Das war mal ein Roadtrip-Start: Überwältigende Landschaften, finstere Wälder und ein Schwarzbär auf der Straße! Sicher, wer mit einem BMW M235i in neun Tagen entlang der US-Westküste von Seattle nach San Francisco fährt, kann schon mit ein paar Abenteuern rechnen. Doch unsere erste Reise-Etappe hat alle Erwartungen übertroffen – auch wenn die Begeisterung am nächsten Morgen erst einmal auftauen muss…
Das erste Tageslicht scheint fahl durch die Plane unserer Jurte. Kurz vor Sieben meldet das Handy, nur um sich dann mit leerem Akku in den Tiefschlaf zu verabschieden. Winterliche Kälte, innerhalb wie außerhalb des Schlafsacks… „Komm, stell dich nicht so an, immerhin gibt’s warmes Wasser!“. Hanna hat bereits die beiden Duschkabinen des kleinen Campingplatzes entdeckt, neben denen ein Dieselgenerator brummend für morgendlichen Restkomfort sorgt. Auch unser BMW hat die Nacht gut überstanden – mit Seeblick, wie wir beim Einladen der Koffer überrascht feststellen. Bis ans Ufer wachsen die Bäume dicht an dicht und strecken ihre Wurzeln ins kristallklare Wasser. Wilde Streifenhörnchen beobachten neugierig unser Treiben, während im Hintergrund der Szenerie der mächtige Mount Hood unseren Besuch erwartet. Der Lost Lake ist ein magischer Ort und, darin sind wir uns einig, ein absoluter Geheimtipp für alle Westküstenreisende, die Lust auf Abenteuer haben.
Einige Fotos später passieren wir schließlich noch einmal das verlassene Empfangshäuschen, das auch bei Tageslicht seinen Dreh-um-und-gib-Gas-Charme nicht so recht abzulegen vermag. Gemütlich Frühstücken im nächsten Dorf, dann weiter in Richtung Mount Hood – als sich das Navi-Handy am USB-Anschluss des BMW ein wenig regeneriert hat, verpasst der Telefonanbieter unserer vielversprechenden Vormittagsplanung jedoch einen empfindlichen Dämpfer. Wir haben weder Netz, noch Internet, geschweige denn eine passende analoge Karte an Bord. Vor uns teilt sich der Weg.
Mit dem Allradantrieb xDrive wird der BMW M235i zum Bergstraßenkönig
„Links hoch, komm, das sieht doch vielversprechend aus! Wir haben uns ja gestern auch nicht verfahren…“. Immer höher schiebt sich die einspurige Straße den Berg entlang, natürlich ohne Schilder. Wer hier langfährt, kennt sich aus – normalerweise. Als es nach einer dreiviertel Stunde zum Umdrehen längst zu spät ist, mündet der brüchige Asphalt unvermittelt in eine staubige Lehmstraße. Danke, Allradantrieb, dass es dich gibt! Zackige Lenkeingriffe quittiert der M235i mit dezenten Heckschlenkern, grundsolide und leichtfüßig. Immerhin müssen wir nun keinen Schlaglöchern mehr ausweichen. Stand Hanna der Fahrzeugwahl zu Beginn des Roadtrips noch etwas kritisch gegenüber („Die fahren hier nicht umsonst Pick-ups“), hat unser alpinweißer Coupé sie längst von seinem genügsamen Sportsgeist überzeugt. Wer ein wenig Gefühl für die häufig nicht ganz sauber asphaltierten B-Roads entwickelt, kommt auch mit einem M-BMW völlig problemlos ans Ziel – und kann dazu noch den Weg Kurve um Kurve genießen.
