Neun Tage US-Westküste, neun Tage Abenteuer in einem der stimmigsten Sport-Coupés überhaupt, dem BMW M235i. Gestern haben wir mit unsrem alpinweißen Reisebegleiter völlig spontan auf dem Coos Bay Speedway die Wurzeln amerikanischen Motorsports entdeckt, heute wird es Zeit fürs Kulturprogramm. Denn Hanna, ausgemachter Fan britischer Theaterkunst, freut sich seit Beginn der Reise auf unseren Besuch beim weltberühmten Oregon Shakespeare Festival…
Das schönste an einer Hotelübernachtung ist doch das Frühstücksbuffet, oder nicht? Ok, zugegeben: angesichts meterlanger Aufschnitt-Theken verfallen Hanna und ich meist in eine schlaftrunkene Fantasielosigkeit, in deren Folge nur die Kombination von frischem Bacon und Rührei wie ein sinnvolles Frühstück erscheint. In Amerika ist uns die morgendliche Überforderung bislang allerdings gründlich erspart geblieben – auch in Jacksonville. Ein „Continental Breakfast“ sei inklusive, verspricht das Mittelklassehotel unserer Wahl, doch bereits bei der Anreise hat der Mann an der Rezeption vorsorglich ein „Small“ hinzugefügt. Als wir dann am Morgen den als Frühstücksraum fungierenden Eingangsbereich betreten, bestätigt sich unsere Skepsis: ältliche Scones, Äpfel, und Bananen, dazu Kaffee mit oder ohne Koffein – that’s it.
Wie dieses Beispiel zeigt, zählt zumindest nach unserer Erfahrung die Hotellerie nicht unbedingt zu den Stärken der herrlichen US-Westküste. Wer nach Individualität sucht, sollte vorsorglich sein Reisebudget aufstocken, denn gute Hotels sind selten und oft richtig teuer. Dafür gibt es verschiedenste Alternativen zur klassischen Hotelübernachtung, die ohnehin viel besser zur Roadtripperei passen. Campingplätze, Airbnb-Zimmer und die klassischen Motels am Rande der Highways –oft sogar mit Pool– bieten das wahre Amerika-Feeling – und genug Stoff für unterhaltsame Reisegeschichten. Wann sonst bekommt man die Gelegenheit, sich in einem Motel-Jacuzzi sitzend mit einem polnischen IT-Geschäftsmann über die Zukunft des mobilen Internets zu unterhalten? (Spoiler: Es wird sehr, sehr schnell…)
Scone-los glücklich verabschieden Hanna und ich uns aus dem Hotel, beladen den BMW M235i und wecken dank des vollmundigen Standgases nach dem Kaltstart noch die letzten schlafenden Gäste. Sind Öl und Motor auf Temperatur, hat man wieder die Wahl zwischen ruhigem Understatement und blubbernder Sportwagenattitüde. Als wir nach kaum einer Meile durch den Drive-Thru von „Pony Espresso“ fahren um nachzuholen, was wir mit unserem Hotelfrühstück verpasst haben, hallt der Sechszylinder mit herrlich sportlichem Bass von den hölzernen Wänden wider – und wir übermitteln mit erhobener Stimme unsere Kaffee-Bestellung.
Nach kaum dreißig Meilen Fahrt bei spätsommerlicher Hitze – man merkt, wir sind bald in Kalifornien – erreichen wir die Ashland, eine beschauliche Kleinstadt mit etwas mehr als 20.000 Einwohnern und einer Besonderheit: Seit 1935 findet hier, mittlerweile von Februar bis November, das weltberühmte Oregon Shakespeare Festival statt. In drei Theaterbauten wurden bis heute alle 39 Shakespeare-Stücke weit über 300 mal inszeniert – und wir haben uns zwei der begehrten Tickets für eine abendliche Aufführung von „Viel Lärm um Nichts“ gesichert.
Hanna ist aufgeregt. Als ausgemachter Shakespeare-Fan und gebürtige Amerikanerin kommt sie zu Hause in Deutschland eher selten in den Genuss eines Theaterbesuchs in Originalsprache. Und während wir für ein paar Fotos durch die Stadt rollen, schmiedet sie bereits Pläne für die Abendgarderobe. Was die Wahl unseres Autos anbelangt, sind wir zumindest mit dem BMW M235i bestimmt nicht „overdressed“.
Draußen auf dem Lande, in den Tiefen Oregons, ist der Automarkt fest in amerikanischer Hand und europäische Premium-Fahrzeuge bilden eher eine Ausnahme. Zu rau sind vielerorts die Straßenverhältnisse und Einsatzgebiete und nach ein paar Meilen Staubstraße versteht man ganz von selbst, weshalb der Ford F-150 Pick-up das meistverkaufte Auto der USA ist. In Ashland hingegen passt unser weißer BMW schon eher ins Straßenbild – und auf dem Weg zum Shakespeare Schauspiel bekommen wir sogar Gesellschaft. Zwei BMW M3 in der „Nürburgring-Edition“ halten neben uns an der Ampel. Einer der Fahrer winkt grinsend herüber. Man muss zusammenhalten im Land der Muscle-Cars.
Es ist die Nacht des seltenen Blutmondes und vor dem Theater versuchen die Zuschauer, vor Beginn der Vorstellung noch schnell einen Blick auf das Naturschauspiel zu erhaschen. „Es geht los“, flüstert Hanna begeistert, als schließlich auch im Saal das Licht erlischt. Die Inszenierung von „Much ado about Nothing“ ist so großartig und modern (ein Wachmann kommt mit Segway auf die Bühne!), wie man es von einem Theaterfestival dieser Größe nur erwarten kann. Grandiose Schauspieler treffen auf begeisterte Zuschauer aller Altersgruppen; irgendwo neben uns spricht ein älterer Herr stumm den Text mit. „Viel Lärm um Nichts“ an einem ziemlich perfekten Abend – nur eines hat Hanna auszusetzen: für eine passende Überleitung zu unserem M235i, hätten sie heute vielleicht doch lieber den „Sommernachtstraum“ spielen sollen…
Text: Jonas Eling
Fotos: Hanna Coco