„Driften oder Elektro?“, fragt die freundliche Dame am Empfang der BMW Driving Academy und schaut erwartungsvoll herüber. Ja, der Tag auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck vor den Toren Münchens beginnt wahrlich vielversprechend. „Elektro“, antworten wir gemäß unserer Einladung und übermitteln via Tablet noch ein paar Daten.
Denn auf dem historischen Flugfeld in der Nähe von Maisach, auf dem bis vor ein paar Jahren noch Militärjets stationiert waren, ist die Fliegerei schon länger Geschichte. Stattdessen veranstaltet die BMW und MINI Driving Academy auf dem riesigen Gelände eine ganze Reihe äußerst verführerischer Fahrertrainings für Fans, Firmen und professionelle Fahrer – und wir kommen heute in den Genuss, uns das neueste Angebot einmal näher anzusehen: „BMW i meets M“.
Hinter den beiden heißesten Buchstaben der umfangreichen BMW Nomenklatur stecken ja eigentlich zwei völlig unterschiedliche Ansätze, mit dem Thema Mobilität umzugehen. Während unter der recht neuen Submarke „BMW i“ schicke Elektroautos mit modernem Design und aufwendigster Motorentechnik verkauft werden, zählt beim großen „M“ bekanntlich der Druck aufs Gaspedal und alles was daraufhin so passiert.
Warum sich nun solch unterschiedliche Konzepte bei 27 Grad und strahlend blauem Himmel treffen müssen? Ganz einfach: sowohl der wunderschöne BMW i8 als auch der wunderschnelle BMW M6 beanspruchen für sich aus voller Überzeugung die Krone des Sportwagenbaus, allerdings aus völlig unterschiedlichen Beweggründen – im wahrsten Sinne des Wortes. Der 4,4-Liter-V8 unter der Motorhaube des M-Flaggschiffs bringt 560 PS über die Hinterräder auf die Straße und beschleunigt mit 680 Nm Drehmoment in 4,2 Sekunden auf Hundert.
Unter der eleganten Carbon-Karosserie des i8 geht es hingegen etwas komplizierter zu: Der Plug-in Hybrid erreicht seine Systemleistung von 362 PS mit einem 231 PS starken Dreizylinder-Turbo im Heck und einem 131 PS starken Elektromotor, der auf die Vorderräder wirkt. Dank knapp 400 Kilo weniger Gewicht braucht er trotz deutlich geringerem Leistungsniveau jedoch nur 0,2 Sekunden länger im Sprint auf Landstraßentempo. Klingt nach einem Duell auf Augenhöhe, in dem heute jeder Teilnehmer des Trainings seinen persönlichen Sportwagenkönig krönen kann.
Während wir im Kopf die Konzepte vergleichen und vor den bodentiefen Fenstern des im typisch-modernen BMW-Stil gehaltenen Pavillons jeweils drei weiße M6 Coupés und drei i8 hintereinander aufgereiht werden, betreten nach und nach die übrigen Mitfahrer das Flugfeld. 450 Euro bezahlt, wer die beiden Supersportwagen einmal abseits öffentlicher Straßen und ohne nervöse Probefahrtbegleitung erleben will. Entsprechend gespannt dreinblickende Gesichter warten nun Cola nippend und Brezen knabbernd auf den ersehnten Start.
Als schließlich alle neun Piloten versammelt sind, führt uns der Instruktor – ein BMW Ingenieur – in einen kleinen Seminarraum und erklärt sinnvolle Basics wie die ideale Sitzposition. Eine geballte Faust sollte zwischen Kopf und Dach passen, das Lenkrad dazu eine Armlänge vom Handgelenk bis zur Schulter von der Rückenlehne entfernt stehen. Während der Theorierunde fällt schon die positive Grundeinstellung unseres Fahrlehrers auf. Denn auch wenn wir später bärenstarke Sportwagen mit Preisschildern in Einfamilienhaus-Höhe über die Strecke bewegen, wird hier keine Vernunft gepredigt, sondern einfach vorausgesetzt. Und weder die drei PS-verrückten Briten, noch das sympathische Pärchen, das das Training beim Golfen auf Sylt gewonnen hat, machen den Eindruck als seien deutlichere Worte nötig.