Nach anderthalb Stunden Fahrt ins Ungewisse führt uns die schmale Bergstraße schließlich doch zurück in die Zivilisation und wir rollen durch das Dörfchen Parkdale. Statt der erwarteten Skigebiete stoßen wir auf riesige Apfelplantagen, statt auf eine analoge Karte auf bedauerndes Kopfschütteln im Dorfladen. „Sorry Leute, sowas haben wir nicht.“ Immerhin führt uns ein Faltplan, auf dem umliegende Apfelbauern verzeichnet sind, zurück zu unserem Mittags-Ziel Mount Hood.
Als Drehort für Stanley Kubricks Horror-Klassiker „The Shining“, in dem ein verrückter Schriftsteller mit seiner Familie auf ein im Winter geschlossenes Berghotel aufpassen soll, hat es die Timberline Lodge am Fuße des 3.429 Meter hohen Berges zu einiger Bekanntheit gebracht. Klar, dass wir als Film-Freunde das im massiven Stil der 1930er Jahre errichteten Hotel auf ein paar Bilder besuchen müssen. Nur leider sind wir nicht gerade die einzigen mit dieser originellen Idee. Der mehrfach erweiterte Parkplatz ist regelrecht überfüllt und wo im Winter ausgedehnt Skigefahren wird, ziehen sich im Sommer gut bevölkerte Wanderwege den Gipfel empor. Totale Abgeschiedenheit neben perfekt erschlossenem Tourismus. Auch das ist Amerika – und meist ist man eben nicht so allein, wie man glaubt zu sein.
Hanna will gerade die Kamera zurück in den Kofferraum packen, als uns eine freundliche Dame in sehr bayrischem Englisch anspricht: „Schickes Auto!“. Schnell erfahren wir, dass auch sie aus Deutschland kommt und mit ihrem Mann, der in München bei BMW arbeitet, vier Wochen lang im Wohnmobil unterwegs ist. Ob wir tauschen möchten? Danke, passt schon! Im Film „The Shining“ steht in dem einsamen Berghotel nur ein kaputtes Funkgerät – die Realität fällt für uns dagegen umso erfreulicher aus: Dank WLAN können wir endlich das Ziel unserer heutigen Etappe ins Handy-Navi einzugeben. Noch rund 220 Kilometer liegen vor uns bis wir die Küstenstadt Seaside erreichen.
Über einen gut ausgebauten Highway verlassen wir allmählich die Bergregion und lernen kurz später die besonderen Tankstellengesetze des Staates Oregon kennen, in dem wir uns seit ein paar Stunden befinden. Statt selber zu tanken muss man sich hier an einen Tankwart wenden – in unserem Falle ein junger Mann, der routiniert von Zapfsäule zu Zapfsäule springt und vier Autos gleichzeitig volltankt.
„Boring Oregon City“, heißt es auf einem Ortsschild am Rande des Highway 26. Gemächlich bewegen wir uns durch die anschwellende Rushhour auf Portland zu. Immer geradeaus, vorbei an Vorstädten mit jeder Menge Fast Food Restaurants, dazu die Johnny Cash Playlist im Ohr. Mit Blick auf die Uhr – heute wollen wir schließlich mal wieder zu Abend essen – entscheiden wir uns gegen einen Besuch in der Stadt der Brücken und arbeiten uns weiter im entspannten Country-Rhythmus durch den dichten Verkehr. Irgendwo hinter Portland reduziert sich der Highway wieder auf zwei Spuren. Gleich haben wir’s geschafft, heute sogar bei Tageslicht und ohne außergewöhnliche Wildbegegnungen. Am Straßenrand wirbt ein Geschäft für handgefertigte Surfbretter und zum ersten Mal befahren wir für ein paar Meilen den berühmten Küstenhighway 101, atmen die salzige Luft des kalten Pazifik. Für die heutige Übernachtung hat uns das Internet ein Hotel gleich am Strand empfohlen – mit Queen-Size Betten. Nach einer eiskalten Nacht im Schlafsack klingt das absolut königlich…
Text: Jonas Eling
Fotos: Hanna Coco
Morgen im vierten Teil unseres Roadtrips: Ein Rennen gegen die Zeit – mit leerem Tank.