, welche Menüs und Funktionen er auf den ersten Blick griffbereit haben möchte und welche Optionen in seinem Alltag nur in die zweite Reihe gehören. Noch komfortabler ist es allerdings, iDrive mit Hilfe der weiterentwickelten Sprachsteuerung zu bedienen: Wer will, kann die frei programmierbare Zwei-Finger-Geste der aus dem 7er bekannten Gestiksteuerung nutzen, um die Spracheingabe zu aktivieren und im Anschluss völlig frei seine Wünsche äußern – was auf Anhieb verblüffend häufig funktioniert und mit etwas Übung ähnlich reibungslos wie der Umgang mit Siri & Co. gelingen soll.
Dass man im BMW 5er G30 auch während der Fahrt lange über das Bedienkonzept sinnieren kann, verdankt man dem neuen BMW Personal CoPilot. Hinter diesem Begriff verbergen sich die Assistenzsysteme, die das teilautonome Fahren im neuen 5er ermöglichen. In der Praxis heißt das: Fährt man auf einer mehrspurigen Straße mit baulicher Abgrenzung zum Gegenverkehr und aktiviert den Spurhalteassistenten durch einen Druck auf die entsprechende Taste am Lenkrad, übernimmt der BMW 5er zusätzlich zur Regelung von Geschwindigkeit und Abstand auch das Halten der Fahrspur. In diesem Modus lenkt das Auto selbst, gibt mit Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer Gas oder bremst und wenn es der Fahrer durch einen kurzen Druck am Blinkerhebel wünscht, wechselt es auch selbstständig die Fahrspur.
Was zunächst unheimlich klingt, wirkt schon noch wenigen Minuten völlig selbstverständlich. Je nach Geschwindigkeit und Verkehrsdichte wird die grüne Lenkrad-Anzeige im Display früher oder später gelb und fordert zum erneuten Griff ans Lenkrad auf, auch im gelben Modus bleibt der 5er aber noch einige Sekunden sicher in der Spur. Wird das Lenkrad kurz berührt, beginnt die autonome Phase von vorn und lässt sich so wieder und wieder verlängern. Die Gründe für die zeitliche Beschränkung des Assistenzsystems sind dabei nicht in erster Linie technischer Natur, sie sollen vor allem den Charakter als Assistenzsystem betonen und dabei nicht den Eindruck entstehen lassen, den Fahrer im Sinne eines echten Autopiloten bereits vollständig ersetzen zu können.
Doch auch wenn das autonome Fahren auf den nicht sonderlich stark befahrenen Autobahnen rund um Lissabon erstaunlich gut funktioniert, ist der Wechsel auf die kurvigen Landstraßen entlang der Küste ein echter Grund zur Freude: Wie in jedem BMW macht es auch im 5er G30 deutlich mehr Spaß selbst zu fahren als sich fahren zu lassen. Auch und gerade im Vergleich zum Vorgänger wirkt die Neuauflage in jeder Kurve deutlich agiler, lenkt williger ein und bietet mehr Rückmeldung von der Straße. Das macht den BMW 5er nicht zu einem größeren 3er, aber es genügt, um jeden Zweifel an der angestrebten Positionierung als bestem Fahrerauto seiner Klasse innerhalb weniger Kurvenkombinationen zu beseitigen.
Möglich wird der Fahrdynamik-Sprung durch eine clevere Diät, die den BMW 5er 2017 auch ohne Carbon mit bis zu 100 Kilogramm weniger auf den Rippen antreten lässt. Neu konstruierte Achsen vorn und hinten tragen ihren Teil dazu bei, das niedrigere Gewicht erlebbar zu machen. Die vom Vorgänger bekannte Allradlenkung ist nun auch für Modelle mit Allradantrieb erhältlich und sorgt gemeinsam mit den schon erwähnten Verbesserungen dafür, dass sich der von uns gefahrene BMW 530d xDrive praktisch wie ein Hecktriebler fährt. Die vom Vorgänger bekannte Tendenz zum Untersteuern konnte merklich reduziert werden und macht die Allrad-Version erfreulich dynamisch.
Der im Innenraum kaum als Diesel identifizierbare Reihensechszylinder sorgt in jeder Lebenslage dafür, dass der intelligenten Kraftverteilung des Allradantriebs xDrive nicht langweilig wird: 265 PS und stattliche 620 Newtonmeter maximales Drehmoment wollen optimal verteilt werden. Die bewährte Achtgang-Automatik von ZF hat es angesichts des fülligen Drehmomentverlaufs leicht, einen passenden Gang zu finden. Und wenn alle Systeme Hand in Hand spielen, beschleunigt der BMW 530d xDrive in nur 5,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h – ein Wert, der in dieser Klasse noch vor wenigen Jahren den sportlichen Topmodellen vorbehalten war. Dass der Normverbrauch des 530d trotz gesteigerter Performance um 12 Prozent auf 4,5 Liter reduziert werden konnte, rundet den gelungenen Auftritt des neuen B57-Triebwerks ab.
Und wenn die Straßen im portugiesischen Hinterland rauer werden, zeigt das Fahrwerk noch eine weitere Qualität: Das Abrollverhalten bleibt selbst im Sport-Modus der adaptiven Dämpfer erstaunlich sanftmütig. Aber auch im Comfort-Modus fährt sich der neue 5er jederzeit wie ein echter BMW, verzichtet auf eine übertrieben-weiche Abstimmung und bleibt daher angenehm-direkt. Damit das Stahlfahrwerk die Insassen der Limousine mit härteren Stößen über den schlechten Zustand der Straße informiert, braucht es schon größere Schlaglöcher, bei denen auch eine Luftfederung längst an ihre Grenzen gekommen wäre.
Angesichts der überzeugenden Vorstellung kann es sich schließlich auch die Sonne nicht verkneifen, einen Blick auf den neuen BMW 5er G30 zu werfen. Sie wird das in diesem Augenblick nicht zum letzten Mal tun, denn in München ist man nicht ohne Grund zuversichtlich, den Platz an der Sonne auch mit der siebten Generation verteidigen zu können. Dass BMW viel Geld und Herzblut investiert hat, um den schwierigen Spagat zwischen Luxus und Sportlichkeit im neuen 5er noch überzeugender als in den bisherigen sechs Generationen zu meistern, merkt man der edlen Limousine auf jedem Meter an. Wie gut das Ergebnis ist, erfährt man am Besten im direkten Vergleich zum erfolgreichen Vorgänger – der das Zepter nach sechs Jahren an der Spitze des hart umkämpften Segments an einen Thronfolger aus gleichem Haus weitergeben könnte.