Nach einer knappen Dreiviertelstunde geht’s zurück an die frische Luft. Auto-Wahl. Klar, jeder fährt die Übungen mit jeweils beiden Modellen, doch trotzdem steuern wir unmittelbar auf einen der BMW i8 zu – auch mit den Roadtrip-Erzählungen des Kollegen Benny im Hinterkopf. Während der Einstieg durch die dramatischen Flügeltüren vermutlich mit der Zeit an Eleganz gewinnt, bleiben im Innenraum des Zwei-plus-Zweisitzers keine Fragen offen. Wer schon einmal BMW gefahren ist, kommt auch mit dem i8 zurecht. Startknopf drücken, eDrive-Modus per Klick aktivieren und schon rollen wir rein elektrisch und angenehm geräuschlos zur ersten Übung, einem Ausweichtest auf nasser Strecke.
Über Funk gibt der Instruktor Anweisungen: Mit 60 km/h anrollen, den Pylonen ausweichen, vollbremsen, an die Autos gewöhnen. Letzterer Punkt fällt besonders beim BMW M6 etwas schwieriger aus: statt des üblichen „Fahrerlebnisschalters“ finden sich rund um den Wählhebel des Doppelkupplungsgetriebes Taster, mit denen sich Dämpfer, Lenkung, Gasannahme und ESP-Eingriff in ihrer Charakteristik verändern lassen – um seine persönliche Lieblingseinstellung zu finden, braucht es so definitiv mehr als nur einen Nachmittag.
Wie giftig die Kombination aus Hinterradantrieb, 560 PS und 1.850 Kilo Leergewicht ausfallen kann, zeigt sich besonders im Handlingkurs, der nächsten Übung von „BMW i meets M“. Lässt man den ESP-Knopf unangetastet, hält die Elektronik das Heck auch im wilden Ritt um die Pylonen rigoros im Zaum. Im spaßigeren Sportmodus hingegen lassen einen ausgeprägte Drifts bei jedem Herausbeschleunigen augenblicklich spüren, dass hier ohne elektronische Helfer die Hölle los wäre – glücklicherweise bewahren einen die eigens präparierten Trainingsfahrzeuge von vornherein vor der Versuchung, das ESP doch einmal völlig abzuschalten. Davon abgesehen ist die Spielerei mit Einstellungen und Fahr-Modi jedoch ausdrücklich erwünscht.
Zurück in den i8. Tür auf, fallen lassen. Wie war das noch mit der Einstiegs-Eleganz? Egal, jetzt zählt die Uhr, denn am Ende der Handling-Runde raunt einem der Instruktor über Funk die benötigte Zeit zu. Wir stupsen den Wählhebel in den Sportmodus und augenblicklich erwacht hinter uns der 231 PS-Dreizylinder angenehm knurrig aus dem Mittagsschlaf. „Und der nächste i8…“, kommt es aus dem Funkgerät. Der Rest des Satzes wird von der Vehemenz der Beschleunigung und dem süffig hochdrehenden Verbrenner verschluckt. Der erste Pylonen-Slalom kommt näher. Anbremsen, links, rechts, Vollgas. Sind es wirklich zwei Motoren, die hier den Allradantrieb stellen? Fragen, über die man im Wechselspiel aus Gas und Bremse ganz bestimmt nicht nachdenkt. Quietschend und zerrend wenden wir am Ende des Tracks, zurück geht’s durch den Slalom und die Lichtschranke der Zeitnahme.
Fünf Minuten Pause. Es riecht nach Bremse und Gummi und alle Lüfter laufen auf Hochtouren während sich unsere „M“s und „i“s, genau wie die Fahrer, in der Sonne von all den Handling-Anstrengungen erholen. Die letzten Raucher rauchen, die anfängliche Anspannung in den Gesichtern ist allseits einem breiten Grinsen gewichen. Schnell geht es zurück in die Autos, zum großen Finale des Fahrertrainings. 1,8 Kilometer Rundkurs. Schnelle Kurven, lange Geraden, eine Schikane. Gefahren wird grundsätzlich im Konvoi, wobei der Instruktor ganz vorn die Linie angibt und je nach den dynamischen Ambitionen des ersten Hintermannes sein Tempo verschärft. Bremspunkte verschieben sich weiter und weiter, ganz bewusst gibt mancher M6-Fahrer in den hinteren Reihen schon etwas zu früh Vollgas – und fängt das Heck gegenlenkenderweise mit immer mehr Routine wieder ein.
Als sich die Sonne nach dem letzten Autowechsel allmählich gen Horizont neigt und die Autos mit immer längeren Schatten über die Strecke huschen, geht es noch einmal zurück in den kleinen Seminarraum. Urkunden werden übergeben, Hände geschüttelt. Nur eine letzte Frage ist noch offen: wer ist denn nun der Sportwagenkönig in Fürstenfeldbruck? Das einhellige Funkeln in den Augen der Trainingsteilnehmer gibt die Antwort: weder M6, noch i8 – sondern die Insassen.